Ich erläuterte bereits innerhalb dieser Kategorie „Serien“, den Vergleich von Serien zu Romanen. Ich muss bemerken, dass man an dieser Stelle einige Erweiterungen der Theorie machen muss, denn Serien sind nicht gleich Serien, so wie Romane nicht gleich Romane sind. Einige Serien sind Folge für Folge abgeschlossen, es handelt sich dabei um sogenannte Reihen, andere sind Episodenfolgen die sowohl ein einzelnes Thema in der jeweiligen Folge behandeln, als auch die Gesamthandlung weiter treiben, man denke hier an die „Sopranos“ oder insbesondere an „Six Feet Under“ und wieder andere benötigen fast die gesamte Aufmerksamkeit von der ersten Sendeminute an, da einem sonst ein wenig die Zusammenhänge verloren gehen, was vorher geschah, weil sie eine stark fortwährende Handlung haben, man nennt so etwas Fortsetzungsserie, wie hier im vorliegenden Fall, „The Wire“.
Im „virtuellen“ Regal meiner mir im Internet angebotenen Serien habe ich vor einiger Zeit mal nach „The Wire“ gegriffen. Viel wusste ich über die Serie nicht, außer dass einige Meinungen sie als die beste je gemachte Serie betrachten und das es um einen Kriminalfall geht, der in Baltimore spielt.
Ich nehme an sie kennen Baltimore genauso wenig wie ich, eins steht aber fest, die Stadt an der Ostküste in Maryland gehört zu den gefährlichsten Städten der USA, deren Niedergang in den letzten Jahrzehnten dem von Detroit gleicht.
Bei der hiesigen Polizei wird eine Sonderkommission der Polizei zusammengestellt, um den Drogenboss Avon Barksdale (Wood Harris) dingfest zu machen. Sinn und Zweck dieser Abteilung ist aber nicht eine rasche Aufklärung, vielmehr ist es eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, denn die Einheit besteht größtenteils aus Mitarbeitern, die bei anderen Einheiten so auffällig geworden sind, dass sie dort nicht mehr tragbar waren. Es ist eine abgeschobene Gruppe, die dann auch tief im Keller verborgen, eine düstere Heimat findet. Unter Ihnen ist Jimmy McNutty (Dominic West), der durch zu hohen Arbeitseifer und einem Alkoholproblem aus dem Morddezernat hier her versetzt wurde und mit seiner engagierten Art und Weise Fälle aufzuklären schnell aneckt. Und wir haben den Chef der Einheit Cedric Daniels (Lance Reddick), dem die Stelle schmackhaft gemacht wird, als Sprung auf der Karriereleiter, deren Sprossen durch einen mysteriösen Zwischenfall in der Vergangenheit weit auseinander ragen. Nicht zu vergessen ist „Kima“ Greggs (Sonja Sohn) die draufgängerische Beamtin oder Lester Freeman (Clarke Peters), der sich damit abgefunden hat lieber seine restliche Zeit bei der Polizei mit dem Bau von Puppenhausmodellen zu verbringen.
Das Besondere an „The Wire“ ist nun, dass nicht nur die Polizisten gezeigt werden, sondern ebenso die Kriminellen, also die Crew um Avon Barksdale und dessen geschäftsführenden Assistenten Stringer Bell (Idris Elba). Ihre Verwicklungen in finanzielle Geschäfte wird ebenso beleuchtet, wie der tagtägliche Drogenverkauf im Pit (einer Wohngegend, für welches das Wort „Problemviertel“ erst erfunden wurde), den Avons Cousin D’Angelo (Larry Gillard Jr.) leitet.
Wer nun denkt damit sind die Rollen von Gut (Polizei) und Böse (Drogenkartell) verteilt, der irrt. Denn innerhalb der Polizei geht es weniger, um das Aufklären von Morden als vielmehr, um den schnellen Aufstieg in der Behörde. Und auch der Barksdale Clan ist keineswegs nur von der Energie des Verbrechens getränkt. Wir erleben wie gute Leute fragwürdige Dinge tun (müssen) und wie böse Kriminelle ein gutes Herz haben. Wir sehen in welche Abgründe Drogen Menschen führen können, aber auch wie sehr, eine richtige Aufgabe ein Leben verändern kann. „The Wire“ schafft es eine äußerst realistische Geschichte zu erzählen, die jederzeit glaubhaft ist, aber nie an Spannung nachlässt. Anders als bei „Breaking Bad“ beispielsweise, wo spektakuläre Wendungen zu Verlauf der Story gehören, legt „The Wire“ eine viel größere Rolle auf die Ausgestaltung der Charaktere. Dabei wird aus einem am Anfang eher langweiligen Fall mit ein paar abgehörten Telefonen (deshalb der Titel „The Wire“) ein komplexes Konstrukt. Die Serie wird also immer spannender, weil sie immer komplexer wird. Das ist großartig gelungen, denn tatsächlich kann man nach ein paar Folgen kaum die Finger vom Play-Button seines Abspielgerätes lassen (und ich wäre viel schneller mit der Serie fertig gewesen, hätte watchever nicht einfach die Serie aus dem Programm genommen und ich erst Wochen später zufällig die erste Staffel in einem Hamburger Mediamarkt als Sonderangebot sah). Dabei ist die 1.Staffel tatsächlich wie eine komplette Serie gestaltet, denn nach der letzten Folge folgt kein Cliffhanger, sondern man hat das Gefühl jetzt ist eigentlich Schluss mit der Story. Das macht einen aber nur gespannter auf die weiteren Staffeln.