Jahr: 2020 | Regie: David Fincher | Drehbuch: Jack Fincher | Bio-Pic | Länge: 131 min | Location: Hollywood
In Zeiten sommerlichen Dauerregens erweist sich das heimische Fernsehsofa als trockene Alternative zu Tätigkeiten, die man im August sonst lieber an der „frischen Luft“ absolviert hätte. Durch das Studium der diesjährigen Oscargewinner im Zuge der Recherche zu „Nomadland“ bin ich darauf gestoßen, dass die Filmbiographie „Mank“ ebenfalls für einen Oscar 2021 nominiert war, warum also bei diesen Witterungsbedingungen ins Kino schweifen, wenn man diesen für Netflix produzierten Film auch zu Hause sehen kann.
Herman J. „Mank“ Mankiewicz (Gary Oldman) ist ein Drehbuchautor in Hollywood, dessen erfolgreichen Tage schon etwas zurück liegen und der sich einer immer schwerer werdenden Alkoholsucht ausgesetzt sieht. Nach einem von ihm nicht verschuldeten Verkehrsunfall zieht er sich zur Rekonvaleszenz auf eine kleine Ranch in die Mojave Wüste zurück und übernimmt dort den Auftrag, ein Drehbuch für den ersten Film des aufkommenden Hollywood Newcomers Orson Wells (Tom Burke) zu schreiben. Zur Seite stehen ihm eine Sekretärin (Lily Collins) und eine Krankenpflegerin (Monika Gossmann). Manks Thema wird die Lebensgeschichte eines alten, reichen und einflussreichen Mannes aufzuschreiben, der im Laufe seines Lebens seine Ideale für Macht und Geld aufgibt. Als Inspiration dient ihm dabei der Medienmogul William Randolph Hearst (Charles Dance). Mank schreibt ein komplexes und umfangreiches Drehbuch, welches sich aus seinen Hollywood Erfahrungen speist, seinen Begegnungen mit Hearst, seiner Lebensgefährtin Marion Davies (Amanda Seyfried) oder dem MGM-Studioboss Louis B. Meyer (Arliss Howard). Er lässt es sich nicht nehmen, sehr kritisch mit dem System Hollywood und seinen politischen Beeinflussungen umzugehen und diese im Drehbuch zu verarbeiten, auch wenn dies seiner eigenen angespannten finanziellen Situation nicht guttut, wie auch seine Frau Sara (Tuppence Middleton) feststellen muss. Doch das Drehbuch, dass Mank unter etwas Zeitdruck vorlegen muss, soll sein Vermächtnis werden und tatsächlich entstand daraus einer der besten Filme aller Zeiten: „Citizen Kane“
In zahlreichen Erläuterungen zu „Mank“ liest man immer wieder, der Film David Finchers, würde sich um den Streit zwischen Orson Wells und Herman J. Mankiewicz bei der Entstehung von „Citizen Kane“ drehen. Das ist keinesfalls die Essenz dieses Films, sondern ein eher untergeordneter Nebenschauplatz der Handlung, die hauptsächlich thematisiert, wie es überhaupt zur Idee und dem sozialkritischen Inhalt des Drehbuches kam. Erzählt wird dabei die Geschichte, eines ebenso brillanten, wie kranken Mannes, der scheinbar ohne Alkohol nicht mehr arbeiten kann. Moralisch funktioniert dieser Film auf der Entgegensetzung zwischen Hearst und Mank. Der schwerreiche Mogul, der die Welt zu seinen Gunsten und denen die er schätz und die ihm nutzen dreht und der abgehalfterte Drehbuchautor, der die Verlogenheit Hollywoods kritisiert und sein eloquentes Mundwerk nie stillhalten kann, auch wenn es sich letztendlich gegen sich und seine Familie wendet. „Mank“ ist einer der zahlreichen Hollywood Filme, die sich um Hollywood drehen, hier aber mit der Fokussierung auf das Entstehen eines Drehbuchs (ähnlich, und doch ganz anders als bspw. „Synecdoche, New York“). Das David Fincher dabei das Drehbuch seines 17 Jahre zuvor verstorbenen Vaters benutzte, der es bereits in den 1990er Jahren schrieb und das nur deshalb nicht produziert wurde, weil Fincher es in schwarz/weiß drehen wollte (so wie es letztendlich auch 2020 getan wurde und dessen Bilder so überzeugend waren, dass sie mit einem Oscar an Kameramann Erik Messerschmidt ausgezeichnet wurden), ist wiederum die Geschichte eines Drehbuchs in einem Film über die Geschichte eines Drehbuchs. „Mank“ ist letztendlich mehr als ein Film für Filmfans (insbesondere von Fans der 1930er und 40er Jahre und von „Citizen Kane“), er ist eine Parabel über Kreativität und Aufrichtigkeit und wenn man so möchte, auch eine Art Rachefeldzug eines Außenseiters gegen ein korruptes System, dass sich nur als Entertainment ausgibt, aber immer auch politisch ist und beeinflussen möchte. Das macht den Film natürlich selbst auch politisch und auch wenn er dabei eher konventionell mit dem Schema Gut-Böse umgeht, ist „Mank“ vielschichtig genug, um mehr als nur zu unterhalten.