Idee: Isaure Pisani-Ferry, Jennifer Have, Raphaëlle Bacqué | Mini- Bio-Serie | 6 Folgen | veröffentlicht 2024 auf Disney +
Ich schreibe diese Zeilen und habe die Kontrolle über mein Leben verloren! Diese Aussage gilt jedoch nur, wenn man dem großartigen Karl Lagerfeld glauben kann, der einmal sinngemäß sagte, wer Jogginghosen trägt haben eben jene Kontrolle über sein Leben verloren. Ich gebe zu, ich würde nie aus dem Haus mit diesen labbrigen, aber komfortablen Baumwoll-Polyester Mischungen mit den Schlaufen als Hosenknopf gehen, aber eine nicht unerhebliche Anzahl zumeist jüngerer Mitbürger, stört dies gar nicht und sie sind selbst zu etwas feierlicheren Anlässen mit feineren Jogginganzügen unterwegs (die Zeiten des in den 1980er und 90er Jahren beliebten Trilubalgarns sind jedoch scheinbar endgültig vorbei).
Ich oute mich aber gern als Lagerfeld Fan (weniger was seine Kleidung betrifft, die 1. eher für Frauen gedacht ist und 2. mein Budget sprengt) sondern als Celebrity, dessen Bonmots und Interviews ich gern las und hörte.
Nun hat Disney+ eine kleine Serie über Lagerfelds Aufstieg in die Haute-Couture mit dem eigentlich stets sehenswerten Daniel Brühl als Lagerfeld veröffentlicht. Wir erleben darin den nicht mehr ganz jungen Designer Lar Lagerfeld (Daniel Brühl), einen Workaholic, der sich mit den besten der Branche messen will, was in den 1970er Jahren wohl Yves Saint-Laurent (Arnaud Valois) ist. Dessen Partner Pierre Bergé (Alex Lutz) ist so etwas wie der Pate der Modewelt und wird von Lagerfeld verabscheut. Bergé wiederum muss zusehen, wie Yves starkes Verlangen nach dem Dandy Jacques de Bascher (Théodore Pellerin) verspürt und dieses Verlangen auch kräftigst auslebt. Doch Lagerfeld gewinnt das Rennen um Jaques, auch wenn sein Lebensstil so rein gar nicht zu dem seines Partners zu passen scheint.
„Becoming Karl Lagerfeld“ ist eine sehr unterhaltende Serie über die spannenden Mode-Welt in Paris in den 1970er und frühen 80er Jahren. Im Mittelpunkt der Handlung steht das durchaus komplexe Liebesverhältnis von Lagerfeld und de Bascher, der eine Geschäftsmann und Workaholic, der andere Lebemann und Partystar. Immer wieder kracht es gewaltig, in einer Beziehung, die von Lagerfeld a-sexuell geführt wird, der eher wie ein sponsernder Vater auftritt und bei der man als Zuschauer nicht wirklich versteht, was beide eigentlich aneinander finden. Gleichfalls wirkt der von Brühl verkörperte Lagerfeld, als etwas steif und kraftprotzig dahinlaufende Modezar, ganz anders als der Mensch, den ich aus den Interviews des Fernsehens ab den 2000er Jahren kenne. Aber tatsächlich hat Lagerfeld früher Body-Building betrieben und es wäre vermessen, meinen Eindruck des späten Lagerfelds als Folie der Kritik für Brühls Spiel des Lagerfelds der 70er und 80er Jahre zu nehmen. So ist neben der Erzählung einer eher ungewöhnlichen Liebesgeschichte, besonders der Aufstieg von Lagerfeld als Modedesigner, der final zum Kreativdirektor bei Chanel wird das große Thema der Mini-Serie. Das diese dann nach sechs Folgen mit eben jenem neuen Jobangebot endet, ist ein überraschendes Ende, denn die Geschichte scheint jetzt erst loszugehen (tatsächlich stellte ich einige Tage nach Folge 6 erst fest, dass es das war mit der Serie, als ich die vermeintliche Folge 7 anschauen wollte, die aber nicht existierte). Dennoch ist „Becoming Karl Lagerfeld“ eine spannende und unterhaltende Serienbiografie, dessen Sujet, die weite Welt der Mode jede Menge Erzählstoff liefert.