Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Bandbreite menschlicher Beziehungen ist mannigfaltig. Freundschaften sind dabei ein nicht unerheblicher Teil. Für viele Menschen sind sie der Ankerplatz der Existenz, für andere unnötiger Ballast, auf dem wellenartigen Ritt des Lebens. Haruki Murakamis 13. Roman, der 2013 erstmals veröffentlicht wurde, widmet sich dem Thema Freundschaft und wie diese sich von losen Bekanntschaften an einem Ende und von attraktiven Begehren am anderen Ende unterschieden können.

Der 36-jährige Eisenbahningenieur Tsukuru Tazaki lebt in Tokyo und baut Bahnhöfe, was sein Traumberuf seit Jugendjahren war. In diesen Jugendjahren war er Teil einer Clique, die mit ihm aus jeweils zwei weiteren Jungen und Mädchen bestand und die damals für alle fünf der wichtigste Teil ihres Lebens war. Als Tsukuru wegen des Studiums nach Tokyo zog und die anderen vier in Nagoya (einer Stadt rund 350km westlich von Tokyo) blieben, kann die freundschaftliche Beziehung zunächst aufrechterhalten werden, bis sie eines Wochenendes plötzlich zerbricht und Tsukuru ohne Gründe aus der Gruppe ausgeschlossen wird. Das bedeutet fast das sein Ende und der damals 20-jährige Student ist kurz davor, nicht mehr weiter leben zu können. Doch seine Erfahrung mit dem Tod bleibt annähernd und er fängt nach einem halben Jahr ein neues Leben an. Doch die Narbe, einfach nie wieder Kontakt zu seinen besten und einzigen Freunden zu haben bleibt und vergräbt sich tief in seinem Herzen. Mitten in seinen 30er Jahren angekommen, ist es eine Frau, die diese Narben neu aufbricht, den Tsukuru hat sich in die zwei Jahre ältere Sara verliebt. Sie sieht den Schatten der verlorenen Freunde auf seiner Seele und möchte, das Tsukuru die in Erfahrung bringt, warum er so einfach von seinen Freunden ausgeschlossen wurde. Dafür soll er zurück nach Nagoya reisen und mit allen von ihnen reden.

„Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ist ein Roman über Selbstfindung, die Verluste von Menschen, die einem sehr viel bedeuten im Leben und zu was uns diese Verluste führen und ein Buch über die Frage, was Freundschaften uns bedeuten und was wir für diese und für die Liebe tun. Wie bei Murakami gewohnt ist dabei wieder eine gehörige Portion europäische Kultur involviert, so ist beispielsweise der Titel des Romans eine Referenz auf einen Klavierzyklus von Franz Liszt, die Années de pèlerinage (dt. „Pilgerjahre“), in welchem ein Lied „La mal du pays“ (dt. „Heimweh“) immer wieder im Roman auftaucht, welches Sie hier hören können:

Aber solche Referenzen sind leider nur nettes Beiwerk eines – in aller Freundschaft gesagt – mittelmäßigen Romanes. Wie immer bei Murakami liest das etwas über 300 Seiten starke Buch sehr flüssig. Leider ist es aber wenig überraschend, ja geradezu trocken geschrieben. Seine Einlassungen zu den behandelten Themen, insbesondere natürlich Freundschaft, sind teilweise eher platt, wie beispielsweise eine komische Betonung einer Seins-Haftigkeit von Freundschaft (als wenn man für immer Freunde sein könnte, auch wenn man nie wieder Kontakt mit der anderen Person hätte, was ist eine Freundschaft, wenn sie nur noch Idee ist?). Manchmal ist Murakami sogar ärgerlich, wie bei mehrfach erwähnten und irgendwie ärgerlich antiquiert wirkenden Bemerkungen, dass nur Frauen bestimmte Gefühle oder Wahrnehmungen entwickeln könnten (wenn dem wirklich so wäre, was ich stark bezweifeln möchte, warum sollten gerade männliche Autoren über das terra incognita der eigenen Wahrnehmung schreiben, was nur wieder zu einer verquasten Überhöhung scheinbar unsichtbarer Möglichkeiten führt?). Kein wirklich beeindruckender Roman, der eine Atmosphäre aufbauen will, die mich nie wirklich fängt (obwohl ich einige Themen ganz wundervoll finde, wie den ständig Züge auf Bahnhöfen beobachtenden Tsukuru) und der manchmal eine Zurückhaltung (gegebenenfalls japanisch kulturell begründete?) bei Emotionen erzählt, die nur sehr schwer verständlich erscheint. Kein Grund nicht weitere Werke, dieses großartigen japanischen Erzählers zu lesen, aber der bisher schwächste Roman, der mir von ihm in die Hände fiel.

 

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