Seit der Frankfurter Buchmesse bin ich in einem Literaturstrudel gefangen. Statt Filme zu schauen, lese ich lieber und es gibt ja so unglaublich viel zu lesen. Meine Leseliste ist innerhalb von wenigen Stunden auf 14 Titel angewachsen (so viele Romane lese ich sonst in ein bis zwei Jahren, wenn überhaupt). Ich bin mal gespannt, wie lange das anhält, denn für gewöhnlich halte ich das nicht lange durch.
Das Buchregal meiner Schwester gibt günstigerweise eine Menge her. Zum Beispiel eine Sammlung von Wolfgang Herrndorf. Nach „Tschick“ habe ich mir dort gleich auch „In Plüschgewittern“ herausgenommen, auch deshalb weil meine Schwester noch an „Sand“ liest und mir es vorerst nicht ausleihen will. Auf den ersten Blick ist „In Plüschgewittern“ so etwas wie „Tschick“ nur mit einem dreißig jährigen Hauptdarsteller, statt einem Teenager und auch kein Deutschlandtrip, sondern eher ein Berlinbuch. Im Mittelpunkt steht ein namenloser Ich-Erzähler, dem man seine 30 Jahre sofort abnimmt, denn er benimmt sich wie ein 18 Jähriger und als 35 Jähriger kann ich das selbstverständlich nachvollziehen. Nicht umsonst hat Herrndorf sein Buch selbst als „Adoleszenzroman“ bezeichnet. Der Erzähler verlässt seine Freundin, besucht seine todsterbenskranke Oma und geht nach Berlin, um bei einem Freund neu anzufangen. Er arbeitet nicht, seine finanziellen Verhältnisse sind eher unklar, aber für genügend Bier ist jederzeit noch Geld vorhanden und so zieht es ihn von Party zu Kneipe zu Party und weiter und das mit ständig ansteigendem Alkoholpegel.
Von der Kritik in die Popliteratur eingestuft, entfaltet „In Plüschgewittern“ bei weitem nicht die Stimmung von „Tschick“. Zu sehr nervt manchmal die Naivität des Hauptdarstellers und zu bemüht wirkt manchmal der Einbau von Fernsehkanälen, Filmen und Autoren (aber, großes Lob auf Seite 141 wird Don DeLillo genannt, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob lobend oder ironisch verklärend). Trotzdem ist das Buch lesenswert, auch weil es einen Außenseiter darstellt, der vor einem gesellschaftlichen Problem unserer Zeit steht, dass man gern als Sinnsuche darstellen kann und der Frage, was man denn bitte mit seinem Leben anfangen soll. So funktioniert der Ich-Erzähler als Folie dieser fast schon deprimierend erfolglosen Suche, ganz im Gegenteil zu seinem Bruder, einem etwas langweiligen Durchschnittsbürger, dem das letzte Kapitel im Buch gehört (ein echter Gewinn für den Roman) und der dort das katastrophale Leben des Bruder aus seiner vielleicht auch sehr einseitigen Sicht kritisiert. Ein Roman über uns und unsere Zeit – Pop-Literatur eben, was aber keinesfalls abwertend gelesen werden soll. Vielleicht irgendwie auch ein Berlin-Buch, aber dann eines von vor 10 Jahren, als das Werk erstmals erschien und was für eine sich verändernde Metropole wie Berlin schon eine ziemlich lange Zeit ist.