Reality-TV-Wettbewerbs-Serie | 12 Folgen | Erstausstrahlung 2020 auf netflix
Ich gebe ehrlich zu, kein besonders großer Fan von Reality-TV Wettbewerben zu sind. Big Brother, hatte ich in meiner Studienzeit mit Kommilitonen diskutiert (selbstverständlich war das der Untergang des Fernsehens), aber nie wirklich gesehen. Einzig das Dschungelcamp schaue ich teilweise ab und an, also so im 2-3 Jahres Rhythmus und dann so 2 bis 4 mal die Woche. Trotzdem wurde ich durch einen FAZ-Artikel neugierig gemacht auf eine erstmals auf netflix veröffentlichte Serie, die dort als Social-Media-Experiment mit Inspirationen von Black Mirror beschrieben wurde. Es handelt sich im Original dabei um eine britische Show, die erstmals 2018 lief und die 2019 von Netflix hauptsächlich für den amerikanischen Markt produziert wurde, übrigens rein örtlich gesehen gleichfalls in dem für die britische Show angemieteten Wohnhaus in England.
Acht junge Menschen, die sich alle nicht kennen, ziehen in eben dieses Haus ein, in unterschiedliche Apartments und können nur über eine App namens The Circle miteinander kommunizieren. The Circle erlaubt nur Textnachrichten und das Hochladen einiger weniger Fotos. Jeder Spieler kann das Narrativ, dass er seinen Mitspielern erzählt selbst bestimmen, denn diese können die Echtheit der Angaben nicht prüfen, gibt es doch außer „The Circle“ keine digitalen Medien in den Wohnungen. So steht jeder Mitspieler vor der Entscheidung, sich selbst in das Spiel einzubringen, oder jemand ganz anderes, ein schöneres Ich oder auch ein anderes Geschlecht für die Mitspieler anzugeben. Die Spieler bestimmen im Fortgang der Show, wer weiter mitspielen kann und wer aus dem Spiel ausscheidet und wer letztendlich als Gewinner den Preis von 100.000 Dollar einstreicht.
Was das Spiel so spannend macht, ist die vollkommene Anonymität, in welcher die Spieler sich befinden. Jeder tappt im Dunkeln, ob er von seinen Mitspielern gerade eine Geschichte erzählt bekommt, oder tatsächlich authentisch sich selbst wiedergibt. Daraus entsteht eine extrem hohe Wertigkeit von Authentizität im Spiel. Gut wird bewertet, wer sich selbst spielt, oder besser wessen Spiel am meisten authentisch wirkt. Das spiegelt tatsächlich eindrücklich die Werte unserer Zeit wieder, wo das Gefühl von Authentizität manchmal mehr zu tragen scheint, als rationale Erklärungsmodelle (schauen sie nur auf einige Politikversuche, die Welt ist voll davon).
Die ersten Folgen von „The Circle“ wirken etwas überdreht, so dass sie für Europäer etwas übertrieben und stark geskriptet aussehen, doch sehr bald entfaltet das Spiel seine sehr faszinierende Atmosphäre, die den Zuschauer in seinen Bann ziehen. Dieser lernt die Mitspieler kennen, die zwar allesamt recht jung sind, aber doch aus ganz unterschiedlichen sozialen Ecken kommen. Und so entstehen aus den gesendeten Textnachrichten soziale Beziehungen, die bei face-to-face Kommunikation wohl nicht möglich wären. Das dabei jeder versucht, dieses Spiel zu gewinnen, macht die Spannung von „The Circle“ aus und der Fakt, dass es vielen Mitspielern ganz unbewusst gelingt, das Herz des Zuschauers zu gewinnen.
Über das Ende von „The Circle“ kann man sich streiten, denn in einer Art von Gala zeigen sich alle Mitspieler den anderen und natürlich hat danach jeder schon gewusst was los ist, aber das ist vielleicht eine schöne Einsicht, was sich bei dem Ausgleiten von der virtuellen Welt in die reale persönliche Kommunikation bewegt. Eine tatsächlich sehr sehenswerte Show.