So ganz langsam lese ich mich durch das Universum T.C. Boyles. Sein 2015 im Original als „The Harder They Come“ erschienener Roman „Hart auf Hart“ beleuchtet, so wie man es aus Boyles Romanen kennt, an drei Figuren, einen Aspekt US-amerikanischer Gesellschaft.
Wir sind in der Gegenwart mit den Stensons auf einer luxuriösen Kreuzfahrt, die sich einen Landgang genehmigen. Es soll in den Dschungel Costa Ricas gehen, als die kleine Reisegruppe, allesamt Pensionäre, in einen Hinterhalt gelangen und dort ausgeraubt werden. Sten, ehemaliger Schuldirektor und Vietnam-Veteran, fackelt nicht lange und wehrt sich gegen einen Räuber, wobei dieser zu Tode kommt. Zurück in Nordkalifornien wird Sten als Held gefeiert, was ihm ziemlich unangenehm ist. Doch bald holt ihn sein Alltagsleben ein und damit auch die Probleme mit seinem 25-jährigen Sohn Adam, der, um es milde zu formulieren, immer wunderlicher wird, bevorzugt durch den Wald streift, um seinem großen Vorbild, dem Trapper John Colter, nachzueifern. Adam trifft auf Sara, einer Anhängerin des Sovereign Citizen Movement, die davon überzeugt ist, dass der amerikanische Staat ihr schonmal gar nichts könne und sie als freier Bürger über die Straßen Kaliforniens brausen und zu ihren Jobs fahren könne und ob sie dabei angeschnallt ist, oder nicht, wäre einzig und allein ihr Problem und geht mit Sicherheit die Polizei nichts an.
Boyles Buch ist eine Studie unserer Tage und der Tragfähigkeit von staatlichen Konzepten und Ordnungsmacht im Alltag der Individuen. Es scheint dabei eine immer größere Menge von Bürgern zu geben, die den Staat als eine obstruierende Administration ansehen und sich im Abwenden von gesellschaftlichen Regeln ihrer eigenen Freiheit versichern. Das wird im Buch aber nichts als Entstehungsprozess beschrieben, sondern an drei Beispielen immer wieder durchgespielt. Dafür stehen der ehemalige Schuldirektor Sten, der zu seinem (amerikanischen Heimat-) Staat loyal zu stehen scheint, die libertäre Sara, die in einer Endlosschleife wiederholt, sie hätte keinen Vertrag mit dem Staat und man sich fragt, ob sie damit Gesellschaftsverträge wie bei Hobbes oder Rousseau meint, oder lieber die eifrige Wiederholung einer unbestimmten Phrase, wie sie bei Trump so häufig rüberkommt, unter dessen bemühter Regentschaft die eigentlich gar nicht unvernünftige Anglizisme „Dealmaker“ an Überzeugungskraft verlor. Am Ende steht Adam, der immer mehr in Halluzinationen und Geisteskrankheit abdriftet und bei dessen Treffen mit Sara man sich anfangs fragt, ob es Rettung oder Untergang ist.
„Hart auf Hart“ ist eine Beschreibung unserer Tage, die eine Welt darstellt, die sich dem großen Ethos der Freiheit verschreibt und die dadurch eine fast schon allergische Reaktion gegen jede Art von gefühlter Drangsalierung hat. Als Motiv ist das spannend erzählt, allerdings unter Auslassung des sonst für Boyle nicht untypischen Humors. Ein Roman, der nicht eine einzige witzige Stelle hat, eine harte Beschreibung unserer Tage, die nur wenig Hoffnung lässt und die eigenwillig düster wirkt.