Jahr: 2020 | Regie & Drehbuch: Chloé Zhao | Roadmovie | Länge: 108min | Location: Südwest-USA
Im letzten Beitrag zur Serie „Mare of Easttown“ habe ich hervorgehoben, was für eine außerordentliche Schauspielerin Kate Winslet ist, weil sie so unglaublich wandlungsfähige spielen kann. Eine andere grandiose Schauspielerin ist Frances McDormand, allerdings aus einem etwas anderen Grund. Sie schafft es immer wieder Frauenrollen tough, rau, aber auch hintergründig und tief zu spielen und meist sind nicht nur diese Rollen, sondern die ganzen Filme sehr sehenswert (so wie der großartige „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ oder der äußerst amüsante „Burn After Reading“). Da Mc Dormand mit „Nomadland“ einen Oscar gewann, Chloé Zhao die beste Regie und der Film als bester Streifen des Jahres prämiert wurde, nimmt man gern das Gedränge einer Samstag Spätvorstellung im Thalia auf sich (und bemerkt wie immer erst im Kinosaal, wie wenig schallisoliert dieser ist) um zu schauen, ob die eigenen Erwartungen hier nicht zu hoch sind.
Fern (Frances Mc Dormand) lebt ihr Leben in einem in die Jahre gekommenen Van und hangelt sich von Job zu Job. Früher wohnte sie mit ihrem Mann Bob in Empire, einer Bergarbeiterstadt. Doch erst starb ihr Mann und dann die Mine und als letztes der Ort, von dem außer einer Geisterstadt nicht mal mehr eine Postleitzahl blieb.
Um die Weihnachtszeit hat Fran einen gutbezahlten Job als Verpackerin bei amazon, aber als die Geschenkesaison vorüber ist, muss sie weiterziehen, als moderne Straßennomadin, von Aushilfsjob zu Aushilfsjob. Doch die Jobs sind nur die Basis des Überlebens, wichtiger ist es andere Menschen unterwegs zu begegnen, wie auf dem Rubber Tramp Rendevouz, einem mobilen Nomadentreffen in der Wüste. Hier trifft sie auf Bob Wells (spielt sich selbst), der das minimalistische Leben auf der Straße propagiert. Da ist auch ihre gute Freundin Linda May (Linda May), oder Swankie (Charlene Swankie), die noch einmal hoch nach Alaska fahren möchte. Und da ist David (David Strathairn), dem man ansieht, dass er Fern sehr mag, doch immer wieder trennen sich ihre Wege und man sagt sich gegenseitig „See you down the road!“
Nomadland ist ein sehr würdiger Oscargewinner, der meine Erwartungen mehr als erfüllt hat und das aus mehreren Gründen. Als erstes ist es ein zutiefst amerikanischer Film, denn er lebt uns quasi Freiheit vor, auch – und das gehört immer auch zu Amerika – wenn er einen sehr kritischen Blick auf die Konsumwelt hat und ein minimalistisches Leben propagiert. „Nomadland“ ist auch ein Film über Einsamkeit, über das Alleinsein als Nomade und über das Fundament dieser Daseinsform, das jedes Treffen anderer Menschen, auch wieder einen Abschied innewohnt und insofern ist er vor allem ein Film über das Abschied nehmen (das wird auch so inszeniert, immer wieder werden die verschiedensten Formen des „ohne-den-anderen-Weiterfahrens“ gezeigt). Und es ist ein Film über Erinnerungen, oder besser über das Leben in der Erinnerung, in der Melancholie der Bewahrung und Schönheit des Vergangenen in der Gegenwart. Das macht diesen Film, trotz manch langer Szenen und einer nicht wirklich turbulenten Handlung sehr, sehr dicht, wozu sogar Schnitte beitragen, so wie in der Handlung wo fern mit ruhiger Musik untermalt in Big Sur entlangfährt und die ganze Atmosphäre plötzlich stoppt, als sie ihre Türe schließt (der eigentliche Clou ist es, dass genau diese Musik und die Bilder aber nach diesem Einschub wiederkehren). Wenn es an diesem wirklich hervorragenden Film eine Kritik gibt, so liegt die vielleicht in der Betonung des „gutbezahlten“ amazon-Jobs, den ich für eine nette Werbestrategie des Versandhauses halte (amazons Mitarbeiter sind, anders als ihr Oberjeff, nicht gerade bekannt dafür fürstlich bezahlt zu werden und Fern hat zahlreiche weitere Jobs im Film und es ist irgendwie nicht einzusehen, dass es dort so viel weniger Geld geben soll). Tatsächlich ist das aber ein ganz kleine Kritik, an einem der besten Filme des Jahres.