Als im Februar Roger Willemsen bei den Dresdner Reden sprach, war ich in Frankfurt Dynamo gegen den bornheimschen FSV beobachten. Im Grunde war dies etwas ärgerlich, denn ich hätte mir sehr gern Willemsen angehört, noch dazu war auch das Spiel von Dynamo eine riesige Enttäuschung, denn obwohl souverän geführt, verloren die Schwarz-Gelben die Partie und bekamen einen Knacks für den Rest der Saison, der ja bekanntermaßen zum Abstieg führte. Mein Vater jedoch ging zu Willemsen, war beeindruckt und kaufte sich ein Buch, um es sich signieren zu lassen. Dieses Buch mit dem Titel „Der Knacks“ fiel mir just in jenen Tagen in die Hände, als das Knacken im Knie meinen Bücherkonsum steigerte und mir eine passende Lektüre schien.
Willemsen geht es jedoch nicht um physische Gebrechen. „Der Knacks“, den er beschreibt, ist eher in der Seele der Menschen zu verorten. Er ist die anthropologische Erfahrung, dass am Ende nichts im Leben ist, und dass man den Sinn des Lebens, nicht letztgültig sinnvoll gestalten kann. Es ist so etwas wie der Einbruch des Bewusstseins im Leben, dass man immer mehr hätte sein können als man ist und das was man ist, etwas anderes ist, als was man hätte sein können oder wollen. Der Knacks ist der Moment, wo man auf die Frage „Wozu?“ sich keine befriedigende Antwort mehr liefern kann. „Der Knacks von innen ist dagegen der Falte vergleichbar, die an keinem Tag entstanden, in keiner Situation begründet ist und sich doch durchsetzt als die Signatur der Zeit, allmählich, ohne monokausale Begründung und allenfalls von hilflosen Erklärungen begleitet, mit hilflosen Revisionen überzogen“ (S.55)
Schnell bemerkt der Leser, das Buch ist eine melancholische, traurige, aber wohl auch existentiell-wahre Aufnahme des Menschen und seinen innerlichen Abgründen. Willemsen zitiert Seneca, „leichte Sorgen reden, ungeheure Schweigen“ (S. 42) und macht sich an die Arbeit, dieses Schweigen zu beleuchten. Wobei er nicht seine persönlichen Sorgen beschreibt, sondern versucht den „Knacks“ zu ergründen. Das geschieht in Form von Textbausteinen, manchmal nur wenige Zeilen lang, manchmal einige Seiten. Willemsens Schreibe ist dabei jedoch weit weniger luzide als seine, zumeist aus dem Fernsehen, bekannte Sprache. Einige Passagen sind nicht nur schwer verständlich, sondern wirken auch etwas abgehoben. Dafür sind wiederum andere Stellen brillant geschrieben, pointiert und teilweise sehr humorvoll. Willemsen schreckt auch nicht vor gesellschaftlicher Zeitkritik zurück: „In der Gegenwart geht der größere Schaden wohl nicht von dem aus, was Menschen tun, sondern was sie geschehen lassen“ und seine Analysen von Mensch und Gesellschaft treffen häufig eine schmerzhafte Wahrheit unserer Existenz.
Wer über den Sommer ein erhellendes, teilweise wundervoll geschriebenes, teilweise aber auch recht schwer verständliches Buch lesen möchte, dass sich mit den dunklen Seiten unseres Daseins beschäftigt, dem sei „Der Knacks“ ans Herz gelegt.