Paulstadt ist eine Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo einer konturfreien Provinz. Harry Stevens kommt jeden Tag auf den Friedhof, um hier zu sitzen und die Stimmen der Toten zu hören und auch wenn er sie nicht verstehen kann, so malt er sich aus, was diese Stimmen sagen könnten. Und so sprechen die Toten von Paulstadt, von ihrem Leben, von ihren schönsten Tagen, von Begegnungen mit anderen Menschen oder von ihrem Sterben. „Robert Seethaler – Das Feld“ weiterlesen
Autor: tommr
Was vom Tage übrig blieb
Originaltitel: „The Remains of the Day“ | Jahr: 1993 | Regie: James Ivory | Spielfilm | Länge: 134min | Location: aristokratischer englischer Landsitz in den 1930er und 50er Jahren
Darlington Hall ist ein traditionsreicher Landsitz in England. Chefbutler James Stevens (Anthony Hopkins) leitet die Geschicke des Personals schon sein gesamtes Berufsleben. Immer stand er für Lord Darlington (James Fox) zur Verfügung, doch dieser starb kürzlich einsam und verbittert, da er vor dem 2.Weltkrieg mit den Nationalsozialisten in Deutschland sympathisierte. Der neue Besitzer, der Amerikaner Jack Lewis (Christopher Reeve), kaufte das Schloss, auch weil er hier schon in den 1930er Jahren vor den Folgen einer zu freundlichen Politik gegenüber Nazi-Deutschland warnte und dabei Haus und Personal kennenlernte. Damals gehörte auch Miss Kenton (Emma Thompson) als Haushälterin zu diesem. Gemeinsam mit Mr. Stevens leitete sie das Personal in den 1930er Jahren, in einer Zeit als Darlington Hall Treffpunkt zahlreicher außenpolitischer Gesprächsrunden war. „Was vom Tage übrig blieb“ weiterlesen
Stephan Russ-Mohl – Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde
Am 31. August 1997 starb Prinzessin Diana bei einem Autounfall, was ein enormes mediales Echo hervorrief. Ich erinnere mich, an jenem Tag auf der Internationalen Funkausstellung gewesen zu sein. Überall flimmerten die neuesten Fernseher und überall sah man Bilder des Unfalls und ein Gefühl tiefer Abscheu überkam mich, wie sehr das Schicksal einer Frau, die mir bisher eigentlich ziemlich egal war, global medial breitgesendet wurde. Ich fing an, Medien zu misstrauen, denn das Entsetzen und die Trauer erschien mir gespielt, weil man gleich im Anschluss an die dick aufgetragene Gefühlssoße, die neusten Bilder und Entwicklungen zeigen wollte oder die eine Millionste Emotion breitdrückte.
Es war auch in jener Zeit, als erste Fernsehformate wie „Canale Grande“ auf Vox oder „Zapp“ im NDR auftauchten, welche als Medienmagazine über die Rolle der Massenmedien sprachen und ich sah diese Sendungen mit großem Interesse, denn hier konnte ich mein kritisches Bewusstsein füttern. Es waren wohl die Tage und Jahre ganz am Anfang einer damals noch unbemerkten Revolution, der digitalen Veränderung unseres Lebens, die uns bis heute die Welt auf ein handtellergroßes Gerät brachte, mit der Möglichkeit, jeden Blickwinkel menschlicher Interpretationsmöglichkeiten auf den Planeten abzurufen.
Das hat viel verändert. Wenn heute über Medien gesprochen wird, dann sehr gern in einem abschätzigen Ton. „Mainstream-Medien“, die auf die eine oder andere hinterlistige Art zu versuchen scheinen, uns zu manipulieren, aber zum Glück hätte man ja diesen einen, total authentischen Artikel im Netz gefunden, der uns davor warnt. War ich nach dem Tod Diana erschüttert und stellte die Rolle der Medien in Frage, so sehr bin ich nun von einer Tendenz des heutigen Zeitgeistes erschüttert, der allen glauben an vorgesetzten Informationen negiert, diesen glauben aber interessanterweise nicht in Frage stellt. Es ist an der Zeit zu hinterfragen, was passiert da? Welche Rolle spielen Medien, was hat sich verändert? Wie wird unsere Welt heute vermittelt? „Stephan Russ-Mohl – Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde“ weiterlesen
Green Book
Jahr: 2018 | Regie: Peter Farrelly | Tragikomödie | Länge: 131min | Location: Südstaaten der USA in den 1960ern
Das Entstehen von ungewöhnlichen Freundschaften zu verfilmen, gilt ähnlich der Darstellung von Menschen, die sich ineinander verlieben, zu den beliebtesten Motiven einer Filmerzählung. Deshalb wäre es mir eigentlich auch nicht eingefallen, „Green Book“ zu schauen, der die Freundschaft zwischen zwei Männern beschreibt, die sich auf einer Konzertfahrt in den Süden der USA näher kennenlernen, aber da der Film den Oscar 2018 für den besten Film gewann, wollte ich mal einen Blick riskieren. „Green Book“ weiterlesen
Dirk van Laak – Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft. Geschichte und Zukunft der Infrastruktur
Straßen, Plätze, Abwasserleitungen, Funkmasten, Stromleitungen… Unsere Welt ist voller Infrastruktur. Sie bestimmt unser Leben, sie leitet es in Bahnen und bleibt gleichzeitig unsichtbar, wenn Sie funktioniert. Eine Geschichte der Infrastruktur interessierte mich daher sehr und mit großer Freude nahm ich Dirk van Laaks Buch zum Thema zur Hand. „Dirk van Laak – Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft. Geschichte und Zukunft der Infrastruktur“ weiterlesen
T.C. Boyle – Drop City
Die 1970er Jahre sind angebrochen und in der Hippie-Kommune Drop-City findet der ganz normale Hippie-Alltag statt; Drogen, freie Liebe, gemeinsame Essenzubereitung und Verspeisung, eine gesunde Skepsis bezüglich des kapitalistischen Systems bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von sozialstaatlichen Leistungen. Wechselnde Bewohner und Besucher kommen nach Drop City auf der Suche nach einem Leben, das versucht dem konformen Dasein eine Alternative aufzuzeigen, oder besser noch, diese Alternative in vollen Zügen zu leben.
Star und Pan sind schon eine kleine Weile im Camp, nachdem sie von der Ostküste hier nach Kalifornien gekommen sind. Während Star ihr Leben, der Freiheit des eigenen Lebensentwurfes widmet, ist Pan eher der hedonistische Typ, der Drogen und andere „Weiber“, so die offizielle Terminologie für Frauen im Camp, ausprobiert. Dazu gesellt sich Marco, Neuankömmling in Drop City, der ein neues Leben beginnen will, weil er vor seinem alten Leben reißaus genommen hat. Und so leben sie in den Hippie-Tag hinein unter der Sommersonne irgendwo im Sonoma County im Norden Kaliforniens.
Sehr viel weiter im Norden der USA, in Alaska, ist der Sommer eher kurz, aber heftig. In Boynton, einer Siedlung die man ohne Übertreibung als das letzte Nest, vor dem Nichts bezeichnen kann, holt der Einsiedler Sess Harder eine Frau ab, die sich als potenzielle neue Lebenspartnerin entpuppen könnte. Pamela möchte ein Leben in der Wildnis führen und schaut sich drei Kandidaten für je drei Tage an, um dann zu entscheiden, mit wem sie den Rest ihrer Tage verbringen möchte. „T.C. Boyle – Drop City“ weiterlesen
Marcus Hernig – China. Ein Länderporträt
Nachdem die letzte Lektüre über China von Stefan Baron mich nicht wirklich überzeugte, war ich erfreut ein weiteres ungelesenes Buch in meiner Bibliothek zum Thema China zu finden (die Bundes- bzw. Landeszentralen für politische Bildung sind beim Thema China glücklicherweise großzügig mit Veröffentlichungen). „Marcus Hernig – China. Ein Länderporträt“ weiterlesen
Stefan Baron und Guangyan Yin-Baron – Die Chinesen. Psychogramm einer Weltmacht
China ist momentan ein beliebter Themenschwerpunkt von negativ konnotierten Nachrichten. Die Chinesen produzieren global agierende Vieren, überwachen ihre Bürger und frönen einen Hyperkapitalismus und nennen das Ganze Kommunismus.
Es ist an der Zeit sich ein etwas genaueres Bild zu machen, vom bevölkerungsreichsten Staat der Welt und einer Kulturnation, die historisch soweit zurück geht, dass man selbst als stolzer Europäer neidvoll nach Osten schaut. „Stefan Baron und Guangyan Yin-Baron – Die Chinesen. Psychogramm einer Weltmacht“ weiterlesen
Rafael Chirbes – Am Ufer
In der Buchhandlung „La Batisfera“ in Valencias meeresnahen Stadtteil Cabanyal werden einige Bücher noch mit einer Papierschärpe ummantelt und mit einer kleinen Inhaltsangabe versehen. Ich mag so etwas sehr und wenn auf dem Papierchen dann noch steht, es würde sich um Spaniens feinsten Autoren handeln, dann bin ich angefixt. „Rafael Chirbes – Am Ufer“ weiterlesen
Sex Education
Idee: Laurie Nunn | Dramedy-Serie | 16 Folgen in den ersten beiden Staffeln | veröffentlicht 2019 auf netflix
Otis Milburn (Asa Butterfield) hat es nicht gerade leicht. Er ist Mitten in der Pubertät, einer Zeit in der sich Fragen zum Umgang mit dem eigenen Körper und den mit anderen Personen intensivieren. Man sollte meinen, dass da der Ratschlag seiner Mutter Dr. Jean Milburn (Gillian Anderson) weiterhelfen könnte, aber Jean ist Sexualtherapeutin und ihr allzu offener Umgang mit dem Thema verklemmt Otis mehr als das es ihm nützt, wobei er diese Ratschläge trotzdem gern anderen Jungen und Mädchen seiner Zielgruppe anbietet, solange es nicht um ihn selbst geht. So bleibt sein bester Freund Eric (Ncuti Gatwa), dem er sich anvertraut und da ist Maeve (Emma Mackey), das wunderschöne, aber immer etwas abweisende Mädchen in der Schule, dass Otis für einen Plan gewinnen möchte. „Sex Education“ weiterlesen