Neuerdings treffe ich immer Dienstag meine Freunde zum Dönerstag und weil das meist an der Altmarktgalerie stattfindet, kann man danach noch immer einen prima Besorgungsgang antreten. Und wenn man dabei beim Buchladen vorbeikommt, umso besser und dann noch besser: Wühltisch ist vorhanden und gefüllt! Dabei muss man eines feststellen: 95% des Wühltischangebotes sind nichtssagende Werke für mich, aber wenn man 100 Bücher durchgeht und die hat so ein Wühltisch locker, dann bleiben eben auch mal 5 Bücher hängen, wovon dann vielleicht eins gut genug ist, es tatsächlich für den angegebenen Sonder-Wühltischpreis zu erwerben. Diesmal fand ich T.C. Boyles „San Miguel“. Nachdem „América“ ja ein ziemlich guter Roman war, kann man da nicht viel falsch machen, dachte ich mir.
San Miguel ist die nordwestlichste der acht kalifornischen Kanalinseln, die sich vor dem Küstenstreifen von Santa Barbara bis ins südliche Los Angeles ziehen. Hier siedelt Boyle drei historische Geschichten an, die jeweils aus dem Leben einer Frau erzählen, die tatsächlich auf San Miguel lebten.
1888 lässt sich die schwer kranke Marantha mit ihrer Familie nach San Miguel bringen. Ihr neuer Mann hat sie überzeugt, dass das Klima auf der Insel heilsam für ihre angegriffenen Lungen wäre, und er derweil den Unterhalt mit der Schafzucht auf dem Eiland bestreiten könne. Schnell wird klar, dass das Leben hier keinesfalls heilsam, sondern archaisch und wenig zivilisiert ist, da man dem rauen Klima in einer eher notdürftigen Hütte ausgesetzt ist und der einzige der wirklich aufblüht ist der Mann. Doch ihre Tochter Edith und die Magd Ida richten sich so gut es geht ein, während man die Tage dahingleiten sieht.
Einige Jahre später kehrt Edith auf die Insel zurück, die sie nun wie ein Gefangenenlager begreift. Sie hat nur einen einzigen Wunsch, sie muss von hier flüchten, doch wie das am besten anstellen?
Viele Jahre später wiederum, zu Beginn der 1930er erreichen das junge Paar Herbert und Elise Lester San Miguel. Sie wollen hier ein neues Leben starten fernab der Zivilisation, frei von kommerziellen Zwängen und politischen Entscheidungen, ein Abenteuer in und mit der Natur.
Die Geschichten der drei Frauen Marantha, Edith und Elise besprechen Schicksale unter gleichen, aber auch sehr unterschiedlichen Vorzeichen. Alle drei Frauen kommen wegen ihrer Männer auf das vom Wetter nicht gerade begünstigte Eiland, doch sie haben sehr unterschiedliche Motive. Marantha hofft auf Heilung, Edith sieht ihr junges Leben eingekerkert, muss sich arrangieren und will doch nur ausbrechen, während Elise die Einzige ist, die sich tatsächlich auf das Leben der Insel voll einlässt. Da Boyle nicht nur die historischen Personen nachzeichnet, sondern sie in ihre Zeit einbezieht ist „San Miguel“ ein Stück kalifornische Heimatgeschichte, die irgendwie außerhalb Kaliforniens stattfindet und damit den Blick auf das was war aus einer ungewohnten Perspektive erzählt. Viel mehr ist es jedoch die Geschichte dreier Frauen und ihrer Geworfenheit in ein stürmisches und karges Fleckchen Erde.