Originaltitel: „À bout de souffle“ | Jahr: 1960 | Regie & Drehbuch: Jean-Luc Godard | Gangsterfilm | Länge: 87min | Location: Paris
Die „kleine Filmakademie“ im Kraftwerk Mitte stellt jeden Monat in einem rund einstündigen Vortrag, ein Thema der Filmgeschichte vor. Diesmal war es „Nouvelle Vague“, die Stilrichtung des französischen Kinos der späten 1950er und 1960er Jahre, über die mir jegliche Kenntnisse fehlten und bei dem ich maximal nur ein paar Namen hätte droppen können, so wie François Truffaut oder Jean-Luc Godard. Dieser geistigen Dämmernis wurde etwas Licht eingehaucht und ein Gefühl dafür geweckt, dass man es mit der Stilrichtung des Nouvelle Vague tatsächlich mit Filmen zu tun hat, die obwohl mittlerweile schon 60 Jahre alt, ein künstlerisches Vermächtnis darstellen.[1]
Die ins Deutsche übersetzte „neue Welle“ von Filmen im französischen Kino, wurde befüllt von jungen Filmemachern, die vorher bereits für die Zeitschrift für Filmkritik „Cahiers du Cinéma“, geschrieben haben und deren Anliegen es war, die ihrer Meinung nach veraltete Formen des Films zu erneuern. Das ist dezidiert keine kommerzielle Sicht auf den Film (wobei die meisten Filme der Nouvelle Vague sehr niedrige Produktionskosten aufwiesen und damit kommerziell recht erfolgreich waren), sondern eine, die den Film als Kunstform ernstnahm, daher als Ausdrucksmöglichkeit über menschliches Leben zu erzählen, gleichzeitig über das eigene Medium nachzudenken, über dessen Möglichkeiten und Geschichte und diese Formen dann innovativ zu erweitern.
„Außer Atem“ gilt als ein Klassiker der Nouvelle Vague und war der erste Langfilm von Jean-Luc Godard. Darin erleben wir den Kleinkriminellen Michel (Jean-Paul Belmondo) der sich durch das Leben gaunert und nach Paris fährt, weil er hier Geld von einem Schuldner eintreiben möchte. Vielleicht genauso wichtig für ihn ist aber ein Wiedersehen mit der amerikanischen Studentin Patricia (Jean Seberg), denn obwohl Michel die Coolheit in Person darstellt und er Frauen eher zur Bedürfnisbefriedigung und als Kreditoren benutzt, kommt er von Patricia wiederum nicht los.
Die Geschichte dieses Gangsterfilms ist damit auch schon fast erzählt und bedarf eigentlich keiner weiteren Erwähnung, außer das die Grundstimmung des Filmes, das einer Hatz ist. Denn auf seinem Weg nach Paris, sah sich Michel gezwungen einen Polizisten zu erschießen, da sein geklauter Wagen bei einer Verfolgungsjagd eine technische Panne hatte. Was „Außer Atem“ sehenswert macht, ist weniger die erzählte Geschichte als die Art und Weise, wie diese erzählt wird. Das passiert in kurios inszenierten Szenen, denn Michel wird gleich zu Beginn des Filmes zum Polizistenmörder, ohne dass man seine Tat wirklich sieht. Viele Dialoge wirken teilweise eigentümlich platt, ja nicht einmal richtig aufeinander bezogen, haben dann aber wieder eine Tiefe die beeindruckt. Der Film wirkt phasenweise rasant, verliert sich dann aber endlosen Szenen in der Wohnung Patricias, wo eine Liebesgeschichte erzählt werden soll, die man heute wohl so nicht mehr in dieser Form darstellen würde. Der Film ist schnitttechnisch mit Jump-Cuts durchsetzt, die immer wieder die Kontinuität der Erzählung brechen und selbst wenn diese Form der Bilderzählung heute zu den Sehgewohnheiten gehören (man denke nur an die Filmform der Musikvideos), bemerkt man diese Bildsprünge – hier in ihrer Frühform angewendet – immer noch sehr deutlich.
Allein diese wenigen Beispiele machen deutlich mit „Außer Atem“ einen besonderen Streifen zu sehen. Einem Film der mehr ist als eine (zumindest heute etwas ungewöhnlich anmutende) Gansterstory. Er ist ein Teil der Filmgeschichte, der uns nicht nur aufzeigt wie alt dieses Medium schon ist, sondern auch wie vielfältig es sein kann und wie unterschiedlich man sich innerhalb dieses Mediums ausdrücken kann.
Auch wenn „Außer Atem“ vielleicht heute etwas von einer gewissen Aura lebt, so ist er doch auch ein Film, der viel mehr ist als ein Zeitfenster dessen Öffnen nur Berieselung ergibt. So gesehen ist „Außer Atem“ eine Art von Pflichtlektüre für jeden Filminteressierten und ich bin der Filmakademie dankbar diesen Teil des Curriculums geöffnet zu haben.
[1] An dieser Stelle sei als Anmerkung erlaubt, dass ich den Stil der Vorträge in der Filmakademie tatsächlich etwas schwer nachzuvollziehen finde. Die filmischen Beispiele sind mir etwas zu lang (obwohl Nacktszenen mit Brigit Bardot angeblich gekürzt wurden! Ich werde das prüfen müssen!) und ich habe danach weniger das Gefühl wirklich zu wissen, wie dieses Thema sich inhaltlich von anderen Themen absetzt. Aber ich gehe – vielleicht etwas verwirrt – mit einem Verlangen aus den Veranstaltungen, mich mit dem Thema näher beschäftigen zu wollen. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn und Zweck der Filmakademie, nicht die Erklärung der Welt, sondern das Aufzeigen ihrer unterschiedlichsten Formen und anschließend deren subjektives Entdecken. Und wenn dies so gewollt war, dann kann ich nur bestätigen, dass mich ein Hunger gepackt hat, mehr über die Filme der Nouvelle Vague erfahren zu wollen. Und wie stark dieser Hunger war, wird sich letztendlich auch in diesem Blog abbilden.