Die Gesellschaft zu hinterfragen ist nicht nur ein Hobby, etwas was man mal in seiner Freizeit zum Zeitvertreib machen kann, sondern es sollte ein ständiger Reflexionsprozess sein, der unser Denken und Handeln verändert oder wenigstens beeinflusst. Etwas mehr über uns und unser Leben zu erfahren, kann nicht wirklich schaden. Deshalb nehme ich mir von Zeit zu Zeit Bücher vor, die unsere Zeiten, Lebenswege und Gewohnheiten beleuchten, so wie zum Beispiel unsere kapitalistische Gesellschaft (die Betonung liegt hier auf der Wirtschaftsform unserer Tage in Europa). Nach dem hervorragenden Buch von Thomas Piketty über die Verteilung des gesellschaftlichen Vermögens, nahm ich mir David Graebers Publikation über die Geschichte der Schulden vor, das schon einige Zeit in meinem Regal schlummerte. Auch dieses Buch erschein bei der Bundeszentrale für politische Bildung und war für einen sehr erschwinglichen Preis dort erhältlich (daher kein Grund sich zu verschulden). Ich kann nur jedem empfehlen sich einmal auf den Seiten dieser Einrichtung umzusehen.
Weniger empfehlen kann ich allerdings das Buch von Graeber. Aber kommen wir zuerst zum Anliegen des Werkes. Graeber geht es um die Frage, was Schulden bedeuten und zwar historisch gesehen. Er zeigt aus anthropologischer Perspektive auf, das Schulden, Geld, Macht und auch Krieg in einem historischen Zusammenspiel stehen. Seine Perspektive kontrastiert ein grundlegendes Modell der Ökonomie, dass von Adam Smith abgeleitet ist und das behauptet, dass Geld erfunden wurde, weil es den einfachen Tauschhandel zwischen Menschen schneller, effizienter und vielfältiger machte. Das jedoch – so Graeber – ist ein Modell und hat nichts mit der historischen Realität zu tun! Also begeben wir uns mit dem Autor auf eine Reise, die unter anthropologischer Brille bis zurück nach Mesopotanien reicht und zeigt, dass Geld als Verrechnungseinheit immer eng an Schulden geknüpft war und das insbesondere Staaten Geld einführen, um Steuern von den Einwohnern eintreiben zu können. Märkte, die auf Münzgeld beruhen, werden dann meistens von Soldaten benutzt, da diese von ihren Auftraggebern besser mit unpersönlichen Münzen bezahlt werden können, als mit Schuldversprechen eines Staates, das auf anderen Territorien nichts zählen. So zeigt Graeber in einer durchaus spannenden und aufschlussreichen Geschichte auf, wie sich Geld entwickelt, wie Münzen entstehen, was seiner Ansicht humane Ökonomien sind und wie Papiergeld eingeführt wird. Der Leser erfährt viel Neues dabei und für das Buch spricht, dass man auf eine Zeitreise mitgenommen wird. Eine Zeitreise allerdings die gern so entlang reist, dass nichts mit der Argumentation kollidiert und gerade wenn man sich unseren Tagen nähert, wird Graeber zunehmend oberflächiger, was nicht nur der Untersuchung nicht gut tut. Denn Graeber entwickelt zunehmend eine Geschichte der kapitalistischen Geisteshaltung, die per se, keinerlei Positives abzugewinnen ist, was aber ebenso vereinfachend ist, wie die Darstellung, der politischen Gegenseite der Occupy-Bewegung (welcher der Autor angehört), dass der globale Finanzmarkt Gottes Lösung auf unserer Erde sei. Würde Graeber es schaffen, mehr Gleichgewicht in seine Argumentation zu bringen und den moralisierenden und politisierenden Ton der letzten Kapitel etwas bremsen, dann wären „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ ein wirklich sehr lesenswertes Buch. So ist es nur das, was man etwas euphemistisch, einen Debattenbeitrag nennt, allerdings einen durchaus, in historischen Zusammenhängen, erhellenden.