Jahr: 2022 | Drehbuch & Regie: Thomas M. Wright | Thriller | Länge: 117min
Wenn man sich zum Ziel setzt noch ein paar Filme des Jahres aufzuholen, dann eignet es sich ganz gut die Beiträge der großen Filmfestspiele anzuschauen. „The Stranger“ lief dieses Jahr in Cannes, auch wenn es dort nur in der Kategorie „un certain regard“ eingeordnet wurde, einer Reihe, die man quasi als die Independent Kategorie der Goldenen Palme bezeichnen kann.
Eine Busfahrt in Australien kann sehr lang werden. Henry (Sean Harris), macht ein paar Dehnungsübungen und kommt danach eher zufällig mit Paul (Steve Mouzakis) ins Gespräch. Beide werden Kumpel und helfen sich, wobei Paul ein Jobangebot für Henry hat, welches aber in die Welt der Kriminalität führt. Damit hat Henry kein Problem, solang keine Gewalt im Spiel ist. So lernt er Mark (Joel Edgerton) kennen, doch was Henry nicht weiß und der Zuschauer bald feststellen wird, Henry schlittert hier nicht in die Fänge einer Bande von Kleinkriminellen.
„The Stranger“ ist ein sehr sehenswerter Thriller, was an vielen Faktoren liegt. Zum einen hat er eine ansprechende und wechselnde Dramaturgie, die zwar im zweiten Teil des Films minimal an Fahrt verliert, aber noch viele Handlungsstränge übriglässt, die durchaus spannend erzählt werden. Der Film vereint verschiedene Motive wie Kriminalität, einen Mordfall, Polizeiarbeit, die Psychologie des Täters, aber auch die Angst entdeckt zu werden, Geständnisse und Beweissuche. Wohltuend anders ist der Film, weil er nie brutal wird, kein Blut zeigt, keine Gewalt, eigentlich nicht einmal ein Opfer und trotzdem gelingt es ihm klar Sympathien herauszuarbeiten, das Böse und das Gute einzuteilen und darzustellen. Noch mehr überzeugen die Kamerafahrten im Film. Sie vereinen Ästhetik, die man so nicht häufig findet und einen gewissen Überraschungseffekt und geben „The Stranger“ eine Optik, die hängen bleibt. Ergänzt wird dies durch einen teilweise grandiosen Schnitt, der immer mal wieder wie ein plötzlicher Bruch wirkt, aber dadurch eine große Wirkung erzielt und sehr gekonnt und richtig eingesetzt ist.
„The Stranger“ ist ein Thriller, der an der Grenze zum Krimi changiert, der spannend, ästhetisch überzeugend und letztendlich sehr unterhaltend ist, eine der besten Filme seines Genres in diesem Jahr.