Da von Zeit zu Zeit ein Roman von Javier Marías sehr anregend wirken kann, war im sich fortsetzenden Frühjahr sein letzter Kassenschlager „Die sterblich Verliebten“ dran, aus dem Regal gezogen zu werden (wo das Buch schon seit dem Herbst lag).
Der Leser begleitet Maria Dolz, eine Verlagslektorin in der Mitte ihrer 30er Jahre, die jeden Tag im selben Cafe ihr Frühstück einnimmt. Dabei beobachtet sie Tag ein, Tag aus, ein verheiratetes Paar, welches der gleichen Routine nachgeht. Obwohl man nie miteinander spricht, nicht mal grüßt, kennt man sich vom Sehen. Bis das Paar nicht mehr kommt und Maria erfährt, dass der Mann einem Mord zum Opfer gefallen ist. Noch einmal sieht Maria die jetzt in Trauer lebende Witwe, und erfährt deren Namen, Luisa. Diese lädt sie zum Abendessen ein, wo Maria den guten Freund der Familie Javier Diaz-Varela kennenlernt.
Prinzipiell mag ich Marías Romane sehr. Auch diesmal beginnt der Roman furios (so wie eigentlich immer) und wird im Mittelteil etwas behäbig (wie eigentlich immer), weil Marias sich in seinen Reflexionen etwas zu sehr gefällt, die ein ums andere Mal ein bisschen zu viel wirken. Ihm gelingt es aber, das Ende wieder sehr spannend und aufschlussreich zu gestalten.
Marias legt diesmal keinen Krimi, aber auch keine reine Liebesgeschichte vor, eher eine Mischung aus beidem, die hinter die Fragen Verlust, Liebe und Wahrheit schauen. Marias gelingt es eindrucksvoll, Diagramme der Herzen zu Zeichnen mit ihren Gefühlen, mit ihren Ängsten, Sehnsüchten, ihren Verlusten und unerfüllten Hoffnungen. Und er zeigt wie die dazugehörigen Gehirne Strategien entwickeln, um mit den Gefühlen umzugehen, um zu verändern, oder auch nur um Zeit vorbei ziehen zu lassen. Das alles macht „Die sterblich Verliebten“ zu einem sehr lesenswerten Roman. Kritisch möchte ich aber einwerfen, dass mir die Beschreibung und der Habitus der Hauptakteurin nicht zusagt, sie mir teilweise unsympathisch ist, obwohl das Marías nicht beabsichtigt und sie gleichfalls etwas unrealistisch wirkt und ich mir nicht sicher bin, ob ich Marías Bild der Frauen immer so teile. So wirken gerade im Mittelteil die langwierigen Gefühlsreflektionen eher etwas zu überbetont, gerade weil sie sich an bestimmten Inhalten festhalten, aber andere und zweifelhaft ebenso interessante Themen vernachlässigen.
Trotzdem ist der Roman „Die sterblich Verliebten“ ein sehr lesenswertes Buch, auch weil es angenehm undogmatisch die Konsequenzen seiner Handlungen erzählt und weil es nicht auf die eine Wahrheit abzielt.