Here

Jahr: 2024 | Regie & Buch: Robert Zemeckis (Buch mit Eric Roth) | Spielfilm | 104min

Anfang der 2000er Jahre war die Webcam Technologie, ebenso wie das Internet, noch recht neu. Ich las in jenen Tagen meinen ersten Roman in englischer Sprache (der zum Glück sehr kurz war, denn ich musste zahllose Wörter übersetzen und damals musste man noch in einem großen Wörterbuch nachschlagen, heute verlegt sich das ins Internet und geht ungleich schneller). Wahrscheinlich hat mich das Übersetzen so sehr mitgenommen, dass ich mich nicht mehr an die Story des Romans erinnern kann, nur eine Erzählkonstellation ist bis heute nicht vergessen; die amerikanische Hauptheldin saß immer nachts an ihrem Computer und beobachtete die Bilder einer Webcam aus Kotka / Finnland, welche eine Straße aufnahm, in der für gewöhnlich nichts passierte. Ich fand diese Szenen großartig, einfach durch seinen Computer – in der Stille des eigenen Lebens – live in die Welt hinauszuschauen, was der Rest der Welt so macht. Heute gibt es zwar alle möglichen Webcams und man kann 24/7 auf diese zugreifen, aber diese Angebote zu nutzen und alle möglichen Plätze des Planeten anzusehen, habe ich dann doch nie richtig gemacht.[1]
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Javier Marías – Tomas Nevinson

Erschien 2021 unter diesem Titel im spanischen Original | deutsche Übersetzung von Susanne Lange 2022 bei S. Fischer veröffentlicht, hier in der Taschenbuchausgabe mit 736 Seiten

Viele Erinnerungen im Leben sind aus längst vergangenen Zeiten, deren Historie näher erscheint als sie war. Wir denken an Sachen zurück und überlegen, wann das war, rechnen nach und bemerken mit Überraschung, der manchmal eine Note Bitterness anhaftet, dass dieses Ereignis jetzt schon so viele Jahre zurück liegt. Manchmal ist aber das Gegenteil der Fall.
Als ich Javier Marías Roman „Berta Isla“ lass, war ich überzeugt davon, ganz schnell mit „Tomás Nevinson“ weiterlesen zu müssen, da mir dieser Roman von Javier Marías, als Weiterführung der Geschichte von Berta und Tomas erschien. Tatsächlich vergingen „nur“ zwei Jahre, die mir wie fünf vorkamen, als ich in diesen Februar, endlich zu „Tomas Nevinson“, dem leider letzten veröffentlichten Text, des großen spanischen Romanciers Marias gegriffen habe. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die Liebes- und Lebensgeschichte von Berta Isla nun gespiegelt bekommen, aus der Perspektive ihres Mannes.
Doch Marias bemerkt selbst, dass Tómas Nevinson nicht wirklich eine Fortsetzung ist“, sondern dass beide Geschichten ein „Paar“ bilden. Anders formuliert könnte man sagen, dass sich der gleiche Kontext einer Erzählung, als Hintergrund des Titelhelden dient, aber es sich eigentlich um ein anderes Sujet handelt. „Berta Isla“ ist ein Roman über die große, einzigartige Liebe, das Warten, den Verlust und das unabhängige Einrichten im Leben. „Tómas Nevinson“ hingegen ist kein Roman über die Liebe (denn sie spielt nur am Rande eine Rolle, ist eher ein Fundament, oder vielleicht nur eine Hoffnung), sondern ein Agententhriller, der über die alte Geheimdienstfrage, die sich schon James Bond stellte, nachdenkt; Leben lassen, oder lieber abmurksen. „Javier Marías – Tomas Nevinson“ weiterlesen

Paradise

Idee: Dan Fogelman | Polit-Thriller-Serie | 8 Folgen in 1.Staffel | veröffentlicht 2025 auf Hulu

Weltgeschichtlich war das Jahr 1989 ein ganz bedeutendes und ich muss ihnen an dieser Stelle, geneigter Leser, nicht erzählen warum. Tatsächlich war für mich 1989 ebenfalls sehr prägend, denn viele meiner frühen Erinnerungen, verknüpfen sich mit diesem Jahr. Eine davon war, dass ich erstmals in meinem seinerzeit jeher jungen Leben, einen gewissen Draht zu aktueller Musik in den Charts hatte und in eben diesen Phil Collins Hit „Another Day in Paradise“ Spitzenpositionen erlangte, also von mir nicht unentdeckt blieb. „Paradise“ weiterlesen

Strike – 6.Staffel

Originaltitel: „C.B. Strike“ | Showrunner: Ben Richards | Staffel 6 „The Ink Black Heart“ mit 4 Folgen | veröffentlicht 2024 auf BBC1

Der 6. Fall der Kriminaldetektei von C.B. Strike (Tom Bruke) und seiner Partnerin Robin Ellacot (Holliday Grainger) startet mit der immer wieder auf kleiner Flamme flackernden möglichen Liebesbeziehung zwischen Strike und Ellacot. Wie für gute Serien üblich, wird auch in dieser britischen Krimiserie ein vermeintliches „sie kriegen sich“ von Staffel zu Staffel hinausgezögert, was – wenn wir ganz ehrlich sind – auch zum Weiterschauen animiert. Doch das ist nur die Nebenhandlung eines, wie immer vernetzt und kompliziert aufgezogenen Falls, um eine junge Autorin Edie Ledwell (Mirren Mack), die erst Hilfe bei Robin Ellacot sucht, von dieser aber wegen Auftragsfülle nicht angenommen werden kann. Als Ledwell dann Tod aufgefunden wird, sucht die Polizei um Mithilfe, doch erst als reiche Erben die Detektei beauftragen, um den geheimen Computerspieledesigner Anomie zu finden, der wahrscheinlich hinter dem Mord steht, schalten sich Ellacot und Strike ein (jetzt scheinen sie mehr Zeit zu haben). „Strike – 6.Staffel“ weiterlesen

Vivarium – Das Haus der Alpträume

Jahr: 2019 | Regie: Lorcan Finnegan | Drehbuch: Garret Shanley | Science-Fiction-Horror-Kammerspiel | 98min

Manchmal schaut man ja einfach irgendwas, oder man schaut irgendwas mit. In beiden Fällen sind die Erwartungen nicht hoch, manchmal durchaus zurecht. So geschehen bei „Vivarium“(deutscher Zusatztitel, wie immer ein Knaller!), einem farblich eindrucksvollen Horrortrip über die Tücken des Hauskaufes.

Wir begleiten Gemma (Imogen Poots) und Tom (Jesse Eisenberg) ein junges Pärchen, dass ein erstes eigenes Haus erwerben möchte. Makler Martin (Jonathan Aris) entführt sie in die eintönigste Neubausiedlung der Welt, wo ein Reihenhaus, wie das andere aussieht und auch gleich am Zwilling anschließt. Schnell ist klar, das ist nichts für die Beiden und der Enthusiasmus des Maklers ist etwas befremdlich. Die Tour durch das Musterhaus endet mit einem Besuch im kleinen Garten, als plötzlich der Makler weg ist und die Fahrt aus dem Neubaugebiet sich als Irrfahrt herausstellt und ein Alptraum des Lebens beginnt. „Vivarium – Das Haus der Alpträume“ weiterlesen

Vicente Blasco Ibáñez – Die Scholle

Erschien 1898 im spanischen Original als „La barraca“ | in deutscher Übersetzung von Otto Albrecht und Elisabeth van Bebber bei Rowohlt Taschenbuch 1989 mit 224 Seiten erschienen

Vor gar nicht so langer Zeit las ich ein Buch zur Kulturgeschichte der Valencianischen Gemeinschaft. Da ich das Buch so mittelmäßig (eigentlich muss ich spezifizieren, größtenteils richtig schlecht) fand, möchte ich den Namen des Autors und den Titel an dieser Stelle gar nicht nennen. Was aber aus diesen Seiten hängen blieb war, dass ich mich selbst mehr mit der Geschichte Valencias beschäftigen müsste. Eine der wichtigsten Figuren der Literatur der iberischen Levante ist dabei Vicente Blasco Ibáñez, eine sehr schillernde Gestalt der spanischen Gesellschaft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (welcher am Ende der Strandpromenade Valencias, auch ein kleines Museum in seinem ehemaligen Wohnhaus gewidmet ist). Blasco Ibáñez war nicht nur Schriftsteller und Zeitungsherausgeber, er saß auch im spanischen Gefängnis und im Parlament (nicht zeitgleich), gründete eine Kolonie in Argentinien und verkaufte sehr erfolgreich Drehbücher nach Hollywood. „Vicente Blasco Ibáñez – Die Scholle“ weiterlesen

Empire of Light

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Sam Mendes | Spielfilm | 119min | Location: Südküste Englands in den frühen 1980er Jahren

Eine der vielen Sachen, die ich mir in meinem Leben hätte gut vorstellen können, wäre es gewesen, an der englischen Küste zu leben (bevorzugt Devon oder Cornwell). Das habe ich zwar fast ein Jahr gemacht und der Regen in den Wintermonaten war langanhaltend und nervtötend wie ein Tag mit stechendem Kopfschmerz und ohne Aspirin, doch auf der anderen Seite ist diese Gegend eine der reizvollsten und liebeswertesten, die ich kenne.

Sam Mendes entführt uns in seinem 9.Kinofilm an die Südküste Englands in eine Stadt am Meer, die ein beeindruckend schönes Kino sein Eigen nennen kann. Dieser Bau aus den 1920er oder 30er Jahren, als modernes Bauen seinen ästhetischen Höhepunkt feierte, hat in den 1980er Jahren etwas an Strahlkraft verloren, obwohl Kinodirektor Mr.Elis (Colin Firth) das Empire Kino mit einer Südengland Premiere und dem damit verbundenen Trubel aufwerten will. Seine wichtigste Angestellte ist Hillary (Olivia Colman), die sich um alles im Kino zu kümmern scheint, Kartenverkauf, Zuschauerzufriedenheit und die allgemeine Ordnung der Dinge. Darüber hinaus bereitet sie noch Mr.Elis Gefallen, die weit über ein Angestelltenverhältnis hinaus gehen. Doch Hillary ist eigentlich eine sehr einsame Frau, an der das Leben vorbei zu rauschen scheint. Das ändert sich mit der Ankunft von Stephen (Michael Ward), der mit jugendlichem Elan und gutem Aussehen Leben und Freude in das Tagewerk der Kinoangestellten bringt. „Empire of Light“ weiterlesen

Kinds of Kindness

Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Giorgos Lanthimos (Drehbuch mit Efthymis Filippou) | Spielfilm | 165 min

Es gibt kaum einen Regisseur, der mich so fasziniert wie Giorgos Lanthimos. Oder sagen wir lieber, es gibt kaum solche faszinierenden Filme, wie die von Giorgos Lanthimos. „The Lobster“ aus dem Jahr 2015 halte ich immer noch für einen der besten Liebesfilme aller Zeiten (mindestens der beste nicht-romantische Liebesfilm der Geschichte). Sein vielgepriesenes 2023er Werk „Poor Things“ fand ich nicht wirklich berauschend, weshalb ich vielleicht mit etwas gedämpfter Vorfreude sein neuestes Werk „Kinds of Kindness“ sah. „Kinds of Kindness“ weiterlesen

Undercover im Seniorenheim

Originaltitel: „The Man on the Inside“| Idee: Michael Schur |  Comedy-Serie | Staffel 1 mit 8 Folgen | veröffentlicht 2024 auf Netflix

In schweren Zeiten hilft manchmal leichte Unterhaltung und wenn sich diese leichte Unterhaltung als gut gemachte Comedy herausstellt, ist das gar nicht übel, so wie in „Undercover im Seniorenheim“. [1]

Der verwitwete und pensionierte Professor Charles Nieuwendyk (Ted Danson) ist vor allem eins, er ist ziemlich allein. Seine Tochter Emily (Mary Elisabeth Ellis) wohnt mit ihrer 5-köpfigen Familie außerhalb von San Francisco, der Heimatstadt von Charles, die er über alles schätzt und über deren Wahrzeichen, die Golden Gate Bridge, er ein Buch geschrieben hat. Auf den Hinweis hin, sich eine neue Beschäftigung zu suchen, meldet sich Charles bei einer Detektei an, deren Chefin Julie (Lilah Richcreek Estrada) einen älteren Mann als Spion sucht, der in einem Altenheim einen Diebstahl aufklären soll. Charles übernimmt und findet im Altenheim vor allem eines, einen beschwingten und abwechslungsreichen neuen Alltag mit neuen Freunden wie Calbert (Stephen McKinley Henderson) und einer sich stets kümmernden Leiterin Didi (Stephanie Beatriz), die Ordnung in das leichte Chaos der recht noblen Einrichtung bringt. „Undercover im Seniorenheim“ weiterlesen

T.C. Boyle – Blue Skies

Erschien 2003 im englischen Original gleichen Titels | in deutscher Übersetzung von Dirk van Gunsteren 2023 bei Hanser mit 400 Seiten

Als ich im November mal wieder in meinem liebsten Buchladen Hessens in Wiesbaden stöberte, waren Vermittler des Weihnachtsmannes mit mir und es ergab sich, dass ich T.C. Boyles neuesten Roman zum Zweitbuch-Preis erspähte und ich den Helfern des Weihnachtsmanns vermitteln konnte, dieses Buch wäre für meinen Platz unterm Christbaum gerade richtig.

Ich stellte diesen Wunsch an die höchste Instanz, die Geschenke in diesem Erdteil haben, weil ich a; ein großer Freund der Literatur Boyles bin und b; mir der Roman „Blue Skies“ in einem Podcast meiner Wahl kurz lobend unterkam. Er wurde dort im Zusammenhang mit Literatur über den Klimawandel angeteasert. So groß auch das kurze Lob im Podcast war, möchte ich mein Urteil an dieser Stelle vorwegnehmen, „Blue Skies“ ist einer der schwächeren Romane von Boyle. „T.C. Boyle – Blue Skies“ weiterlesen