Christian Geulen – Geschichte des Rassismus

Erschien 2007 (hier in Neuauflage für Landeszentralen für politische Bildung 2021) | Sachbuch | 128 Seiten

In der Veröffentlichung meiner Gedanken zu Sachbüchern in diesem kleinen Blog, habe ich in letzter Zeit eine große Zurückhaltung geübt, denn darüber auch nur ansatzweiße kompetent zu schreiben, erfordert viel Einarbeitung und Zeit. Jedoch muss ich immer wieder feststellen, wieviel mir an angelesenen und nicht-verschriftlichten Wissen, im Laufe der Zeit wieder verloren geht, weshalb ich mit großer Freude verkünden kann, ein neues Tool gefunden zu haben, das es mir ermöglicht, festzuhalten, was ich gedanklich durchgearbeitet habe.
Das Werkzeug heißt Obsidian und kann wie ein zweites Gehirn angewendet werden (wobei das ein offensichtlicher Euphemismus der bereits damit arbeitenden User ist, es ist mehr wie ein persönliches Wikipedia). In dieses Programm pflegt man alles an Gedanken und Ideen ein, die man gelesen, gehört, gesehen und natürlich durchdacht hat. Diese trägt man in Obsidian in einer Art Zettelkasten ein. Der Clou an Obsidian ist es, dass man alle Ideen (oder Zettel) miteinander verknüpfen und in Beziehung setzen kann, was es nicht nur ermöglicht, sich seiner Gedanken zu erinnern, sondern diese auch zu neuen Einsichten zusammenzuführen.

Warum langweile ich Sie, geneigter Leser, mit solchen Informationen? Weil ich hoffe damit auch kompetentere Aussagen für diesen kleinen Blog treffen zu können. Bisher galt mir dieser, als mein Gedächtnis für Bücher, Filme, Serien und etwas mehr. Mit Obsidian hoffe ich ein Programm gefunden zu haben, dass die begrenzte Funktionalität dieses Blogs einerseits ersetzt und andererseits erweitert. Ich möchte sie nun aber nicht mit den digitalen Verknüpfungsrichtlinien meiner Gedanken langweilen, die Konsequenz, die ich aus Obsidian ziehe, soll für „tommr.de“ die sein, hier weiterhin meine Ideen zu den oben genannten Themen zu erläutern, diese jedoch in einen breiteren Kontext zu stellen und damit auch wieder fundierte Aussagen über gesellschaftliche Themen treffen zu können und dem hier zufällig hineinklickenden Leser zur Verfügung zu stellen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle Christian Geulens Einführungsbändchen zur Geschichte des Rassismus thematisieren, denn es ist das erste Buch, dass ich versucht habe, vollständig in Obsidian einzubauen.

Inhalt

Inhaltlich erfahren wir von Geulen, was Rassismus bedeutet, wir lesen, dass es einen alten Rassismus und einen neuen Rassismus gab bzw. gibt und dass in Antike und Mittelalter noch nicht von Rassismus gesprochen werden kann. Das, was wir darunter verstehen, setzt sich erstmals mit der Reconquista in der frühen Neuzeit in Spanien ganz langsam in unseren Gedanken fest und entwickelt sich im Laufe der Jahrhunderte von einem (an quasinatürliche Naturphänomenen fixierten) Einordnungssystem (wie Ordnungen nach Hautfarbe, Blut etc,) von Menschengruppen zu einem Kampfbegriff, der den ewigen Kampf der Rassen propagiert, den man aufnehmen muss, um nicht unterzugehen. Wer mehr über Rassismus und seine Geschichte erfahren möchte, als was ich hier in fast unverantwortlicher Kürze niedergeschrieben habe, dem sei Geulens Büchlein empfohlen.

Bewertung

Dazu muss aber gesagt werden, dass mich einiges an Geulens Darstellung stört. Da ist als wichtigster Fakt zu nennen, das Geulen – wohl wegen der Kürze und der Ambition nur einzuführen – auf jegliche Quellenangaben verzichtet. Selbst Zahlen und Fakten werden nicht referenziert, dass ist für die Schwere des Gegenstandes kaum nachzuvollziehen, denn Rassismus ist auch heute noch ein gewichtiges Thema. Insbesondere wird es in der Öffentlichkeit gern als Argument der Verunglimpfung des Gegners benutzt und hier vermischen sich oftmals die kritisierte Aussage mit der persönlichen Einordnung des Sprechers. Hier wäre aber die Genauigkeit und Richtig der argumentativen Anwendung umso wichtiger, um nicht den Begriff Rassismus und seine tatsächlich katastrophalen praktischen Auswirkungen zu verwässern.
Ebenfalls eindimensional bei der Darstellung ist, dass sie sehr euro-zentristisch gehalten ist. Rassismus scheint ein rein europäisches Phänomen zu sein. Dem mag man sicherlich bei seinen gedanklichen Ursprüngen zustimmen und die Zeiten des Imperialismus und Kolonialismus waren rassistische Eroberungs- und Weltverteilungspolitiken der Europäer, die sich global manifestierten. Sie verwendeten nur zu gern, gedankliche Einordnung der Welt nach zivilisierten und unzivilisierten Rassen, auch weil es bestens den Status quo als Kolonialmacht legitimieren konnte. Aber spätestens im 20.Jahrhundert erobert rassistisches Denken den Globus und ist kein Alleinstellungsmerkmal der ersten Welt mehr. Nachfolgend ist es dann auch befremdlich, verhältnismäßig wenig zum Holocaust zu lesen, der wohl schlimmsten praktischen Konsequenz, die aus rassistischen Grundüberzeugungen entstanden ist und noch mehr erstaunt es, dass die Shoa der einzige Genozid ist, der in dieser Geschichte des Rassismus vorkommt. Stattdessen nutzt Geulen die letzten Seiten, um über Rassismus heute zu referieren und zu betonen, dass dieser ein strukturelles Merkmal ist. Er nutzt dazu Beispiele der Humangenetik und auch wenn ich die Intention nachvollziehen kann, erscheint mir die Argumentation, gerade durch das Fehlen von Quellen eher bemüht als überzeugend.

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