Christian Kracht – Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

Erschien 2008 bei Kiepenheuer & Witsch | hier vorliegend im dtv Taschenbuch mit 150 Seiten

Es ist eine ganze Menge Wasser an den neuen, von den Abrissbauarbeiten der Ruine der Carolabrücke ausgelösten, Stromschnellen der Elbe heruntergeflossen, seit ich meinen letzten Roman beendet habe. Das lag zu großen Teilen an jeder Menge Sachbücher, die ich in völliger Ignoranz meines diesjährigen (letztlich vollkommen verfehlten) Tsonduku-Anspruches erworben und ansatzweise gelesen habe, aber an dieser Stelle nicht mehr besprechen möchte. „Christian Kracht – Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ weiterlesen

Roberto Bolaño – Telefongespräche

Erschien 1997 im spanischen Original unter der Titel: „Llamadas telefònicas“ | in deutscher Übersetzung von Christian Hansen erschien 2007 bei Carl Hauser hier im dtv-Taschenbuch mit 240 Seiten

Meine Faszination für Roberto Bolaño hatte sich bisher auf seine beiden großartigen Romane „2666“ und „Die wilden Detektive“ beschränkt. Nun wollte ich mit einigen Kurzgeschichten nachlegen und habe mich für „Telefongespräche“ entschieden. Die Sammlung von Texten besteht aus drei Teilen mit insgesamt 14 Geschichten. „Roberto Bolaño – Telefongespräche“ weiterlesen

T.C. Boyle – Die Frauen

Erschien 2009 im amerikanischen Original als „The Women“ | in deutscher Übersetzung von Dirk von Gunsteren und Kathrin Razum | hier vorliegend als dtv Taschenbuch mit 560 Seiten

Es gibt Buchtitel, die nach einem kurzen Blick für schnelle Aufmerksamkeit sorgen, weniger vielleicht bei mir, mehr bei Menschen, die nur mal geschwind wissen wollen, was der Gegenüber liest (ich kenne das Bedürfnis, ich schaue auch gern – beispielsweise im Freibad oder in der Bahn – darauf, was andere Menschen so lesen, wobei mich weniger der Titel interessiert, sondern mehr die Autorenschaft). So geschah es, bei meiner Sommerlektüre von T.C. Boyles 12.Roman aus dem Jahr 2009, mit dem griffigen Titel: „Die Frauen“, dass insbesondere gerade genanntes Geschlecht mir verwunderte Blick und eine gewissen Ablehnung kenntlich machte, wegen meines Buches und ich fühlte mich ein wenig, als wenn die fragenden Blicke mir vorwerfen würden, ich würde ein Machwerk über das „andere Geschlecht“ studieren (was auch immer dann der Inhalt dieses Werkes wäre). „T.C. Boyle – Die Frauen“ weiterlesen

Alexander Osang – Königstorkinder

Erschien 2010 bei S.Fischer, hier in der Taschenbuchausgabe von 2012 mit 336 Seiten

Wie bereits einmal an dieser Stelle erwähnt, habe ich großen Gefallen an Literatur von Alexander Osang gefunden, weshalb sein 2010 erschienener Roman „Königstorkinder“ für meine sommerliche Leseliste beschafft wurde. Was ich beim Erwerb des Buches nicht wusste, war dass der Inhalt durchaus einen biografischen Bezug hat, mit meinem Leben in jenen Jahren.

Andreas Hermann ist Anfang 40 und in seiner beruflichen Karriere in einer Beschäftigungsstelle angekommen. Es ist also noch Luft nach oben für den nächsten Karrieresprung. In seiner kleinen Wohnung im Prenzlauer Berg hat er einen alten Schreibtisch aus einer Haushaltsauflösung eines verstorbenen Professors eingelagert. In diesem findet er ein schwarzes Tagebuch, was der Professor in seinen letzten Monaten verfasste, als dieser wusste, dass er unheilbar erkrankt war. Dieses Fundstück teilt Andreas mit Ulrike, einer verheirateten Frau aus der begüterten Nachbarschaft, in welche er sich verliebt hat. „Alexander Osang – Königstorkinder“ weiterlesen

Monika Fagerholm – Wer hat Bambi getötet?

Erschien 2019 im schwedischen Original als „Vem dödada Bambi?“ | in deutscher Übersetzung 2022 von Antje Rávik Strubel mit 256 Seiten

Es passiert mir in losen zeitlichen Abständen, dass mir ein Radiobericht oder ein Podcast ein Buch so schmackhaft machen, dass es viele andere Romane auf meiner Bücherliste überspringt und zeitnah gelesen werden muss. So rutschte Monika Fagerholms 2019 erschienenes Werk „Wer hat Bambi getötet“ auf den ersten Platz meiner Sommerleseliste, auch wenn mir heute nicht mehr klar ist, welche Sendung mich auf den Roman aufmerksam machte und welches Argument mich so besonders überzeugte (vielleicht ist dieses Vergessen von Gründen ein Zeichen der Zeit, oder aber eher ein persönliches Versagen). „Monika Fagerholm – Wer hat Bambi getötet?“ weiterlesen

Alexander Osang – Lunkebergs Fest

Aus der Reihe: „aus fremden Regalen“

Erschien 2003 bei S.Fischer Verlag mit 176 Seiten

Es ist sehr schön einen neuen Autor besser kennenzulernen und auf Bücher zurückgreifen zu können, die ein anderes Bücherregal für mich bereithält. Insofern plünderte ich das Regal meiner Schwester ein weiteres Mal, um mir Alexander Osangs Kurzgeschichtenband „Lunkebergs Fest“ zu sichern.

Elf Erzählungen beinhaltet der recht schmale Band, von dem man sich nur eines mehr wünschen würde, dass er ein klein wenig länger wäre, denn Osang erzählt meisterlich. Von einer Busfahrt, bei der man gar nicht so genau weiß, wie dramatisch sie eigentlich ist. Von einem weihnachtlichen Besuch (überhaupt spielen die großen Feststage, Weihnachten und Ostern eine große Rolle) einer Tochter, bei der Mutter und ihrem neuen Freund, bei der sie die Bedeutung der eigenen Beziehung in Frage stellt. Bei einer nicht herkömmlichen Weihnachtsfeier mit Freunden, bei dem sich der Gastgeber vornimmt, seine gefühlte Unzeitgemäßheit zu verbergen. Von einem Urlaub in Schweden und in die Vergangenheit ostdeutscher Vertriebler. Von einer Band, die nur der Chef des Betriebes kennt, bei welchem sie zur Weihnachtsfeier aufspielt. Von einem Ausflug von Vater, Sohn und dessen Freund zum Fußball und in die Jugend des Vaters. Über eine Mutter, die nach einer Urlaubsreise hart in der Realität ihrer infrage gestellten Mutterrolle aufschlägt. Vom Versuch den Weihnachtsbaumständer aus dem Keller zu holen und in eine Art Weihnachtswunder zu geraten. Von einem wegdriftenden Osterfest. Und von einer Tour in Weiten Brandenburgs und die Frage welche Geschichten sich mit Häusern verknüpfen. „Alexander Osang – Lunkebergs Fest“ weiterlesen

Richard David Precht – Geschichte der Philosophie

Bisher 4 Bände erschienen (Band 1: 2015 „Erkenne die Welt“ mit 576 Seiten; Band 2: 2017 „Erkenne dich selbst“ mit 672 Seiten; Band 3: 2019 „Sei du selbst“ mit 610 Seiten; Band 4: 2023 „Mache die Welt“ mit 528 Seiten) | alle Bände erschienen bei Wilhelm Goldmann Verlag

Es gehört fast schon zum guten Ton öffentlicher Äußerungen, sich kritisch zu Aussagen von Richard David Precht zu melden.[1] Das scheint das eigene intellektuelle Selbstverständnis zu erhöhen, wenn man sich an anderen Intellektuellen abbauen kann. Mir fiel das eigentlich nie auf, bis ich auf den Podcast „Lanz & Precht“ aufmerksam wurde, der mir anfangs immer ganz gemischte Gefühle beim Hören brachte, denn teilweise fand ich die Argumentation der beiden Podcaster nicht wirklich zielführend. Ich merkte aber schnell, dass bei einer Stunde Dauer des jeweiligen Hörangebotes, vielleicht 10min dabei waren, die ich für zu kurz gedacht (oder etwas polemisch) hielt, die restlichen 50min fand ich aber teilweise ziemlich inspirierend und ich habe fast bei jeder Ausgabe des wöchentlich erscheinenden Gesprächs recht viel gelernt, weshalb ich beim Podcast hängen geblieben bin. Man kann also, so meine Erkenntnis, vom durchaus viel belesenen Philosophen Richard David Precht etwas lernen.

Da liegt nichts näher, als von ihm über die Geschichte der Philosophie zu lernen, einem Feld, dass ich mir seit Jahren immer mal wieder „reinziehen“ wollte. Deshalb habe ich mir seit letztem Herbst seine bisher in vier Bänden erschiene Geschichte des Faches durchgelesenen und war bereits im ersten Teil erstaunt zu sehen, dass das komplette Werk eigentlich nur für drei Bände ausgelegt war (so verrät es die Einleitung des ersten Textes), jetzt aber bereits vier Bücher erschienen sind und wir immer noch nicht die Philosophie der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts behandelt haben. Ob sich Precht nicht kurzhalten kann, oder kommerzielle Interessen dahinterliegen ist mir eigentlich egal, denn tatsächlich sind die bisherigen vier Bände ein Gewinn (mindestens mal für mein Verständnis von Philosophie) „Richard David Precht – Geschichte der Philosophie“ weiterlesen

Christian Kracht – Eurotrash

Erschien 2021 bei Kiepenheuer & Witsch mit 208 Seiten (in der hier gelesenen Taschenbuchausgabe)

Wieso komme ich eigentlich nie um einen Wühltisch in einer Buchhandlung herum, obwohl ich nie einen Wühltisch im Klamottenladen anrühren würde? Selbst Restbücherverkäufe in Supermärkten ignoriere ich problemlos. Aber der Wühltisch im Buchladen (bevorzugt im Hugendubel in der AmaGa) kann manchmal Schätze hervorbringen und habe ich diese gehoben, ist es ein fast unmögliches Unterfangen, sie nicht zu erwerben. So geschehen Anfang Januar, als mir unter anderem Christan Krachts „Eurotrash“ in die Hände fiel.

Christian Kracht ist 25 Jahre nach seinem Bucherfolg „Faserland“ in Zürich, um seine Mutter zu besuchen, die – über 80-jährig – immer gebrechlicher ist, aber nichts vom Schrecken ihrer Boshaftigkeit verloren zu haben scheint. Krachts Familiengeschichte ist voll von Nazivergangenheit und wirtschaftlichem Erfolg im Nachkriegsdeutschland und der Autor reflektiert all dies, bevor er zum Besuch seiner Mutter aufbricht, bei dem er beschließt eine vielleicht letzte Reise mit seiner Mutter zu unternehmen, an die Orte seiner Kindheit. „Christian Kracht – Eurotrash“ weiterlesen

Anja Reich, Alexander Osang – Wo warst Du? Ein Septembertag in New York

Aus der Reihe: aus fremden Regalen

Erschien: 2011 bei Piper mit 272 Seiten

Das Bücherregal in der Wohnung meiner Schwester hält mich immer wieder auf. Diesmal entdeckte ich ein weiteres Buch von Alexander Osang und obwohl er bis diesem Werk lediglich Co-Autor war und obwohl es zum Thema, den 11.September 2001 hatte (ich dachte, ich hätte das Gefühl gehabt, über 9-11 alles notwendige gelesen, gehört und gesehen zu haben), habe ich es bei meinem weihnachtlichen Besuch trotzdem eingepackt, dafür bin ich von Osangs Roman „Lennon ist Tod“ zu nachhaltig positiv beeinflusst worden.

Das Buch einzupacken und durchzulesen, war eine gute Entscheidung. „Wo warst du?“ beschreibt den 11.September 2001 der Familie Osang – Reich. Alexander Osang ist Journalist des Spiegels, der in New York arbeitet. Seine Frau Anja Reich ist mit ihm und den beiden Kindern Ferdinand und Mascha vor zwei Jahren mitgezogen, doch während ihr Mann durch die USA und Europa reist, um Geschichten zu recherchieren und Menschen zu treffen, ist ihre journalistische Karriere etwas abgebremst worden, weil sie sich hauptsächlich um die Kinder kümmert. Am 10. September kommt Osang von einer längeren Reise aus Europa wieder nach Hause und geht erstmal joggen, weil er für den New York Marathon trainieren möchte, was seine Familie, insbesondere seine Frau nicht unbedingt goutiert, da sie den Familienvater lange nicht zu Gesicht bekommen hat. Und dann startet der 11.9., eine eigentlich ganz normaler, sonniger Spätsommerdienstag in New York City. „Anja Reich, Alexander Osang – Wo warst Du? Ein Septembertag in New York“ weiterlesen

Wolf Haas – Eigentum

Erschien 2023 bei Hanser mit 158 Seiten

Dieses Jahr versuchte ich, wie schon in den letzten Jahren, mit meiner Nichte im Park von Frankfurt Soßenheim, den grundgütigen Weihnachtsmann zu finden. Als wir seine Spur wir fast hatten, erklang das Weihnachtsglöckchen, was meine Nichte jedoch gefühlte Ewigkeiten nicht hörte und welches die Bescherung ankündigte, was wiederum besagte Nichte (als sie das Glöckchen endlich hörte) dazu brachte unter Hochdruck nach Hause zu laufen und ich flitzte hinterher. Es war jener Zeitgenosse im roten Mantel, den wir wieder nicht wirklich zu Gesicht bekamen, der aber am heiligen Abend, in kluger Zusammenarbeit mit dem Christkind (und unter Zuhilfenahme von Cola-Getränken) Geschenke verteilte und der mir das neueste Büchlein von Wolf Haas unter den Weihnachtsbaum legte.

„Eigentum“ ist kein neuer Brenner-Krimi von Wolf Haas, sondern ist, wie beispielsweise „Junger Mann“ ein autofiktionaler Text des Österreichers aus Maria Alm am Steinernen Meer. Wir erleben einen Erzähler, der natürlich Wolf Haas heißt, welcher wiederum die letzten Tage seiner Mutter auf Erden dazu nutzen möchte, genau über jene Mutter zu schreiben, obwohl er eigentlich eine Poetik-Vorlesung vorbereiten müsste.
Marianne Haas war kein sonderlich herzensguter Mensch und bei den Nachbarn eher unbeliebt. Ihr Leben war geprägt von Arbeit und dem Wunsch nach Wohneigentum, der sich aber durch fehlende Steigerung des Realeinkommens nicht einlösen ließ. „Wolf Haas – Eigentum“ weiterlesen