Die erste Staffel der Mini-Serie „Fargo“ habe ich Ihnen ja bereits zu Beginn des Jahres vorgestellt. Gestern endete die 2.Staffel, die man bei netflix seit dem 14.Oktober im wöchentlichen Turnus sehen konnte. Wie für eine Mini-Serie üblich, mit einem abgeschlossenen Handlungsrahmen und einer nur für diesen, engagierten Schauspielercrew. Schon die erste Staffel, der von den Coen-Brüdern produzierten Serie, setze hohe Maßstäbe. Diese jedoch wurden fast pulverisiert, denn Staffel zwei setzt einen neuen Gradmesser im Bereich Mini-Serien im Krimiformat.
Wir blicken zurück in das Jahr 1979. Die ganze USA ist in eine Depression gelangt, alles scheint sich zu verschlechtern und man wartet auf einen Wandel, vielleicht ja sogar einen Wandel zum Guten. Dieses Warten wird gleich in der ersten Szene thematisiert, als die Schauspieler eines Filmsets der 1930er Jahre, dass die Schlacht von Sioux Falls inszenieren möchte, auf den neuen Hauptdarsteller, Ronald Reagan warten. Doch dieser lässt auf sich warten und ist noch in der Maske, während die anderen im frostigen Wind frieren. So in etwa stellt sich die gesellschaftliche Situation dar, in der wir uns nicht nur im kalten Norden der USA befinden. Unzufriedenheit allenthalben.
Der größte Verbrecherclan Fargos, die Gerhardts, erleben gerade einen einschneidenden Moment, als der Familienpatriarch Otto einen Schlaganfall erleidet. Doch es soll noch schlimmer kommen, denn seine Frau Floyd (Jean Smart) muss nicht nur die nun aufkeimenden Machtansprüche der Söhne Dodd (Jeffrey Donavan) und Bear (Angus Sampson) bändigen, sie muss auch ihren Jüngsten Rye (Kieran Culkin) finden, der verschwunden ist, als er einer Richterin Druck machen wollte. Und dann ist da noch die Mafia aus Kansas-City, mit ihrem Abgesandten Mike Milligan (Bokeem Woodbine) die Anspruch auf die Geschäfte im hohen Norden anmelden. Günstigerweise hat man noch mit dem trickreichen und loyalen Killer Hanzee Dent (Zahn McClarnon) eine indianische Geheimwaffe im Familienarsenal.
Das alles sollte eigentlich die Familie von Polizisten Ben Solverson (Patrick Wilson) nur wenig beeinflussen, denn diese hat gerade ganz eigene Probleme, in dem weit abgelegenen Örtchen Luverne. Seine Frau Betsy (Cristin Milioti) hat Krebs und ob die Therapie sie heilen kann, ist alles andere als klar. Das besorgt ebenso Betsys Vater Hank Larson (Ted Danson), denn er ist schließlich Großvater von Eds und Betsys sechsjähriger Tochter Molly (Raven Stewart). Auch Fleischermeister Ed Blumquist (Jesse Plemons) und seine Frau Peggy (Kirsten Dunst) sollten eigentlich in aller Ruhe im beschaulichen Luverne leben können. Doch dann kommt es zu einem Kapitalverbrechen im „Waffle Hut“ Diner des Ortes und mit ihm beginnen sich die Ereignisse immer schneller zu drehen. Ereignisse die nicht nur Luverne, sondern auch Fargo und Sioux Falls in den Strudel des Verbrechens ziehen.
Die 2.Staffel von Fargo ist vor allem eines. Sie ist eine wunderbar spannende Krimi-Serie, die im Mafia-Milieu des kalten Nordens der USA spielt. Doch sie ist gleichzeitig noch viel mehr. Denn sie spielt mit dem Zuschauer und zwar auf wunderbar hohem Niveau. Das beginnt mit dem obligatorischen Hinweis, dass alle Ereignisse der Serie auf wahren Begebenheiten beruhen (wie auch im Film Fargo und in der 1.Staffel), was selbstverständlich so nicht stimmt. Das setzt sich fort, über wundervoll gewählte Episodentitel, die sich auf künstlerische Werke der letzten Jahrhunderte beziehen. So heißt der Titel der 1.Staffel beispielsweise: „Warten auf Dutch“, was sich sowohl auf Samuel Becketts „Warten auf Godot“ bezieht, als auch auf den Spitznamen von Ronald Reagan, der „Dutch“ genannt wurde. Und dies endet nicht nur in einem, gerade im 2.Teil der Staffel, zunehmenden Aufbrechen der Erzählstruktur, das aber nicht beliebig wirkt, sondern immer der Story gemäß angepasst ist und die, ähnlich der 1.Staffel, eine ganz eigene Platzierung eines spektakulären Finales vornimmt (die aber dort weniger gelungen erscheint, wie hier). Selbstverständlich ist die 2.Staffel auch voller schwarzem Humor, aber auch mit tief-bestürzender Tragik. Ganz nebenbei handelt es fast schon philosophisch zu nennende Themen ab, so wie mit der Frage, wie Lebensentwürfe geplant und immer wieder neu angepasst werden müssen (siehe nur als Beispiel: Peggy, Ed, Betsy und gegen Ende besonders Mike Mulligan) oder wie ungeplante Ereignisse unser Leben immer wieder neue Bahnen geben können (es werden Lichter am Himmel auftauchen!).
Das macht die 2.Staffel von Fargo zu einem großartigen Serienereignis, schauspielerisch vielleicht dieses Jahr noch übertroffen von „True Detective“ (nach dessen Ende der 1.Staffel, war ich der Meinung, dass so schnell eine bessere Serie nicht mehr kommen wird und ich kann mit großem Glück behaupten, dass ich falsch lag), keinesfalls aber auch nur annähernd erreicht von seiner Dramatik her. Großartiger Serien-Genuss der Maßstäbe setzt.