Die Schönheit Lanzarotes sieht Sven schon lange nicht mehr, wenn er sie denn je beachtete. Seit fast 14 Jahren ist er Tauchlehrer auf der Kanareninsel und betreibt eine Tauchschule mit angeschlossenem Gästehaus in einem abgelegenen Teil des Archipels, gemeinsam mit seiner Jugendfreundin Antje. Bald wird er 40 Jahre alt werden und für seinen Geburtstag hat er sich etwas Besonderes ausgedacht. Er möchte auf 80m Tiefe steigen und ein altes Schiffswrack erkunden, was nahezu unbekannt vor der Insel auf Grund liegt. Doch vorher muss er noch einen Großauftrag abarbeiten. Die Schauspielerin Jola von der Pahlen, eine bezaubernd gut aussehende B-Prominente und der Schriftsteller Theo Hast, dessen literarische Veröffentlichungen bei der Zahl eins stehen blieb, wollen einen zwei wöchigen Intensivtauchkurs aufnehmen, dem Sven die stattliche Summe von 14.000€ bescheren wird. Jolas und Theos Beziehung scheint dabei außergewöhnlich, denn Liebe und Hass, Zärtlichkeit und Gewalt lösen sich bei ihnen unvermittelt ab und Sven wird in eine nicht ungefährliche Dreiecksbeziehung getrieben.
„Nullzeit“ ist Juli Zehs fünfter Roman aus dem Jahr 2012. Ihn in ein Genre zu pressen, würde vielleicht eine Mischung aus Beziehungsgeschichte und Psychothriller ergeben, wobei die von Sven vorgetragene Romanerzählung immer wieder von Passagen aus Jolas Tagebuch abwechseln. Die doppelte Perspektive auf die Geschehnisse erzeugt einen nicht unerheblichen Anteil diese spannenden Buches, der aber kein Krimi ist, oder zumindest keiner im klassischem Muster Todesfall- Rätsel – Aufklärung. „Nullzeit“ ist gleichzeitig ein Auswandererroman, der in der Person von Sven zeigt, dass es beim Auswandern wohl um das Verlassen einer Welt geht, um die sich immer noch das Leben dreht, nur als ein Gegenentwurf. Sven spricht kaum Spanisch (im Buch kommen andere Einwohner der Insel vor, das sind aber allesamt auch eingewanderte Europäer, Spanier selbst kennt Sven nicht), wichtig ist für ihn nicht wo er ist, sondern nur das er dort seine Ruhe hat, vor dem wo er nicht sein will (auswandern wäre so verstanden etwas anderes als einwandern, wo man sich mit dem Ort vertraut macht, den man neu bewohnen möchte). Überhaupt ist die Hauptfigur Sven ein nicht wirklich sympathischer Typ, ein Naturmensch, der fast schon zwanghaft abtauchen will, um sich der Welt über Wasser zu entsagen. Auf dem Lande lebt Sven mit einer eigenwilligen Art von Rationalität, die sich einer gewissen Arroganz nicht entziehen kann und es ist von Zeh schön erzählt, wie sich diese Rationalität langsam auflöst, wenn Jola immer mehr in sein Leben tritt. Das mündet in ein recht furioses Finale, dass ganz am Ende vielleicht doch etwas zu konstruiert wirkt, aber diesem spannenden Roman über das Tauchen eigentlich nicht wirklich schadet.