her

Ich kann mich kaum daran erinnern, je aus einem Kino so verwirrt gekommen zu sein, wie bei „her“ von Spike Jonze. Meine Erwartungen waren eigentlich klar, Jonze, der bei den beiden wunderbaren Filmen „Being John Malkovich“ und „Adaptation“ Regie führte, brachte mit „her“ einen Science-Fiction Film heraus, bei dem sich sein Hauptdarsteller Theodore Twombly (Joaquín Phoenix) in ein Handy verliebt, wobei genauer gesagt in dessen Operating System (kurz: OS, auf Deutsch: Betriebssystem). Was hier fatal nach einer Studie für Objektliebe klingt (und bei der ich mich frage, wie stark meine Beziehung zu meinem Smartphone ist) ist aber eigentlich der Versuch, die etwas ältere Story Mensch versus Maschine neu zu definieren. Denn das Operating System (gesprochen von Scarlett Johansen, daher unbedingt im Original sehen!) ist nicht nur ein einfacher Dienstleister, sondern in der Zukunft von „her“ hat es ein eigenes Bewusstsein, getrieben von einer künstlichen Intelligenz.
Bekannt sind solche Erzählungen von Filmen wie Terminator, in welchen sich die Maschinen selbstständig machen bzw. dies schon lange gemacht haben und nun die Menschen unter ihre Kontrolle bringen wollen. In „her“ schauen wir auch in eine ähnliche Zukunft, nur dass sie viel realistischer aussieht, als bei Terminator und viel weniger aggressiv oder besser eher vom Gegenteil beseelt ist, statt Hass geht es um Liebe. „her“ weiterlesen

David Foster Wallace – Der bleiche König

Am 7. November 2013 kam David Foster Wallace letzter Roman in der deutschen Übersetzung in die Buchläden. Seit Weihnachten liegt das Buch in meinem Regal und pünktlich zum neuen Jahr fing ich an den „bleichen König“ zu lesen. Was konnte ich erwarten? Schwer zu sagen, denn als DFW am 12. September 2008 starb, war dieser Roman noch nicht fertig, sondern lag in zahlreichen Manuskripten, Anmerkungen und Notizen in des Autors Garage. Sein Verleger Michael Pietsch entschied sich, gemeinsam mit Wallace Witwe Karen Green und seiner Agentin Bonnie Badell das Material zu veröffentlichen, was für DFW mit Sicherheit ein riesiger Graus gewesen wäre, denn er hasste es unfertige Arbeiten jemanden zu zeigen, geschweige denn sie zu veröffentlichen. Ich teile aber Pietschs in den Anmerkungen zum Roman getätigter Argumentation, dass es zu viele DFW Fans (zu denen, wie sie wissen ich mich auch zähle) gibt, die eben nicht die Chance haben, seinen Nachlass in einer speziellen Bibliothek der University of Texas zu lesen. Ich möchte den letzten Satz seiner Anmerkungen zitieren: „David ist leider nicht mehr da, um uns am Lesen zu hindern oder uns zu vergeben, dass wir ihn lesen wollen.“ (S.625) „David Foster Wallace – Der bleiche König“ weiterlesen

Dallas Buyers Club

Wenn ein Film sowohl einen Oscar für den besten Hauptdarsteller, als auch für den besten Nebendarsteller bekommt, dann ist man verleitet dafür ins Kino zu gehen. So geschehen bei „Dallas Buyers Club“ des kanadischen Regisseurs Jean-Marc Vallée. Im Mittelpunkt der Handlung steht Ron Woodroof (Matthew McConaughey). Dieser ist ein Cowboy aus Texas und führt ein eher ungesundes Leben in den 1980ern. Er schläft gern, häufig und ungeschützt mit Frauen und ist sich seiner Männlichkeit so bewusst, dass er überall und besonders vor seinen Freunden gern damit prahlt und sich mit ihnen gemeinsam der gemeinsamen Abneigung gegen alles Homosexuelle versichert. Leider führt Woodroofs Lebensstil aber dazu, dass er alles andere als Gesund aussieht und es letztendlich auch nicht ist. Soll heißen, im Krankenhaus teilt im Dr. Eva Sacks (Jennifer Garner) mit, das er AIDS hat. Für Woodroof ist dies unvorstellbar, schließlich sei dies doch eine Schwulen-Krankheit und er sei ja nun ganz gewiss nicht schwul. Doch Woodroof fängt an sich zu informieren und muss nicht nur feststellen, dass er die Krankheit tatsächlich hat, sondern auch, dass das bisher einzige in den USA im Experimentierfeld befindliche Medikament AZT eher eine Verschlechterung der Gesundheit bedeutet, als eine Verbesserung. Angeleitet von einem mexikanischen Arzt entschließt er sich zu einer alternativen Behandlungsform mit Medikamenten die das Immunsystem stärken, aber nicht den Virus angreifen. So erholt sich Woodroof spürbar. Da er auch ein Gespür für Geld hat und gleichfalls anderen Patienten helfen möchte, gründet er eine Selbstversorgergemeinschaft, den Dallas Buyers Club, um sich mit in den USA nicht zugelassenen Medikamenten einzudecken. Seine Zielgruppe sind dabei natürlich AIDS Kranke, und der Großteil davon ist Homosexuell. Woodroof öffnet seinen Geist und seine homophoben Ansichten verschwinden. Sein Businesspartner wird die aidskranke Transfrau Rayon (Jared Leto), der sich auch zu seinem Freund entwickelt. Die für die Zulassung von Medikamenten zuständige Behörde FDA ist aber immer weniger mit dem Geschäftsmodell eines Buyers Clubs einverstanden und Woodroof bekommt Probleme. „Dallas Buyers Club“ weiterlesen

Grand Budapest Hotel

Was soll ich über einen Film sagen, der mit so vielen Hollywoodstars gespickt ist, dass man den Überblick verliert, der noch dazu in meiner (etwas weiter gefassten) Heimat gedreht wurde und der von einer Welt handelt, die mich nicht nur fasziniert und die ich versuche zu bereisen, die es aber gar nicht gibt? Diese Frage zu beantworten ist zweifelsfrei komplex, weshalb wir sie ein wenig zurückstellen.

Wes Andersons neuster Film „Grand Budapest Hotel“, der momentan in den Kinos läuft, hat für mich schon eine über ein Jahr liegende Vorgeschichte. Diese liegt zum einen darin, dass ich Filme von Anderson sehr schätze und mir seinen neusten Streifen auch angesehen hätte wenn er – und hier kommen wir zum eigentlichen Teil der Vorgeschichte – nicht gerade hauptsächlich in Görlitz gedreht worden wäre. Davon erfuhr ich bei einer Geburtstagsfeier eines sehr guten Görlitzer Freundes im Januar letzten Jahres und ich gebe zu, ich bedauerte ein wenig zu erfahren, dass die Castings für Statistenplätze schon vorbei waren, denn das wäre bestimmt ein großer Spaß geworden, mal an einem Hollywood (oder sollte ich Görlywood, sagen) Set stehen zu dürfen. Erst vor ungefähr einem Monat lernte ich bei einer Wanderung durch das Zittauer Gebirge einen weiteren Görlitzer kennen, der eine solche Statistenrolle bekam und der mir etwas vom Dreh und insbesondere von der Nach-Dreh-Fatsche erzählte und ich gebe zu, auch ich hätte gern mit Ralph Finnes angestoßen und die ein oder andere Spirituose privat mit den Stars geleert. „Grand Budapest Hotel“ weiterlesen

Günter Heribert Münzberg – Mayday über Saragossa. Heinz-Dieter Kallbach – Deutschlands legendärster Flugkapitän

Nachdem ich Cornelius Maschmanns Buch gelesen hatte, das aus dem Leben eines Flugkapitäns erzählt und ich ein wenig enttäuscht war, über die zeitweilige Ereignislosigkeit des Inhalts, lag es nahe bei meinem Opa das Buch über Heinz-Dieter Kallbach auszuleihen. Dieser ist sicherlich dem ein oder anderen bekannt von seiner spektakulären Landung mit einer IL62 auf einem Rasen bei Stölln (siehe Video unten).

Das Lesen der ersten Kapitel überrascht dann schon und zwar weniger wegen des Inhaltes, mehr wegen der Form und dem eigenwilligen Schreibstil. Das Buch wurde von Günter Heribert Münzberg geschrieben, der zweifellos kein großer Literat ist und bei dessen Zeilen man immer denkt, seine eigentliche Absicht war es, ein 450 Seiten starkes Arbeitszeugnis für Kallbach zu verfassen. Begriffe wie „fliegerische Tätigkeit“ fallen dabei dutzendweise und wenn man sich heute vorstellen möchte wie in der DDR offizielle Berichte verfasst wurden, so fühlt man sich bei diesem Buch daran erinnert. Außerdem wird die Hauptperson auch nach 400 Seiten noch ganz offiziell „Flugkapitän Heinz-Dieter Kallbach“ genannt. Münzberg findet großen Gefallen daran, Qualifikationen aufzuschreiben und man fühlt sich an die „Aktuelle Kamera“ erinnert, bei der dauernd alle, aber auch wirklich alle Titel von Erich Honecker immer und immer wieder mit erwähnt wurden, als hätte man das nicht schon gestern, vorgestern, letzte Woche und letztes Jahr gehört. Außerdem lastet vielen Erklärungen ein gewisser archivarischer Ton an. Flugrouten werden präzise wiedergegeben und wir erfahren auch vom letzten Winkel, den Kallbach bei seinen Reisen überflog. Gern wird auch das komplette Personal von einzelnen Flügen aufgezählt, auch wenn die, als dritte aufgeführte Stewardess überhaupt keine Rolle für den Abschnitt spielt, wird sie dem Leser nicht verheimlicht. Interessant ist, dass Menschen, die Kallbach so gar nicht mag, gern nur mit einem Großbuchstaben erwähnt werden, daher M. oder ähnlich, was dann im Gegensatz zu der sonst praktizierten Ausführlichkeit steht. Aber genug zum Stil des Buches, wie schon erwähnt ist dieser eigenwillig, irgendwie antiquiert aber, und das ist sicherlich am wichtigsten, lesbar (auch wenn manchmal Zusammenhänge nicht immer für Leser ohne Vorkenntnisse zu verstehen sind, hier verfällt das Buch eher der Logik, warum an den Leser denken, Hauptsache man hat aufgeschrieben wie man es erlebt hat). „Günter Heribert Münzberg – Mayday über Saragossa. Heinz-Dieter Kallbach – Deutschlands legendärster Flugkapitän“ weiterlesen

The Ides of March

“The Ides of March – Tage des Verrats“ ist ein amerikanischer Politthriller von George Clooney aus dem Jahr 2011. Stephen Meyers (Ryan Gossling) ist Leiter der Medienabteilung im Wahlkampfteam des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Mike Morris (George Clooney). Die Vorwahl im Staat Ohio steht an, sie kann vorentscheiden, ob Morris gegen seinen letzten parteiinternen Gegenkandidaten Pullman gewinnt.
Meyers ist mit seinen 30 Jahren ein riesiges Talent im Geschäft der „spin-doctors“ und besitzt einigen Einfluss im Team von Morris, das vom alten Polit-Strategen Paul Zara (Philip Seymour Hoffman) geleitet wird. Dieser versucht einen Deal mit dem einflussreichen demokratischen Senator Thompson (Jeffrey Wright) um dessen Wahlmänner auszuhandeln und steckt der Times Journalistin Ida Horowicz (Marisa Tomei) schon mal ein paar Details. Währenddessen erregt die junge Praktikantin Molly Stearns (Evan Rachel Wood) die Aufmerksamkeit von Meyers, während er von Pullmans Wahlkampfleiter Tom Duffy (Paul Giamatti) einen Anruf erhält. „The Ides of March“ weiterlesen

Cornelius Maschmann – Zur Not kann die Kiste auch segeln

Ich habe eine gewisse Hass-Liebe zur Fliegerei. Auf der einen Seite plagt mich Flugangst. Auch wenn die innerhalb der letzten Jahre nachgelassen hat, so ist mir eine Flugreise immer noch nicht alles andere als egal. Auf der anderen Seite verspüre ich eine riesige Faszination in die Welt der Flugzeuge, Airlines und Piloten einzutauchen und wenn es um Geschichten, Anekdoten oder Wissenswertes aus der Welt des Fliegens geht, ist meine Aufmerksamkeit sicher.

Im Herbst sah ich dann in einer großen Buchhandlung eher beiläufig Cornelius Maschmanns Buch „Zur Not kann die Kiste auch segeln“, ein Werk das den Untertitel „Ein Flugkapitän erzählt“ trägt. Interessanterweise sah ich die Lektüre in der Abteilung „Lokales“ in Frankfurt am Main liegen, was nur wieder zeigt welch großen Einfluss der Luftverkehr in Hessens größter Stadt hat. „Cornelius Maschmann – Zur Not kann die Kiste auch segeln“ weiterlesen

The Wolf of Wall Street

The Wolf of Wall Street“ ist Martin Scorseses neuster Film mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle. Dieser spielt den Börsenmakler Jordan Belfort (auf dessen tatsächlicher Autobiographie der Film beruht). Jordan möchte viel Geld verdienen und startet eine Karriere als Trader von Wertpapieren. Er wird auch sogleich unter die Fittiche seines Chefs Mark Hanna (Matthew McConaughey) genommen, der ihm zahlreiche gewinnende Strategien mit auf dem Weg gibt. Doch das Glück währt nur kurz, als der schwarze Montag 1987 die Firma ruiniert. Jordan verliert seinen Job, sattelt in eine kleine Firma um und beginnt Penny Stocks (also sehr geringwertige Wertpapiere) zu verkaufen. Schnell findet er Gefallen an der Tätigkeit und sieht die Potentiale dieses Marktes und gründet sein eigenes Unternehmen „Stratton Oakment“. Er holt sich mit seinem Nachbarn Donnie (Jonah Hill) einen engen Partner ins Geschäft. Rasend steigen die Einkünfte ins fast Unermessliche, so wie auch die Auswüchse in die Welt der Drogen und des Sex, gar nicht zur Freude von Jordans sowieso schon neuer Ehefrau Naomi (Margot Robbie). Doch nicht nur Jordans Abhängigkeiten von den körperlichen Freuden seines Lebens werden für ihn immer bedrohlicher, auch das FBI schaut sich genauer die finanziellen Unternehmungen von Stratton Oakment an, was Jordan dazu bewegt sich in die Hände eines Schweizer Bänkers (Jean Dujardin) zu begeben. „The Wolf of Wall Street“ weiterlesen

Die Sopranos

Sie haben mich ein Jahr begleitet, die „Sopranos“. Sechsundachtzig mal, drückte ich auf Play, drehte den Monitor Richtung Bett, stellte mein Bierchen neben jenes, legte mich hin und hörte dieses Intro:

Eine Serie zu sehen, ist ein bisschen wie gute Freunde zu gewinnen und sie dann gehen lassen zu müssen, wenn die Serie vorbei ist. Erst kennt man diese Personen ein wenig, man findet sie sympathisch, freut sich sie wieder zu sehen, doch irgendwann kennt man sie immer besser und man möchte sie nicht mehr gehen lassen und ist bekümmert wenn sie nicht mehr da sind. Und ich kann nicht umhin zu sagen, dass ich etwas traurig bin, denn ich habe nun alle sechs Staffeln gesehen, alle sechsundachtzig Folgen, jede der rund 4.750 Minuten und es gab seit den Tagen von „Six Feet Under“ nichts mehr, was mich als Serie so sehr berührte. „Die Sopranos“ weiterlesen

All is Lost

Nur wenige Zeilen hat sein Abschiedsbrief, was soll man auch der Welt mitteilen, wenn diese höchstwahrscheinlich nie Notiz davon nehmen wird. Alles ist verloren, der Kampf, das Leben, die Hoffnung. Mit wenigen Zeilen aus dem Off, vorgelesen von einem einsamen Segler (Robert Redford) beginnt „All is Lost“, dem derzeitig in den Kinos laufenden zweiten Film von J.C. Chandor. Und mit diesen Sätzen sind nicht nur der Großteil der Worte des Films gesagt, es sind auch einzigen philosophischen Implikationen die in den nächsten 106 Minuten folgen werden. Wir erleben darin ein Katastrophen-Kammerspiel auf hoher See, einen Mann der allein den Indischen Ozean durchsegelt und aufgeweckt wird, weil in sein Boot Wasser eindringt. Ein verlassener Container hat seine Yacht gerammt und einen tiefen Riss in die Seitenwand getrieben, dass Wasser hat die gesamte elektronische Ausrüstung zerstört. Dem Segler gelingt es, das Loch notdürftig zu flicken, doch er ist allein auf dem Ozean und Hilfe scheint so unendlich fern zu sein. Viel näher ist da das nächste Unwetter. Und so treibt unser Segler auf den Weiten des Meeres und jedem Schritt vorwärts, jeder noch so kleinen Chance auf Rettung, folgen zwei Schritte zurück, in die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit, die Einsamkeit (wir reden hier von einer allumfassend, kaum ertragbar zu scheinenden Einsamkeit, nicht zu vergleichen mit der Einsamkeit unseres individualisierten Lebens, dass uns in Nahverkehrsfahrzeugen auf dem Weg zur Arbeit oder in Supermärkten zeigt wie einsam wir alle zusammen sind, die Einsamkeit des Segler ist total, sie ist nicht nur psychisch, sondern physisch, eine Art Gefangenheit in der riesigen Freiheit). „All is Lost“ weiterlesen