Am 31. August 1997 starb Prinzessin Diana bei einem Autounfall, was ein enormes mediales Echo hervorrief. Ich erinnere mich, an jenem Tag auf der Internationalen Funkausstellung gewesen zu sein. Überall flimmerten die neuesten Fernseher und überall sah man Bilder des Unfalls und ein Gefühl tiefer Abscheu überkam mich, wie sehr das Schicksal einer Frau, die mir bisher eigentlich ziemlich egal war, global medial breitgesendet wurde. Ich fing an, Medien zu misstrauen, denn das Entsetzen und die Trauer erschien mir gespielt, weil man gleich im Anschluss an die dick aufgetragene Gefühlssoße, die neusten Bilder und Entwicklungen zeigen wollte oder die eine Millionste Emotion breitdrückte.
Es war auch in jener Zeit, als erste Fernsehformate wie „Canale Grande“ auf Vox oder „Zapp“ im NDR auftauchten, welche als Medienmagazine über die Rolle der Massenmedien sprachen und ich sah diese Sendungen mit großem Interesse, denn hier konnte ich mein kritisches Bewusstsein füttern. Es waren wohl die Tage und Jahre ganz am Anfang einer damals noch unbemerkten Revolution, der digitalen Veränderung unseres Lebens, die uns bis heute die Welt auf ein handtellergroßes Gerät brachte, mit der Möglichkeit, jeden Blickwinkel menschlicher Interpretationsmöglichkeiten auf den Planeten abzurufen.
Das hat viel verändert. Wenn heute über Medien gesprochen wird, dann sehr gern in einem abschätzigen Ton. „Mainstream-Medien“, die auf die eine oder andere hinterlistige Art zu versuchen scheinen, uns zu manipulieren, aber zum Glück hätte man ja diesen einen, total authentischen Artikel im Netz gefunden, der uns davor warnt. War ich nach dem Tod Diana erschüttert und stellte die Rolle der Medien in Frage, so sehr bin ich nun von einer Tendenz des heutigen Zeitgeistes erschüttert, der allen glauben an vorgesetzten Informationen negiert, diesen glauben aber interessanterweise nicht in Frage stellt. Es ist an der Zeit zu hinterfragen, was passiert da? Welche Rolle spielen Medien, was hat sich verändert? Wie wird unsere Welt heute vermittelt?
Stephan Russ-Mohl informiert uns in seinem 2017 erschienenen Buch wie die Digitalisierung unsere Medienwelt verändert hat. Dabei gelingt ihm eine sehr gute Einführung in das Thema und man wünscht sich jeder „Lügenpresse“ Argumentensammler würde sich tatsächlich über die Veränderungen klar machen, die wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben. Sehr verkürzt könnte man für diese Zeit zusammenfassen, dass heute die Anzahl der Informationen ins Unermessliche gestiegen ist, während sie in Vor-Internetzeiten überschaubarer war. Dabei haben die traditionellen Medien, die großen Tageszeitungen und TV-Anstalten Konkurrenz bekommen von sozialen Medien, die das Angebot an Informationen dramatisch erhöht haben. Nach dem von Russ-Mohl zahlreich zitierten Georg Frank (den ich auch auf meine Leseliste nehme), leben wir daraufhin in einer „Aufmerksamkeitsökonomie“, in welcher es nicht mehr um die Plausibilität von Informationen, sondern nur noch um Gehör im Gewirr der vielfältigen Informationen geht. Gleichzeitig schlingern die traditionellen Medien in eine finanzielle Krise und erleiden einen massiven Vertrauensverlust, während traditionelle PR-Agenturen nicht mehr auf die Vermittlung in den Medien angewiesen sind und neue Wege finden, für ihren Auftraggeber Informationen so gut wie möglich zu platzieren. Dazu gesellt sich immer mehr ein fantasievoller und gefährlicher Mix aus Desinformation, der immer dynamischer durch den gesellschaftlichen Diskurs getragen wird.
Russ-Mohls Buch liest sich dabei wie eine wahrgenommene Dystopie und tatsächlich sind seine Diagnosen, gerade wenn es um die Rolle der heutigen „Massenmedien“ geht, erhellend und beängstigend zugleich, auch weil er viele Versäumnisse der Massenmedien aufzeigt. Allerdings wird dieses Buch schwer lesbar und manchmal kaum zu ertragen, wenn der Autor sich herausnimmt Populisten zu kritisieren, aber die eigene Deutungshoheit mit teilweise äußerst ärgerlich populistischen Einschätzungen abzustützen oder mit einem Blick auf Europa Fake News und Desinformation anzuprangern und dabei als Quelle auf E-Mails von Kollegen abzustellen, was für den Leser ziemlich komisch wirkt. Denn es wird ihm erzählt wie in anderen Ländern (natürlich von bösen Schergen) desinformiert und gelogen wird und wieviel Leute dann diesen Informationen trauen, gleichzeitig bekommt man als Quellen nur unüberprüfbare Quellen mit der Kennung „E-Mail von … an den Verfasser“. Das wirkt so, wie wenn im Kindergarten zwei Kinder sich streiten und diese zu ihrer Verteidigung ein weiteres Kind als Kronzeugen aufrufen. Nicht das ich prinzipiell den Worten von Russ-Mohl nicht traue, aber wenn es darum geht, andere zu kritisieren, dann sollte versucht werden, bessere Methoden anzuwenden, als die, die ich kritisiere.
So bleibt ein Gesamteindruck des Buches, dass sich an einigen spannenden Stellen verweigert weiterzudenken, wie bei der Frage, wie wir weltweit noch mit Informationen umgehen, in einer zunehmend relativistisch postmodernen Gesellschaft des „anything goes“, in der überall ein Körnchen Wahrheit steckt, aber der Wahrheitsgehalt scheinbar nicht mehr durch Überprüfbarkeit ermittelt wird, sondern durch emotionale Anschließbarkeit der Kommunikation. Es sind diese Fragen, die weiter aufgespürt werden sollen, für den Anfang war Stephan Russ-Mohls Buch, aber ein sehr solider Einstieg ins Thema.