Idee: Jesse Armstrong | Dramedy | 1.Staffel von 4 mit 10 Episoden | veröffentlicht 2018 auf HBO (in Deutschland auf Wow Serien)
Das Zeitalter der Serien scheint nicht unbedingt zu Ende zu gehen, aber die glanzvollen Zeiten früherer Jahre sind es gefühlt nicht mehr. Das betrifft nicht nur meinen eigenen Serien-Konsum, sondern auch eine generelle Ermüdung des Publikums. Das liegt vielleicht weniger am fehlenden Angebot, sondern eher an dessen kaum mehr zu fassenden Größe, die so umfangreich ist, dass aus ihr die kleinen versteckten Brillanten kaum mehr sichtbar sind und lieber gar nichts mehr abruft, als sich mühevoll in eine Serie reinzuschauen.
Aber ab und an, gibt es ihn dann doch, den größeren Hype, so wie er in den letzten Wochen vermehrt, um die Serie „Sucession“ zu spüren oder besser zu lesen ist. Sowohl im amerikanischen Original auf HBO, als auch in der deutschen Version auf Wow Serien (dem ehemaligen Sky Atlantic) laufen zurzeit die letzten Episoden der Serie und diese erfahren ein großes Medienecho. Ein Grund könnte sein, dass Medien eine gewissen Faszination für Selbstreferenz haben.[1] Und Serien, die in den Medien spielen, so wie „Succession“, werden von diesen dann mit besonderer Aufmerksamkeit studiert. Aber ein Grund könnte noch wichtiger sein, es könnte auch einfach damit zu tun haben, dass „Succession“ einfach eine richtig gute Serie ist.
Logan Roy (Brian Cox) ist Besitzer des global operierendes Medienkonglomerats Waystar (und die Vergleiche mit so herrschaftlichen Personen wie Rupert Murdoch werden in fast jeder Rezension gemacht und man ist verleitet, sich vorzustellen das Medien-Milliardäre so sind wie Roy). Doch die Zeiten in der Medienbranche sind schwerer geworden. Das weiß auch sein Sohn Kendall (Jeremy Strong), der große Teile des operativen Geschäfts übernommen hat, aber immer wieder auf Gegenwehr und Unverständnis bei seinem Vater trifft, welcher lieber alternde regionale Fernsehstationen kauft, als in neue Internet Start-Ups zu investieren. Seine anderen Kinder, versuchen ihre eigenen Wege zu gehen, Siobhan (Sarah Snook) berät Politiker und steht kurz vor der Verlobung mit Tom (Matthew Macfadyen), der bei Waystar arbeitet und sich dadurch eine gute Chance auf beschleunigten Aufstieg an die Konzernspitze macht. Der jüngste Sohn Roman (Kieran Culkin) ist eher ein Luftikus und nur wenig im Unternehmen eingebunden, aber auch er sehnt sich nach Anerkennung, wie auch sein Halbbruder Connor (Alan Ruck), der zurückgezogen als Müßiggänger in der Wüste Arizonas lebt, aber trotzdem der Meinung ist, seine Idee von Leben, Gesellschaft und Politik hätten irgendeine Relevanz. Relevanz hat aber nur, was Vater Logan sagt, aber der erleidet ein gesundheitliches Problem und die Aktien des Unternehmens brechen dramatisch ein.
Ganz ehrlich muss ich zugeben, dass ich die ersten drei Folgen von „Succession“ eher schwerfällig und wenig beeindruckend fand, aber immer wieder las ich von ausgezeichneten Kritiken der Serie.[2] Doch mit jeder weiteren Folge beginnt „Succession“ spannender zu werden. Das liegt in erster Linie daran, dass sich die Charaktere dieser Familienserie schärfen, deren Gravitationszentrum der gefühlskalte, man möchte sagen, barsch kalkulierend agierende, Vater Logan ist, der – grandios von Brian Cox gespielt – wie ein Halbgott von sich überzeugt ist und für den Rest der Welt bestenfalls Enttäuschung, normalerweise aber eher Verachtung aufbringen kann. Da ist dann auch seine neue Frau Marcia (Hiam Abbass), die wie eine Sekretärin und Bodyguard in Personalunion, sich um ihm dreht und die natürlich bei den Kindern als üble Erbschleicherin verschrien ist. Die Kinder wiederum leben in einem eigenwilligen Zusammenhalt, der sie gegenüber dem tyrannischen Vater zusammenschweißt, die aber auch eine ständige Konkurrenz zueinander haben, weil sie dem Vater gefallen wollen und zeigen möchten, dass sie doch dazu in der Lage sind, etwas Bedeutendes zu leisten.
„Sucession“ ist noch viel mehr als ein Familienepos, sie ist gleichfalls eine Serie über Wirtschaft, Politik und die Macht der Medien und auch in diesen Aspekten kann die erste Staffel überzeugen, denn sie zeichnet einen spannenden Wirtschaftskrimi auf, lässt diesen aber immer wieder im familiären Rahmen enden. Inszeniert wird dies in großartigen Settings, die manchmal wie gewaltige Bühnenstücke anmuten, so wie in den letzten beiden Folgen der ersten Staffel und die unterstreichen, wie abgehoben (sehr gern mit dem Bild des im Helikopter einfliegenden Vaters) eine Familie hier über allem irdischen steht. Dazu gehört auch das „Succession“ eine Serie über Reichtum ist, bei dem Geld nicht nur eine Summe ist, sondern auch Quelle von politischer und gesellschaftlicher Relevanz darstellt und das diese Relevanz den Namen und das Image der Familie trägt. Ein Image, welches konservativer kaum sein könnte und was wie ein anachronistischer Abzug der heutigen liberalen (Medien-) Gesellschaft anmutet. Auch liegt eine Stärke der Serie ihre Charaktere nicht als rechte Anti-Helden zu stigmatisieren, sondern sie mit Aufzuladen mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften, die eine Identifikationsleistung für die Zuschauer immer wieder ermöglichen.[3] „Succession“ legt sich hier nie politisch oder moralisch fest, sondern dokumentiert den Abnutzungskampf einer Familie, deren innerer Zusammenhalt eine emotionale Luftblase zu sein scheint und in welcher Verachtung das gängige Kommunikationsmittel ist, angefangen vom Gott der Geringschätzung Logan Roy bis ganz hinunter zu Cousin Greg (Nicholas Brown), der arme Schlucker, aus dem abgehängten Teil der Familie, der naiv von Aufstieg und Geld träumt.
Eine wunderbare Serie, die in den zukünftigen Wochen sicherlich in meinen Seh-Fokus gerät und vielleicht ist das ja ein Comeback der Serien.
[1] Eine Faszination, die ich durchaus teile, denn Medien über Medien zu konsumieren kann sehr erhellend sein. An dieser Stelle sei beispielsweise der Podcast „Die Medien-Woche“ sehr empfohlen.
[2] Im Rolling Stone wurde die Serie auf Platz 11 der besten jemals ausgestrahlten Serien aufgenommen; nur so als kleiner Teaser; die Plätze 1 bis 4; Sopranos, Simpsons, Breaking Bad und The Wire. So eine Liste muss man ernst nehmen!
[3] Selbst bei Logan Roy ist man geneigt, irgendwo in ihm die putzige Güte von Montgomery Burns der Simpsons zu suchen.