Wir schreiben den heißen Sommer 1944. Die Jungs und ein paar Mädchen, des hauptsächlich von Juden bewohnten Viertels Weequahic in Newark, spielen auf dem Sportplatz. In der Umgebung hat es schon einige Fälle von Polio gegeben, der Krankheit für die es bis in die 1950er Jahre keine Impfung gab, die in schlimmen Fällen zur Verstümmlungen von Gliedmaßen oder gar zum Tode führen kann und die bevorzugt bei jungen Menschen auftritt, weshalb auch der Name „Kinderlähmung“ für die Krankheit gebräuchlich ist.
Bucky Cantor, ein dreiundzwanzigjähriger Sportlehrer, der wegen seiner starken Sehbehinderung nicht zur Armee und damit auch nicht in den 2.Weltkrieg ziehen musste, wie seine beiden besten Freunde, hat die Oberaufsicht auf den Sportplatz. Er wird von den Jungen auf dem Sportplatz wegen seiner ruhigen und sportlichen Art geliebt und gilt als großes Vorbild, weil er nicht nur unverwundbar und besonnen wirkt, sondern stets Pflichterfüllung und Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen ausstrahlt.
Eines Tages erreichen einige ungestüme Jugendliche aus einem italienischstämmigen Viertel den Sportplatz und provozieren mit der eigentlich nicht ernstzunehmenden Behauptung, hier die Polio einschleppen zu wollen. Bucky bleibt ruhig und kann sie Kraft seiner natürlichen Autorität vertreiben.
„Nemesis“ ist der letzte, 2010 erschienene, Roman des großen amerikanischen Autors Philip Roths. Es ist der vierte und abschließende Teil der Kurz-Roman Serie „Nemeseis“, bei dem sich alle Texte um die Frage drehen, wie sich Individuen gegenüber auftretenden Lebensumständen behaupten und welche Konsequenzen sie auslösen.
„Nemesis“ beinhaltet drei Kapitel und thematisiert nicht nur den Ausbruch einer damals noch wütenden (heute eben wegen Impfung in den allermeisten Teilen der Welt ausgerotteten) Krankheit und wie Verunsicherung, Gerüchte und Angst unter den Menschen aufsteigen, sondern an der Person Bucky Cantor, verhandelt das Buch die Möglichkeiten, Grenzen und Abwägungen von verantwortungsvollen Handeln, von Selbstschutz und Schutz der Gemeinschaft, von tatsächlichen privatem Glück und der Vorstellung privatem Glücks. Diese wirklich großen Themen lesen sich bei Roth wundervoll kurzweilig und sehr intelligent inszeniert. Gleichzeitig ist das Buch von einem großem Verständnis und einer liebenswerten Sympathie für seine Protagonisten geschrieben, die dem Leser sowohl die Logik menschlicher Handlungen, als auch deren Tragik deutlich fühlbar und vorstellbar macht. Besser als Markus Gasser kann man es kaum formulieren, weshalb dieser Artikel mit einem Zitat von ihm aus der FAZ (hier gefunden bei wikipedia) enden soll:
„…es ist Roths Geheimnis, dass er über die unerfindliche Schönheit seines Stils und struktureller Spannungsfinessen dem Leser jenen Trost gewährt, den er seinen Geschöpfen versagt. Roth ist ein Stück Heimat, jede Lektüre ein privates Erlebnis, so, als läse man den sehr persönlich gehaltenen Brief eines guten alten Freundes, auf dem als Wasserzeichen sich der Satz eingeprägt findet: „Versuche, keine Angst zu haben, nichts ist es wert.“ Darin auch bleibt Philip Roth, der mitleidvollste Schriftsteller der Welt, unerreicht: Von „Nemesis“ werden sich selbst diejenigen getröstet und gestärkt finden, die noch gar nicht wussten, wie traurig sie im Innersten sind.“ (ganzer Artikel hier)