Als ich letztes Jahr zur Buchmesse in Frankfurt bei der Veranstaltungsreihe „Open Books“ war, so kamen die Beweggründe vorwiegend aus einem großen Interesse für Thomas Glavinic heraus, der mit seinem Roman „Das größere Wunder“ auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis stand. Ich kannte den Namen Glavinic schon, wusste aber nicht mehr genau woher, ob aus der Zeitung oder von verdrängten Buchrezessionen. Auf jeden Fall war er mir sympathisch bei seiner Buchpräsentation, nur leider fand ich, das eigentlich Präsentierte, nämlich Auszüge aus „Das größere Wunder“ viel weniger spannend und interessant als die Texte von Peter Stamm, der unmittelbar vor Glavinic vorgetragen hatte. Trotzdem riss mein Interesse nie ganz ab, denn wer lässt sich schon negativ von einem 10minütigen Vorlesen etwas ganz vergrätzen. In diesem Sommer, der dem körperlichen Gebrechen Tribut zollen muss und dadurch jede Menge Zeitreserven bereit hält, bestellte ich mir eines der älteren Werke von Glavinic, wie immer bei einem Internet 2.Hand Buchladen (was mir übrigens für meinen Lieblingsbuchhändler irgendwie Leid tut, aber trotzdem viel billiger ist). „Thomas Glavinic – Die Arbeit der Nacht“ weiterlesen
Autor: tommr
Daniel Kehlmann – Ich und Kaminiski
Selten wurde die Figur einer „dummen Sau“ mal so treffend beschrieben wie in Kehlmanns Roman „Ich und Kaminski“. Wir begleiten dort Sebastian Zöllner, der sich als Kunstjournalist einen Namen machen möchte. Dafür hat er einen schönen Plan entwickelt. Er möchte eine Biographie über den Maler Manuel Kaminski schreiben, früher einmal berühmt, jetzt aber vollkommen erblindet und kurz vor seinem Tod stehend. Für Zöllner die Möglichkeit mit dem baldigen Ableben des alten Mannes, sofort mit dem richtigen Buch auf den Markt zu kommen.
Zöllner ist die „dumme Sau“, wie sie im Buche steht. Eitel und von solcher Selbstüberschätzung das einen bei Lesen der Mund offen stehen bleibt. Fehler machen für ihn selbstredend nur die Anderen und das wird denen von Zöllner sofort auch klar gemacht. Seine eigenen Handlungen und Kommentare sind dafür aber immer lustig und sehr gewieft, zumindest sieht er es selbst so und hat keine Probleme, dass anderen Leuten breit ausschmückend mitzuteilen. Und so trifft dieser Jung-Egomane auf Kaminski. Dieser war selbst einmal ein verschrobener Ich-fixierter Malerkauz, der immer irgendwie vor seinem ganz großen Durchbruch stand, heute jedoch nur noch eine Mischung aus Senil und Verschlagen ist und dessen größte Begabung es neben dem Malen ist, andere Leute sich von ihm abhängig zu machen. „Daniel Kehlmann – Ich und Kaminiski“ weiterlesen
Peter Stamm – Agnes
„Agnes“ ist der Debütroman des Schweizer Schriftstellers Peter Stamm aus dem Jahr 1998. Das ich seine Kurzgeschichten sehr mag, erwähnte ich bereits. So ist es an der Zeit auch mal sein Romanwerk näher zu betrachten und da kam es gerade Recht, dass der Roman nicht nur mir empfohlen wurde, sondern auch recht günstig im 2.Hand-Internetladen zu haben war.
Bei „Agnes“ haben wir nicht direkt einen Liebesroman vorliegen, auch wenn es um eine Liebesbeziehung geht und zwar die, eines Schweizer Sachbuchautoren (gleichzeitig der Ich-Erzähler) und einer amerikanischen Promotionsstudentin, die sich beide in einer Bibliothek in Chicago treffen. Wir verfolgen den Werdegang ihrer Beziehung und ihr Scheitern. Oberflächlich ist damit auch schon der Inhalt nacherzählt, trotzdem ist „Agnes“ ein bewegendes und vielschichtiges Buch, dass sich nicht für eine schnelle oder einseitige Interpretation des Inhalts eignet. „Peter Stamm – Agnes“ weiterlesen
Breaking Bad
Stellen sie sich vor, sie sind ein guter Mensch (das fällt ihnen hoffentlich nicht allzu schwer). Sie haben ein gutes Herz und sie lieben ihre Familie. Ja, auch sie haben Fehler, tun manchmal Schlechtes, es gibt Leute die von ihnen enttäuscht sind, aber im Großen und Ganzen sind sie ein guter Mensch und das Schlechte gehört nicht zu Ihnen, es ist nur ein Teil der Fassade, ein Ausbruch, eine Abweichung der Regel, denn ihr Ziel, ihr Lebenssinn ist Gut.
Und nun stellen sie sich das genaue Gegenteil vor: sie sind Böse und das Gute an ihnen, dass die Anderen von ihnen wahrnehmen, ist nur die Fassade damit das Böse sich verstecken kann, sie scheinen den guten Sinn verloren zu haben und können auch nicht mehr sagen, wann und wo das genau passierte.
Mehr oder weniger ist das die Story von Breaking Bad. „Breaking Bad“ weiterlesen
Jörg Kachelmann, Siegfried Schöpffer – Wie wird das Wetter?
Es gibt Sachen in unserem Leben, die sind immer da, ob man nun in größter Einsamkeit oder trubelnder Geselligkeit ist. Das Wetter ist so etwas, denn ohne es geht es nicht. Es ist nebenher noch ein wunderbarer Gesprächsfüller, denn jeder kann eigentlich immer etwas zum Wetter sagen. Interessanterweise ist es auch für mich der einzige Grund früh mal kurz das Morgenmagazin (aber nur das auf der ARD) anzuschalten, um die Kleiderordnung des Tages zu bestimmen oder das Wochenende zu planen. Fazit: Wetter ist immer da, das Wissen darum wie es sich in den nächsten Stunden darstellt, ist nicht belanglos und kann hilfreich sein und als Konversationsthema ist es eigentlich immer brauchbar (ich erinnere mich beim Zivildienst fast jeden Besuch der alten Damen und Herren mit einer Wetterfloskel begonnen zu haben).
Jetzt ist das Wetter aber mehr als nur schlecht oder gut, Regen oder Sonne. Da gibt es verschiedene Wolkenformationen, Kalt- und Warmfronten, Hagel, Schnee und Regen, und allerlei Windstärken aus unterschiedlichen Richtungen. Kurz zusammengefasst, es gibt eine Menge Sachen zu beobachten. Deshalb wurde es Zeit mal etwas mehr über das Wetter zu erfahren, als ich das Büchlein „Wie wird das Wetter“ von Deutschlands bekanntestem Meterologen Jörg Kachelmann für den fast nicht zu verbessernden Preis von 0,01€ (eine unbenutzte aber schon 2004 herausgegebene Ausgabe) sah und es natürlich erwarb. Es handelt sich dabei um ein eigentlich in den 1960er Jahren aufgelegtes Werk von Siegfried Schöpffer, das überarbeitet und ergänzt wurde. „Jörg Kachelmann, Siegfried Schöpffer – Wie wird das Wetter?“ weiterlesen
Somewhere
„Somewhere“ ist ein Spielfilm von Sofia Coppola aus dem Jahr 2010. Johnny Marco (Stephen Dorff) ist ein allseits bekannter Hollywoodschauspieler der, obwohl Mitten in seinen 30er Jahren, noch ein recht unselbstständiges Leben führt, dass von Partys, beliebigen Frauenbekanntschaften und PR-Terminen gefüllt ist. Doch all das, weiß Johnny nicht mehr recht zu würdigen oder gar zu genießen, vielmehr scheint sein Dasein wie an ihm vorbei zu ziehen und nichts anderes zu sein, als eine große Leere. Erst als seine 11-jährige Tochter Cleo (Elle Fanning) in sein Leben tritt, schwindet diese Leere ebenso wie die seelenruhige Verantwortungslosigkeit die Johnnys Leben bisher auszeichnete und die zweifelsfrei von hohem Komfort für ihn war. „Somewhere“ weiterlesen
Javier Marías – Die sterblich Verliebten
Da von Zeit zu Zeit ein Roman von Javier Marías sehr anregend wirken kann, war im sich fortsetzenden Frühjahr sein letzter Kassenschlager „Die sterblich Verliebten“ dran, aus dem Regal gezogen zu werden (wo das Buch schon seit dem Herbst lag).
Der Leser begleitet Maria Dolz, eine Verlagslektorin in der Mitte ihrer 30er Jahre, die jeden Tag im selben Cafe ihr Frühstück einnimmt. Dabei beobachtet sie Tag ein, Tag aus, ein verheiratetes Paar, welches der gleichen Routine nachgeht. Obwohl man nie miteinander spricht, nicht mal grüßt, kennt man sich vom Sehen. Bis das Paar nicht mehr kommt und Maria erfährt, dass der Mann einem Mord zum Opfer gefallen ist. Noch einmal sieht Maria die jetzt in Trauer lebende Witwe, und erfährt deren Namen, Luisa. Diese lädt sie zum Abendessen ein, wo Maria den guten Freund der Familie Javier Diaz-Varela kennenlernt. „Javier Marías – Die sterblich Verliebten“ weiterlesen
Der Tatortreiniger
Seit ich bei watchever (ein kostenpflichtiges Streamingportal im Internet) bin, kommen mir (Fernseh-) Serien mehr und mehr wie Bücher vor. Es ist ein wenig, wie wenn man vor einem großen Regal steht (also dem Angebot des Portals) und darin lauter Romane findet. Während Filme meist über rund zwei Stunden unterhalten, haben Romane und Serien nicht nur gemeinsam, dass es erheblich mehr Zeit kostet, sie von Anfang bis Ende den Inhalt zu verfolgen. Man legt Pausen ein und setzt sich nur dann vor den Bildschirm, wenn man Zeit und Lust hat, genauso wie man es sich auf seiner Coach gemütlich macht, wenn man ein gutes Buch lesen möchte. Weiterhin ist beiden gemeinsam, dass mit zunehmender Sehdauer, sich der Rezipient mehr und mehr mit den dargestellten Charakteren identifiziert und er in die Handlung hinein gesogen wird.
Früher, als ich Serien noch im Fernsehen gesehen habe, musste man immer eine Woche warten, ehe die nächste Folge begann. Als ich die Sopranos auf DVD sah, musste ich mir jede weitere Folge aufteilen, wenn ich noch nicht die nächste Staffel ausgeliehen hatte und nur noch wenige Folgen übrig waren. Mit dem Internet und dessen Steamingangeboten ist das anders geworden. Man steht vor einer riesigen Auswahl voller Sachen, von denen man schon mal was gehört hat und man greift zu. Dabei geht man ähnlich wie bei Büchern im Regal vor. Einige sind einem wichtig und man benötigt eine spezielle Atmosphäre, um sie zu schauen, vielleicht abends mit einer Flasche Bier, um den Tag eine abschließende und spannende Note zu geben. Andere nimmt man für eine Pause zwischendurch, während einer Reise im Zug oder des Mittag- oder Abendessens. Man muss dabei nicht die gesamte Folge ansehen, sondern nur ein paar Minuten zur Ablenkung, um dann später irgendwann wieder fortzusetzen. Meine momentane Hauptserie heißt „Breaking Bad“ und ich pflege sie mir nicht zwischendurch anzusehen, sondern eine Folge am Stück zu genießen, denn jede von ihnen sind ganz wunderbar. Nebenher hörte ich von der deutschen Serie „Der Tatortreiniger“, fand sie in meinem Streamingregal und klickte mal rein.
Da diese Serie der Form einer Reihe gleicht, ist es im Grunde gleich mit welcher Folge man anfängt, denn es gibt mehr oder weniger keine folgenübergreifende, fortlaufende Handlung. Im Mittelpunkt steht immer Tatortreiniger Schotty (Bjarne Mädel) der genau das tun soll, was sein Arbeitstitel aussagt, nämlich Leichenreste wegputzen. „Der Tatortreiniger“ weiterlesen
Sushi in Suhl
Manchmal ist es Zeit für einen Heimatfilm. Schon seit seiner Veröffentlichung 2012 erregte „Sushi in Suhl“ meine Aufmerksamkeit, handelte er doch von einem japanischen Restaurant, dass in den 1960ern in Suhl aufgemacht wurde, was für die DDR-Zeit eine eher ungewöhnliche Geschichte ist, aber trotzdem so passierte. Horst Anschütz (Uwe Steimle) kocht zusammen mit seiner Frau Ingrid (Julia Richter) im Suhler HO-Restaurant „Waffenschmied“, welches traditionelle thüringische Speisen anbietet. Seine Aufmerksamkeit fällt auf die japanische Küche und für Freunde gestaltet er einen traditionellen japanischen Abend, den ein Freund in der Zeitung publik macht. Daraufhin steigt die Aufmerksamkeit für das Projekt, das zuerst von der HO-Leitung, um Kreisdirektor Lothar Jäger (Michael Kind) abgelehnt wird. Jedoch ändert der Besuch eines japanischen Gastes (Gen Seto) alles. „Sushi in Suhl“ weiterlesen
Ian McEwan – Solar
Erst vor wenigen Tagen habe ich in den Nachrichten gelesen, dass der Zustand unserer Welt klimatechnisch betrachtet sehr ernst ist (als Neuigkeit kam bei mir diese Information nicht an, eher als Bestätigung des schon Gewussten). Es sieht überhaupt nicht gut aus, aber wenn wir uns radikal ändern ist noch etwas zu machen, so könnte man es kurz zusammen fassen.
Nimmt man sich den Roman „Solar“ von Ian McEwan zur Hand, so stößt man auf eine wunderbare Allegorie für diesen Zustand der Erde beim Haupthelden der Handlung des Buches. In „Solar“ steht der Nobelpreisträger Michael Beard im Mittelpunkt und wir begleiten ihn dabei, wie er auf der einen Seite mit einem neuen revolutionären Projekt das Klima auf unserer Welt retten möchte und lesen auf der anderen Seite die Verfallsgeschichte eines in die Jahre gekommenen Physikers.
Beard hat nun schon vor einigen Jahren den Nobelpreis erhalten, statt zu Forschen, organisiert er Projekte, treibt Fördergelder auf und stellt seinen Namen zur Verfügung, um erfolgreich zu erscheinen. Gleichzeitig lebt er sein individualisiertes Leben so gut er kann. Gerade scheint seine fünfte Ehe zu scheitern, weil der eher zu klein geratene Beard, der alles andere als ein attraktives Äußerliches hat, mal wieder die eine Affäre zu viel hatte. Glücklich ist er darüber, dass bei all den Beziehungen, nie ein Kind zur Welt kam, was ihn mit Verpflichtungen einschränken würde. Sein Lebensziel scheint zu sein, wann immer es notwendig wird, sich zurückziehen zu können. „Ian McEwan – Solar“ weiterlesen