Das Ende des 1.Weltkrieges ist greifbar nahe, das große Schlachten scheint vorbei, die Welt steht vor dem Aufbruch zu neuen Ufern. Nationen sollen, aufgerufen vom US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, ihre Unabhängigkeit einfordern, Monarchen verjagt werden, Frauen endlich wählen können…
Daniel Schönpflug beleuchtet in seinem Buch „Kometenjahre. 1918: Die Welt im Aufbruch“ eine Zeit großer Hoffnungen. Er lässt verschiedene Personen dieser Epoche sprechen, von politischen gestalten wie Kronprinz Wilhelm von Preußen, Matthias Erzberger oder Mohanda Gandhi über Soldaten wie Rudolf Höß oder Harry S. Truman bis hin zu Künstlern wie Walter Gropius, Käthe Kollwitz oder Virginia Woolf. Schönpflug erschafft eine „Kollage von Zeitzeugen …, wie eine vielfältige Gruppe von Akteuren die Jahre um 1918 erlebt, erinnert, präsentiert, gedeutet und aus ihrer ganz persönlichen Warte beschrieben hat.“ (S.309). Das setzt für den Leser natürlich eine gewisse Kenntnis der Geschehnisse voraus, ist gleichzeitig aber ein schöner Ansatz sich mit einigen der genannten Biografien näher zu beschäftigen. Das Buch ist keine Abhandlung historisch bedeutender Ereignisse, sondern eine subjektive Schau der Zeitzeugen. Das ist natürlich persönlich gefärbt aber eben auch sehr erhellend, weil man ein Gefühl für die Zeit und das Leben in ihr bekommt. Natürlich ist die Auswahl und die Anordnung der Personen diskutabel, weil mit ihr einige Schwerpunkte geworfen werden und andere ausgespart bleiben, weil einige Meinungen verstärkt werden (das Leben der bürgerlichen Gesellschaft) und der Blick auf andere Strömungen dadurch vielleicht sehr negativ bewertet werden (wie das ziemlich katastrophale Bild auf das mitten im Bürgerkrieg stehende Sowjetrussland). Das sind aber fast schon Notwendigkeiten der Auswahl einer vielfältigen, hoffnungsfrohen, ernüchternden und harten Epoche der Weltgeschichte. Ein lesenswertes Panorama unserer Welt vor 100 Jahren.