Jetzt ist es ja so. Nach dem Ende von „The Wire“ sitzt man da und glaubt keine Serie könne je wieder so gut werden. Was also tun? Genau das Falsche! Man sucht sich eine andere Serie des Machers von „The Wire“, David Simon. Dieser brachte nachdem Erfolg von „The Wire“ 2010 für HBO „Treme“ heraus. Bevor Sie jetzt versuchen ihr Wissen der englischen Sprache zu durchforsten, was denn nun „treme“ hieß (so wie ich es natürlich auch tat) sei erwähnt, dass es sich dabei um einen Stadtteil von New Orleans handelt.
David Simon macht wieder eine Serie über eine Stadt, nach Baltimore ist es nun New Orleans. Doch „Treme“ ist ganz anders als „The Wire“, denn der Schwerpunkt ist verschoben. Wir sehen hier keine Krimiserie, sondern beobachten mehr oder weniger normale Bewohner der Stadt New Orleans. Die Würze in die Handlung bringt die Tatsache, dass wir das Jahr 2005 schreiben, es ist Spätherbst und ungefähr drei Monate her, dass der Hurrikan Katrina die Stadt verwüstet hat. Langsam kehren die Menschen zurück, denn die Stadt wurde abgeriegelt und einige Gegenden sind noch immer für die Bewohner geschlossen.
Ähnlich „The Wire“ verfolgen wir nun die Schicksale der Protagonisten, von denen es wiederum einige gibt. Da hätten wir den Jazzmusiker Antoine Batiste (Wendell Pierce) der nach der Flut um das finanzielles Überleben seiner Familie spielt und der als Lebemann und Bruder Leichtfuß sich im „neuen New Orleans“ zurecht finden muss. Radio-DJ Davis McAlary (Steve Zahn) ist ein nur wenig zielbewusster Bewohner das Stadtteils Treme, der sieht wie sehr sich seine alte geliebte Stadt verändert und dem dies nicht gefällt. Ein Gefühl das auch College Professor Creighton Bernette (John Goodman) befällt, dessen Frau Toni (Melissa Leo), eine Bürgerrechtsanwältin, versucht wiederum das Verschwinden des Bruders von Barbesitzerin LaDonna Batiste-Williams (Khandi Alexander) zu ermitteln. Ganz andere Sorgen hat Albert Lambreaux (Clarke Peters), der Chef eines Mardi-Gras Indian Stammes ist und nicht nur für die Mardi Gras Parade Kostüme näht, sondern hauptsächlich erst mal alte Mitstreiter auffinden muss. Und wir hätten Restaurantbesitzerin Janette Desautel (Kim Dickens), die ihr abgesoffenes Restaurant wieder zum Laufen bringen muss. Nicht zu vergessen sind da noch das Straßenmusikerpärchen Annie (Lucia Micarelli) und Sonny (Michiel Huisman) die im von den Touristen verlassenen New Orleans musizieren.
Simon schrieb die Serie gemeinsam mit Eric Overmeyer, der schon beim Team von „The Wire“ mitarbeitete und aus New Orleans stammt. „Treme“ hinterfragt den Wiederaufbau der Stadt sehr kritisch, vor allem die damit verbundenen Ziele ärmere Siedlungen, insbesondere der schwarzen Bevölkerung, nicht wieder zu öffnen, um sich so sozialen Brennpunkten auf dem einfachsten Weg zu entledigen. Die Serie thematisiert aber auch ein korruptes System der Politik, Justiz und Polizei und die Frage, wie man eine Stadt sinnvoll wieder aufbauen kann. Immer wieder spielen dabei regionale Kulturgüter eine Rolle, insbesondere die Musik. Die Serie ist für jeden Jazz Fan ein absolutes Muss, denn jede Folge hat unzählige musikalische Einlagen, auch werden gern und viel, berühmte Musikerpersönlichkeiten des Genres und ihre Aufnahmen durch dekliniert, was für Unwissende manchmal etwas nervig ist. Ebenso sind zahlreiche Auftritte von Gaststars dabei. Ein anderes Thema mit lokalem Bezug ist Küche und Essen und man betrachtet wie eine Stadt selbst nach dem totalen Zusammenbruch wieder versucht ihre Identität zu finden.
Leider entwickelt „Treme“ aber bei weitem nicht die Spannung von „The Wire“ und auch mit den Charakteren fällt es sich schwerer zu identifizieren. Gerade in der Mitte der Staffel hat man das Gefühl rein gar nichts würde passieren und das ewige Klagen, dass in New Orleans alles Mist sei, ist auf Dauer auch wenig erbaulich. Das Grundschema der Serie scheint zu sein, die Bürger gegen das System und das ständige Wiederkehren dieses Themas wird etwas ärgerlich. Doch das Finale – insbesondere die letzten beiden Folgen – nehmen dann wieder Fahrt auf und präsentieren uns eine Serie über die Suche einer Stadt und ihrer Einwohner nach ihrer neuen bzw. alten Identität. Wer allerdings die Genialität, Originalität und die Spannung von „The Wire“ erwartet, wird mit „Treme“ eher enttäuscht sein.