Nur wenige Zeilen hat sein Abschiedsbrief, was soll man auch der Welt mitteilen, wenn diese höchstwahrscheinlich nie Notiz davon nehmen wird. Alles ist verloren, der Kampf, das Leben, die Hoffnung. Mit wenigen Zeilen aus dem Off, vorgelesen von einem einsamen Segler (Robert Redford) beginnt „All is Lost“, dem derzeitig in den Kinos laufenden zweiten Film von J.C. Chandor. Und mit diesen Sätzen sind nicht nur der Großteil der Worte des Films gesagt, es sind auch einzigen philosophischen Implikationen die in den nächsten 106 Minuten folgen werden. Wir erleben darin ein Katastrophen-Kammerspiel auf hoher See, einen Mann der allein den Indischen Ozean durchsegelt und aufgeweckt wird, weil in sein Boot Wasser eindringt. Ein verlassener Container hat seine Yacht gerammt und einen tiefen Riss in die Seitenwand getrieben, dass Wasser hat die gesamte elektronische Ausrüstung zerstört. Dem Segler gelingt es, das Loch notdürftig zu flicken, doch er ist allein auf dem Ozean und Hilfe scheint so unendlich fern zu sein. Viel näher ist da das nächste Unwetter. Und so treibt unser Segler auf den Weiten des Meeres und jedem Schritt vorwärts, jeder noch so kleinen Chance auf Rettung, folgen zwei Schritte zurück, in die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit, die Einsamkeit (wir reden hier von einer allumfassend, kaum ertragbar zu scheinenden Einsamkeit, nicht zu vergleichen mit der Einsamkeit unseres individualisierten Lebens, dass uns in Nahverkehrsfahrzeugen auf dem Weg zur Arbeit oder in Supermärkten zeigt wie einsam wir alle zusammen sind, die Einsamkeit des Segler ist total, sie ist nicht nur psychisch, sondern physisch, eine Art Gefangenheit in der riesigen Freiheit).
J.C. Chandor (man erinnere sich an sein sehr beachtliches Kinodebüt „Margin Call“) legt mit „All is Lost“ einen erstaunlichen Film vor. Trotz fehlender Gespräche (das Publikum im Kino sagte häufiger und teilweise lauter „Schei…“ als der Hauptdarsteller im Film) und nur einer einzigen handelnden Person und ohne große Spezialeffekte, ist „All is Lost“ ein ergreifender und niemals langweiliger Film. Er kommt fast ohne Soundtrack aus und lebt von den hunderten unterschiedlichen Klängen des Wassers. Robert Redford, der es schafft ohne einen Satz, soviel über seine Person zu sagen ist eine außergewöhnliche Leistung gelungen, denn obwohl man sich selbst kaum in einer so einsamen Lage vorstellen kann, ohne unentwegt mit sich selbst zu reden, schafft er es sehr glaubhaft einen ruhigen und schon etwas älteren Mann auf See zu spielen, der allein ist mit seinem Schicksal und für den weitere Worte keinen Wert haben, sondern nur die Tat (die aber, so berichten Segelkundige im Internet nicht immer die Richtige ist). Ein Film, der wie schon gesagt, eigentlich ohne große philosophische Botschaft rüberkommt, ein Film, der nur zeigt wie ein Mensch kämpft und sich immer wieder hinterfragt, ob dieser Kampf überhaupt noch Sinn macht und der trotzdem weiter kämpft bis er nicht mehr kämpfen kann (wobei vielleicht auch gerade das wieder Lebensphilosophie ist). Großartiges Kino mit einem Ende, über das man diskutieren kann.