Es wird Winter. Ganz langsam, noch ist es kaum merklich, aber die Abende brechen schon früher herein und wenn die Sonne verschwindet, kühlt es sich auch an warmen Tagen schon schnell ab. In Einstimmung zur nun kommenden kalten und dunklen Jahreszeit habe ich mir Roman Ehrlichs „Das kalte Jahr“ vorgenommen.
Er handelt von einem namenlosen Ich-Erzähler, welcher eines Tages losläuft, durch den Schnee und die matschigen Ausfallstraßen der großen Stadt. Einen Tag später kommt er im Wohnort seiner Eltern an, in einem Städtchen am See, direkt hinter einem alten Militärgebiet. Doch seine Eltern sind nicht daheim, nur ein Junge namens Richard, der scheinbar jetzt das Haus bewohnt.
Ehrlichs erster Roman ist ein nicht gerade gewöhnliches Buch. Wichtiger als ein buntwechselnder Handlungsbogen ist in „das kalte Jahr“ das Mittel der Sprache. Ehrlich seziert die kalten Wintertage, die verschneiten Wege, den Nebel an der Promenade, die Kälte die sich in den Körpern einnistet und irgendwie auch den Geist und die Stimmung befällt. Dabei wird die Handlung in einem erzählerischen Nebel gerissen, der, und das kommt nicht ganz unerwartet, nicht wirklich aufklart. Jeder scheint in dieser Welt allein für sich zu sein und wozu die anderen da sind, besteht nicht wirklich Klarheit. Aufgerissen wird der erzählerische Rahmen von Geschichten, die der Erzähler Richard berichtet und die meist von historischen Außenseitern handeln. Dazu findet der Leser erstaunlich viele Fotos, welche die Handlung illustrieren und das tun sie in einer außergewöhnlich gelungen Art und Weise.
Wer auf ein außerordentliches Buch Lust hat, dass von seiner Sprache, von der Dichte der Beschreibung, nicht aber von seinem spektakulären Plot lebt, dem sei „Das Kalte Jahr“ von Roman Ehrlich quasi an den Kamin gelegt.