Idee: Scott Alexander, Larry Karaszewski | Krimi- Anthologieserie | 9 Folgen in 2.Staffel (insgesamt 19) | Erstausstrahlung der 2.Staffel 2018 auf FX |
Anthologieserien haben den Vorteil, dass sie in jeder Staffel ein komplett neues Thema aufbauen, so wie man dies beispielsweise aus „True Detective“ oder „Fargo“ kennt. Man kann also prima auch mit der 2.Staffel beginnen. Da diese 2.Staffel von American Crime Story viel Lob bekam und mir der Mordfall Versace weniger vertraut war, wie der Kriminalfall um O.J. Simpson, der in der 1.Staffel beleuchtet wird, fiel die meine Seh-Entscheidung auf „The Assasination of Gianni Versace“, wie die Staffel im Original heißt.
Sie ist mehr als eine reine Krimiserie, die nach dem gängigen Muster; Verbrechen und dessen Aufklärung funktioniert. „Der Mord an Gianni Versace“ beginnt zwar damit das der berühmte Modedesigner Gianni Versace (Édgar Ramírez) am Eingang seiner Villa in Miami von Andrew Cunanan (Darren Criss) erschossen wird, lässt aber die Aufklärung des Falls bis zur 9. Folge ruhen und beleuchtet den Lebensweg sowohl des Opfers als insbesondere des Täters. Die Serie fragt danach, wie konnte es nur dazu kommen?
Cunanans Geschichte ist die eines Menschen, der immer größer erscheinen wollte als er wirklich ist. Er ist ein intelligenter und gutaussehender junger Mann, dessen Lebensweg aber eher davon bestimmt ist, anderen Menschen etwas über sich vorzumachen. Seine Traumwelt zu leben heißt für ihn nicht, für diese zu arbeiten, sondern einfach sie vorzuspielen. Sein durchaus vorhandener Charme wirkt nicht nur auf ältere Männer, wie seinen Mäzen Norman Blachford (Michael Nouri), sondern anfangs auch auf seine jungen Freunde oder Liebhaber, wie dem Marineoffizier Jeffrey Trail (Finn Wittrock) oder der Liebe seines Lebens David Madison (Cody Fern). Doch mehr oder weniger schnell bekommt jeder in Cunanans Umfeld mit, dass er vor allem nur eines ist, ein Hochstapler.
Das Opfer Gianni Versace, dessen Leben weniger ausführlich beschrieben wird, ist ein Modegenie. Von einem natürlichen Talent gesegnet, ist er ein geachtetes, aber eigenwilliges Mitglied der Modewelt und der lokalen Schwulenszene Miamis. Zusammen mit seinem Partner Antonio D’Amico (Ricky Martin) lebt er in Miami, nachdem er sehr erfolgreich sein Unternehmen aufgebaut hat. Dabei war auch seine Schwester Donatella (Penélope Cruz) hilfreich, die als Designerin zwar weniger kreativ ist als ihr Bruder Gianni, aber ein besseres Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge hat.
„Der Mord an Gianni Versace“ taucht ein in die 1990er Jahre; in eine Welt in welcher man als Homosexueller noch deutlich als fremd und anders wahrgenommen wurde. Das ist jedoch nur ein Erzählstrang und man kann nicht wirklich sagen, Homosexualität in den 90ern wäre das zentrale Motiv der Serie. Es ist mehr das Porträt eines Menschen (Cunanen), der zwar fünf (schwule) Männer umbringt, die Taten aber nicht vordergründig begeht, weil diese Männer (zwei davon weniger bis gar nicht) homosexuell sind, sondern weil sie drohen, seine imaginierte Welt zu zerstören oder weil Cunanan so machtlos in seine Fantasiewelt gedrängt wird, dass er seine eigene Macht nur noch als Gewalt anwenden kann. Dem gegenüber ist die Geschichte Gianni Versaces, die einer Befreiung. Ein Loslassen von gesellschaftlichen Konventionen und wirtschaftlichen Zwängen, um sich selbst im eigenen Leben und im Beruf auszuleben.
Diese Story wird kurzweilig und spannend erzählt und ist vielleicht erst in den letzten zwei Folgen etwas lang geraten, wo noch eine weitere Facette beleuchtet werden soll, was dann aber den Rahmen der Handlung sehr dehnt. American Crime Story kann mit fantastischen Schauspielern aufwarten, ob dies nun der grandios gespielte Hedonist Cunanan von Darran Cris ist, der wundervolle Gianni Versace von Édgar Ramírez oder dessen stiller Partner Antonio D‘Amico von Ricky Martin. Überragend aus dem Ensemble herausstechend ist vielleicht Penélope Cruz als Donatella Versace, als eine bestimmende, aber auf Grund des künstlerischen Genies ihres Bruders, immer wieder unsichere Frau. Ärgerlich ist jedoch die Umsetzung der englischen Originalsprache. Sowohl Gianni als auch Donatella werden mit italienischem Akzent in englischer Sprache gespielt, was meiner Meinung nach wunderbar funktioniert und realistisch wirkt, aber ad absurdum getrieben wird, wenn beide allein miteinander reden, denn dann behalten sie ihren italienischen Akzent im Englischen bei, statt italienisch miteinander zu reden. Das könnte natürlich dadurch bedingt sein, dass weder Cruz noch Ramírez italienische Muttersprachler sind, aber dann kann man sich natürlich schon fragen, warum man dann den starken Akzent einbauen musste, der extra realistisch wirken soll und dann genau diesen Realismus konterkariert.
Trotz dieser kleinen Mängel eine sehr sehenswerte Serie, über das eigenen Leben finden in den 1990er Jahren, zwischen Authentizität und Hedonismus und zwischen Genie und Wahnsinn.