Kennen Sie Menschen denen Mücken sympathisch sind? Zugegeben es sind nicht wirklich possierliche Tierchen (wie, sagen wir mal – Igel), machen keine verzückenden Laute (wie Wale) und was wirklich nervt ist die Stecherei dieser Biester. Mensch und Mücke – so kann ich als Vertreter der erstgenannten Gattung sagen – sind nicht wirklich Freunde fürs Leben. Carmen Stephan macht jedoch eine Mücke zum Haupthelden ihres Romans „Mal Aria“. Diese sticht im brasilianischen Urwald die Deutsche Carmen, welche hier gerade mit ihrem Freund Carl Urlaub macht. Bei der Mücke handelt es sich um eine Anopheles-Mücke, welche Malaria Parasiten in sich trägt und Carmen mit der Krankheit ansteckt. Die Mücke – sich ihrer Tat bewusst – verfolgt im weiteren Verlauf Carmen und bemerkt bald, wie die Krankheit bei Carmen ausbricht und die Patientin von Krankenhaus zu Krankenhaus in Rio de Janeiro führt.
Die Idee eine Krankheit in Form eines Romans näher darzustellen finde ich einen wirklich brillanten Ansatz von Carmen Stephan, die in ihrem Buch ebenso über die Geschichte der Malaria, die Entdeckung der Ursachen und ihre Bekämpfung schreibt. Das alles verspricht ein großartiges Buch zu werden – und scheitert leider.
Der Hauptkritikpunkt liegt dabei bei einem Erzähler-Problem. Denn dieser Erzähler ist eine namenlose Mücke. Warum nicht, könnte man einwenden, soll halt mal eine Mücke beschreiben was in ihr vorgeht. Jedoch ist diese Mücke eigentlich nur da, um die Menschen und die von ihnen geschaffene Zivilisation zu kritisieren, ein etwas schnell zusammengebasteltes Hilfsmittel um Entfremdung von der Natur, Kommerzialisierung des Gesundheitswesens oder den kulturellen Umgang mit Krankheiten zu kritisieren. Man könnte diesen Ansatz noch verschmerzen, wenn die Mücke sich als solche auch mal in das Blickfeld nehmen würde (aber was sollte sie da bitte von sich geben – ausgenommen von Parasiten?), doch darum geht es Carmen Stephan nicht, sondern nur darum Kulturkritik zu üben und das möglichst außerhalb der kulturelen Perspektive die jeder dabei einnehmen muss. Tatsächlich öffnet dieses Buch dem Leser die Augen über eine Geißel der Menschheit, denn Malaria ist eine der tödlichsten Erkrankungen dieses Planeten mit mehr rund 200 Millionen Patienten pro Jahr! 2015 starben 429.000 Menschen an der Krankheit, 50% davon sind Kinder unter 5 Jahren und betroffen sind hauptsächlich die Länder der Tropen – besonders Afrika. Bedenkt man, dass es sich dabei nicht um zahlungskräftige Patienten handelt und das es viel mehr Geld zu verdienen gibt, wenn man der 1.Welt neue Potenz- oder Haarwuchsmittel anbietet, so ist die Geschichte von Malaria tatsächlich eine traurige Zeugin unserer Zeit. Aber das interessiert die Autorin leider nur am Rande, vielmehr verliert sie sich in existentialistischen Betrachtungen über das Leben, die einige Leser villeicht tiefgründig (so bei den sehr positiven Kritiken auf amazon), Andere aber auch kitschig nennen würden (zweifellos hat dieses Buch bemerkenswerte Sätze, gleichzeitig aber auch ärgerlich Dümmliche). Und so wabert die Kritik der namenlosen Mücke immer ein wenig um ein nicht vorhandenes Verständnis ganzheitlicher Medizin bei uns Menschen (klar, das Gesundheitssystem der Mücken ist sicherlich besser, als das von Rio de Janeiro). Das bleibt letztendlich aber Aussagelos und reitet auf der Welle der Emotionen, die fehlende Gesundheit und insbesondere schwere Krankheiten, die unsere persönliche Existenz bedrohen, bei uns auslösen.
Einen nützlichen Bericht zu Malaria finden Sie in diesem Artikel der Zeitung „Der Standard“.