Idee: Lucy Gaymer und Siân Robins-Grace | Dramedy – Mini-Serie mit acht Episoden | veröffentlicht 2022 auf HBO (in Deutschland auf Sky)
Manchmal kommt man auf den komischsten Umwegen dazu, eine neue Serie zu schauen. In einer Radiosendung, die sich der Verlautbarung elektronischer Musik widmet, wurde über eine neue Serie mit dem Namen „The Baby“ gesprochen. Der Moderator erwähnte kurz, dass es sich dabei um die ungewöhnliche Geschichte eines Babys handelt, das möglichst niemand haben möchte, um danach einen Song aus der Serie zu spielen. Das Lied tat es mir nun nicht gerade an, aber die kontraintuitive Geschichte eines Babys, das so Böse ist, dass es niemand haben möchte, erschien mir eines Blickes würdig.
Natasha Williams (Michelle de Swarte) surft mit ihren 38 Jahren durchs Leben, da käme es ihr nie in den Sinn, die Verantwortung einer Mutterrolle zu übernehmen und sie zieht ihre besten Freundinnen damit auf, was diese ihr etwas übelnehmen, weil sie selbst eben gerade Mutter geworden sind, bzw. kurz davor stehen es zu werden. Doch dann passiert etwas sehr Ungewöhnliches. Vor Natasha stürzt eine Frau in den Tod und ein scheinbar zu ihr gehörendes Baby (Albie Hills und Arthur Hills) fällt in Natashas Arme. Glücklicherweise kommt die Polizei zur Hilfe und nimmt sich des Babys an. Doch auch die beiden Polizisten versterben nur Momente danach bei einem Unfall und das Baby bleibt bei Natasha. Das ist aus vielerlei Hinsicht für sie ein Problem, denn wie bereits erwähnt, stand ein Baby nicht auf ihrer Prioritätenliste. Doch damit nicht genug, denn eine geheimnisvolle ältere Frau (Amira Ghazalla) macht Natasha darauf Aufmerksam, dass das nun in ihren Armen befindliche Baby ein Massenmörder ist, der schon zum Tod von allerlei Menschen – insbesondere Frauen – führte. Doch wie sich dieses Problems entledigen? Keinesfalls wohl unter zur Hilfenahme von Natashas Schwester Bobby (Amber Grappy), die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht!
„The Baby“ ist eine faszinierende Serie, die schon wegen ihrer Grundidee beeindruckt, nämlich sich eines Babys erlösen zu müssen, weil dieses ganz offensichtlichen andere Menschen umbringt und man selbst unter der Gefahr zu stehen scheint auch sein eigenes Leben zu verlieren.
An dieser Stelle möchte ich – auch dem gesellschaftlichen Zeitgeist geschuldet – mal ganz grob die Welt in Gut und Böse aufteilen, um die sehr gelungene Grundidee der Serie klarer herauszuarbeiten. Der Reiz der Serie besteht nämlich darin, dort das Böse zu verorten, wo es fast schon gesetzmäßig nie auftreten kann, bei unseren gerade geborenen Nachkommen. Es ist so, als würde im einzig wahren Guten und Unschuldigen, dem Gegenstand, dem wir bedingungslos nichts Böses zurechnen können, dann doch das Böse einziehen. Das ist tatsächlich erst einmal eine gedankliche Zumutung, dass Böse bei einem natürlich schützenswerten Gegenstand zu vermuten. Es öffnet der Serie aber die Möglichkeit über die Rolle von Mutterschaft nachzudenken, welche „The Baby“ nach einigen Folgen sogar in einem aufrüttelnden Plädoyer mündet, dass Frauen nicht familienzusammenhaltende Gebärmaschinen sind, sondern Individuen mit eigenen Wünschen, Sehnsüchten und Lüsten. Damit wird die Serie zu sehr viel mehr als einer witzigen Horrorserie, sie wird zu einem gesellschaftlichen Drama mit einem sehr offenen Interpretationsrahmen.[1] Hier soll jedoch kein falscher Eindruck entstehen, denn „The Baby“ ist keine vordringlich politische Serie, sie hat nur einen sehr intelligenten Hintergrund. Es handelt sich um eine manchmal tiefschwarze Komödie mit kleinen Horrorelementen, die sich zu einer Dramaserie entwickelt und dann doch in der Tragik nicht ihren Humor verliert. Nicht zu vergessen ist dabei die beeindruckende Leistung von Michelle de Swarte, die als verkörperte Anti-Mutter plötzlich für ein Mörderbaby zuständig ist.
[1][1] Nur um den Interpretationsrahmen hier zu deckeln; die Serie verunglimpft nicht die Rolle der Frau als Mutter, dazu ist die Rolle von Bobby das beste Beispiel. Ganz im Gegenteil, sie nimmt diese sogar sehr ernst.