Originaltitel: „Side Effects“ | Jahr: 2013 | Regie: Steven Soderbergh | Drehbuch: Scott Z. Burns | Thriller | 106min
Einige Aspekte im Leben, sind Fragen des Timings. So zum Beispiel beim Erzählen von Geschichten. Es kommt ein klein wenig darauf an, wann bzw. an welcher Stelle, die Geschichte, wie erzählt wird. Das gilt nicht nur in diesem Blog, dessen vorherrschende Textstruktur, Sie, spitzfindiger Leser, sicher längst durchschaut haben und bei Ihnen eher ein müdes Lächeln hervorruft.[1] Das gilt eigentlich für alle Erzählungen, angefangen vom Witz, der ohne Pointe nicht existieren könnte, bis zum Krimi, bei dem man tunlichst am Anfang nicht verraten sollte, wer der Mörder ist (oder wenn man es doch tut, wie bei „Columbo“, dann muss die Fragestellung verlagert werden, im Fall von „Columbo“ auf die Frage, wie der Mörder seine Tat ausführte). Timing so könnten wir uns dem Thema weiter annähern, ist daher die Frage, wann man eine Perspektive der Erzählung ändert oder weitere Fakten einbaut, die der Geschichte eine neue Wendung geben.
Die Frage des gut eingesetzten Timings ist auch für den Thriller, dem etwas weitläufigeren Bruder des Krimis, von existentieller Relevanz, denn wie der Name schon sagt, soll er einen „Thrill“ erzeugen. Im Action-Thriller wird dieses Problem gern durch unrealistisch inszenierte Verfolgungsjagden oder ähnliches inszeniert (zu meiner großen Freude in den Lebensjahren 13 bis 28). Man kann den Thrill aber auch durch eine Erzählung erreichen, die Spannung und Unvorhergesehenes beinhaltet. Thriller der letzten Dekaden bauen dabei sehr gern einen „Twist“ ein, also eine Drehung des Geschehens, aus der dann entweder nochmal Spannung aufgebaut wird, oder sie basteln den „Twist“ am Ende der Handlung ein, um den Geschehen eine neue Perspektive zu geben (wie z.B. in „The Sixth Sense“). Einen guten Thriller macht daher aus, dass irgendwann die Perspektive zugunsten von entweder mehr Spannung oder einer Epiphanie kippt (oder beidem zugleich).
Steven Soderbergh, der mich immer wieder überraschen kann, in der Form und Vielfalt, wie er Filme macht, legte 2013 mit „Side Effects“ einen Thriller vor, bei dem genau das gerade beschriebene vorgehen reichlich angewendet wird.
Emily Taylor (Rooney Mara) kann sich eigentlich freuen, denn ihr Mann Martin (Channing Tatum) wird nach vier Jahren aus der Haft entlassen, in welchem er verweilte, weil er ein paar krumme Finanzgeschäfte machte. Doch Emily ist depressiv und hegt immer wieder Selbstmordgedanken, die in einem Autounfall münden, bei welcher sie gegen die Wand eines Parkhauses knallt, so wie man es von Airbag Tests kennt. Im Krankenhaus trifft sie auf den Psychologen Dr. Jonathan Bank (Jude Law), der sie als depressive Patientin aufnimmt und versucht, ihre Stimmungslage durch neue Medikamente zu verbessern. Dabei holt er sich auch Hilfe bei Emilys alter Ärztin Dr. Victoria Siebert (Catherine Zeta-Jones).
„Side Effects“ beginnt bereits mit einer Szene, die den Tod eines Akteurs darstellt, nur wird unklar gelassen, wer hier gerade verstarb und schon an dieser Stelle meines Textes muss ich leider SPOILERN[2], denn ohne etwas über die weitere Handlung zu sagen, ist es nicht wirklich möglich, substanziell mehr über den Thriller und die Frage des Timings der Twists zu sagen. Sehr schnell wird klar, dass der anfangs dargestellte Tod vielleicht nicht der Tod der Suizidverdächtigen Emily ist, denn das wäre viel zu klar. Als man dann erfährt, dass ihr Mann ein Opfer einer Schlafstörung Emilys wird, wendet sich der Film erstmals, vom Drama einer psychisch kranken Frau, zum Drama einer Frau, die wohl die falschen Medikamente bekam und natürlich bleibt es nicht dabei und der nächste Wendepunkt ist, dass der Arzt, der ihr die Medikamente verschrieb ins Zwielicht gerät und nun als Detektiv in eigener (entlastender) Sache auftritt. Erst hier erreicht der Thriller seine finale Konstellation, der Aufklärung eines Verbrechens.
Das kleine Problem, dass ich mit „Side Effects“ habe ist, dass genau dieser letzte Wendepunkt etwas zu spät kommt, die Handlung sich etwas schleppend bis zu diesem Punkt hinzieht und danach dann nochmal rasant wird. Soderbergh bzw. Drehbuchautor Burns legen das verschachtelte Baukastensystem eines Thrillers vor, dass sich dann eins nach dem anderen entblättert, nur dass bei diesem Film das Timing nicht ganz stimmt, denn insbesondere in der Mitte der Handlung wirkt alles etwas eingefahren und man wartet fast sehnsüchtig darauf, dass die nächste Enthüllung, der nächste Perspektivwechsel nun mal endlich um die Ecke kommt. Das Soderbergh dann im letzten Teil nochmal aufs Gaspedal steigt und das die Wendungen alle dann doch überraschend kommen und dass sie nicht leicht vorherzusagen sind, macht „Side Effects“ dann doch ziemlich unterhaltend, die Handlung aber insbesondere im Finale auch etwas konstruiert (besonders der Abfall von Dr. Jonathan Banks Frau, Deirdre Banks (Vinessa Shaw) scheint sehr platt und schnell zu gehen). Trotz dieses kleinen Ausflugs in die Welt des Timings und einer kleinen damit verbundenen Kritik an Soderberghs Thriller, alles in allem gut gemachte und an vielen Stellen spannende Unterhaltung mit manchmal etwas zu langsamer Geschwindigkeit und am Ende etwas zu viel Speed.
[1] Für alle Leser, die auf Auflösungen stehen, hier die Anmerkung des Autoren: Beiträge auf tommr.de fangen im Regelfall mit einer persönlichen Einleitung an, die irgendetwas mit dem Thema des zu besprechenden Gegenstands zu tun haben, beschreiben dann den Gegenstand, um letztendlich ihn zu interpretieren und mit einem (teilweise) gewagten Geschmacksurteil zu versehen. Ist das eine spannende Erzählstruktur?
[2] Hier könnte man sich eigentlich mal mehr Gedanken über das Spoilern machen, denn in gewisserweise ist das ja nur der Nachvollzug der Erzählung des Thrillers auf einer Metaebene. Und da man die Ursprungs-Ebene auf der Meta-Ebene dem vermeintlich unwissenden Leser nicht versauen will, bastelt man SPOILERALARME ein, die man dann durch große Buchstaben entsprechend zusätzlich kodiert.