Peter Richter – Dresden revisited

Dresden im Jahr 2016. Deutschlandweit bekannt für seinen schlechten Ruf. Der gebürtige Dresdner Peter Richter wird zu den Dresdener Reden eingeladen und hält einen Vortrag, wie er die Stadt von seiner neuen Wahlheimat New York aus sieht.

Schon mit 19 verließ Richter die Stadt um Kunstgeschichte zu studieren, jedoch kehr er regelmäßig zurück nach heeme. Die Einladung zu den renommierten Dresdner Reden lässt ihn nun über die Heimatstadt nachdenken, die seit jüngster Zeit mit Bewegungen wie Pegida zu den Hochburgen des rechtskonservativen Anti-Establishments gehört. Dabei spricht er als Dresdner, der Dresden für die weite Welt verlassen hat und eben von dieser Welt viel gesehen hat, was man nicht zu Unrecht den „protestierenden Dresdnern“ vorhält nicht getan zu haben. In den 30, recht kleinen, Abschnitten sind es zwei Themenbereiche die Richter umtreiben. „Peter Richter – Dresden revisited“ weiterlesen

Daniel Kehlmann – Der fernste Ort

Wer kennt das nicht, eine richtig wichtige Aufgabe steht an und man hat rein gar nichts dafür gemacht. Der Termin rückt immer näher, aber wie benebelt macht man weiterhin nichts. Unvorbereitet – Hilfsausdruck. Der Verstand sagt einem, mach was – jetzt, sofort! Doch das Leben läuft weiter und die Gedanken schweben dahin. Könnte man doch einfach aus seinem Leben flüchten, abtauchen, neu beginnen.
So geht es Julian, zu einer Konferenz mit seinem Chef nach Italien gekommen, wo er in wenigen Stunden einen Vortrag halten soll, auf den er nicht nur wenig, sondern rein gar nicht vorbereitet ist. Trotzdem geht er lieber erstmal schwimmen, im See am Hotel. Denn es ist Oktober und da muss man schon ehrlich sein, wenn er jetzt nicht nochmal schwimmen geht, dann wird das dieses Jahr nichts mehr, in Deutschland startet ja schon der Winter. Und so schwimmt Julian und taucht ab. „Daniel Kehlmann – Der fernste Ort“ weiterlesen

Ernest Shackelton – Mit der Endurance ins ewige Eis

Es war ein langer Weg und unser dritter Bus des Tages hat mittlerweile rund 5 Stunden Verspätung angesammelt. Es stürmte immer noch und das obwohl die Sonne schien, die jedoch langsam über den Horizont Patagoniens unterging, es war schließlich fast 21 Uhr. Die Uferpromenade tauchte auf, hinter ihr die Magellanstraße und ich war überrascht wie schön der erste Anblick von Punta Arenas, der südlichsten Großstadt der Welt, war. Das könnte (noch) schöner hier werden, als ich erwartet hatte. Der Name unseres Hostels war „Pardo&Shackelton“. Ich hatte von beiden Namen nie etwas gehört und durchstöberte die herumliegenden Bücher, im wunderschönen Aufenthaltsraum mit Blick auf die Stadt.

Sir Ernest Shackelton war Polarforscher und Abenteurer. Er leitete die „Endurance“ Expedition, welche sich 1914 zur Aufgabe machen wollte, Antarktika über den Landweg zu durchqueren, vom Weddellmeer zum Rossmeer. Die Expedition hatte erhebliche Probleme. Das Schiff, die Endurance, fror im Eis ein und wurde bald darauf zerdrückt. Ohne Schiff irrte die Mannschaft unter Shackelton auf den Eisplatten des Weddelmeers umher, bis sie sich schließlich mit drei kleinen Ersatzbooten auf die frostige Elephant Island retten konnten. Doch dieses Eiland, mitten in der Antarktis war keine wirkliche Hilfe. Niemand würde die Crew hier je suchen kommen und die Zivilisation war fern. Also beschloss Shackelton mit einem der Rettungsboote und fünf weiteren Männern über den stürmischen und kalten Ozean in das über 1.000km entfernte South Georgia zu segeln. Dies gilt bis heute, als eine der heldenhaftesten und schwierigsten Segelfahrten der Seefahrtsgeschichte. Nach langen Mühen gelang es Shackelton schließlich, die gesamte Crew der Endurance zu retten. Am 3.September 1916 fuhr sie unter dem Jubel der Einwohner nach Punta Arenas ein. „Ernest Shackelton – Mit der Endurance ins ewige Eis“ weiterlesen

Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung

Daniel Kehlmanns Debütroman „Beerholms Vorstellung“ erschien im Jahr 1997. Er ist in der Form eines Lebensberichts des Magiers Arthur Beerholm geschrieben. Artur wird von Adoptiveltern groß gezogen und hat eine recht unbeschwerte Kindheit bis seine Adoptivmutter vom Blitz erschlagen wird, der aus fast heiterem Himmel auf sie niederschlägt. Sein wohlhabender Adoptivvater lernt eine neue Frau kennen und schickt ihn aufs Internat, wo Artur eine Leidenschaft für Mathematik entwickelt. Doch immer wieder stößt er auf Probleme in der logischen Welt der Mathematik, rätselhaftes und unlösbares in einem Bereich, der eigentlich nur Lösungen bereithalten sollte. Von der mangelnden Wahrhaftigkeit enttäuscht, wird Beerholm Theologe, nicht ohne aber vorher eine fast schon geheim, zu nennende Leidenschaft für die Zauberei zu entwickeln. Denn die Magie „bedeutet schlicht, daß der Geist dem Stoff vorschreiben kann, wie er sich zu verhalten hat, daß dieser gehorchen muß, wo jener befiehlt. Was unvernünftig scheint ist in Wahrheit Offenbarung der Vernunft.“ (S.40) Die Theologen-Laufbahn verläuft für Beerholm recht gradlinig, bis er eine Vorstellung des Zauberers Jan von Rode besucht und seine alte Leidenschaft immer stärker an der Sinnhaftigkeit des kirchlichen Lebens zweifeln lässt. „Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung“ weiterlesen

Jonathan Franzen – Unschuld

Nach fünf Jahren endlich ein neuer Franzen. Und der lag dann auch gleich auf meinem Geburtstagstisch. Da gibt es nur eins, ran an die 830 Seiten!
Nachdem die „Korrekturen“ und auch „Freiheit“ Familienromane waren, ist „Unschuld“ nicht mehr wirklich eine Familiensaga, wenngleich im weitesten Sinne schon. Wir begleiten mehrere Personen, allem voran Pip Tyler, einer verarmten Mit-20erin, die in der Bay Area von San Francisco in einem besetzten Haus lebt und deren größte Sorge, neben dem finanziellen Engpass und ihrem wenig verheißungsvollen Job, ihre Mutter ist, die allein und zurückgezogen lebt und die Pip niemals etwas aus ihrer Vergangenheit verraten möchte, nicht mal, wer ihr Vater ist. Ein weiterer Hauptcharakter ist Andreas Wolf, ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und heutiger Whistleblower, der mit seiner Enthüllungsplattform Sunlight Project zu großem internationalen Ruhm gekommen ist. Und wir erleben das Journalistenpaar Tom Aberant und Leila Helou, dass in einem etwas ungeklärten Beziehungsstatus lebt und einer großen Story nachjagt.   „Jonathan Franzen – Unschuld“ weiterlesen

Wolf Haas – Brennerova

Jetzt habe ich mich über den neuen Brenner Roman gemacht. Die Krimis von Wolf Haas sind meiner Meinung nach ideal für den Sommer geeignet. Wunderbar fließend zu lesen, sehr amüsant und durchaus auch etwas hintergründig. Diesmal ist der Brenner, der immerhin 19 Jahre im Polizeidienst war und nun schon seit Jahren sich irgendwie durchschlägt, in Frauengeschichten (Achtung: Mehrzahl!) verwickelt. Da ist zum einem die Begegnung mit der Herta, seiner Ex-Freundin, die fast zu einem Unfall führt, aber dadurch auch dazu, dass sich beide wieder näher kommen. Und da ist die Nadeshda, die der Brenner über das Internet kennengelernt hat und die wiederum um ihre Schwester Serafina fürchtet, weshalb sie den Brenner um dessen detektivische Mitarbeit bittet, was ihn aber in die Wiener Unterwelt führt, in die Welt der Zuhälter und Tätowierer. Doch nicht nur dort muss sich der Brenner aufhalten, im Zeitalter der Globalisierung und des Internets führt es ihn auch aus Wien heraus in die weite Welt. „Wolf Haas – Brennerova“ weiterlesen

Paul Ingendaay – Gebrauchsanweisung für Spanien

Außer meinem Heimatland ist mir kein Land so nah, wie Spanien. Was läge da näher, bei einem Besuch im geschätzten „Zweitbuch“ in Wiesbaden das Sonderangebot „Gebrauchsanweisung für Spanien“ von Paul Ingendaay zu erwerben und das aus drei Gründen. Der Wichtigste: ich mag Paul Ingendaay‘s Blog über Spanien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und habe diesen immer mit großem Interesse gelesen, auch wenn ich ihn in letzter Zeit nicht mehr finde. Zweitens, ich war an jenem Tag im Buchladen eigentlich auf dem Weg nach Spanien und drittens (und am wenigsten wichtig), im „Zweitbuch“ sind (fast) alle Bücher immer billiger, was mich automatisch animiert etwas zu kaufen und dann kaufe ich natürlich das Beste was ich sehe. „Paul Ingendaay – Gebrauchsanweisung für Spanien“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren

Im Jahre des Herrn 2011 kam Thomas Glavinics Reiseroman „Unterwegs im Namen des Herren“ heraus. Er beschreibt die Reise des Alter Egos Glavinic mit seinem Freund Ingo in den bosnischen Pilgerort Medjugorje. Die beiden Herren wünschen sich, ein näheres Bild von einer Pilgerreise zu machen. Gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger streng gläubigen Menschen, fahren sie von Wien aus per Bus (wundervoller erster Satz des Buches: „Sechs Uhr früh ist eine Uhrzeit, die ich sonst nur von der anderen Seite her kenne.“) auf den Balkan. Als Atheisten beobachten sie das Geschehen, sind aber nicht wirklich von den Botschaften begeistert, doch irgendwie bleibt doch etwas Hängen bei diesem drei Tages-Trip zwischen Himmel und Hölle. „Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren“ weiterlesen

Thomas Pynchon – Gegen den Tag

Über ein halbes Jahr hat mich „Gegen den Tag“ begleitet, ich kann mich nicht erinnern je so lange für einen Buch gebraucht und es trotzdem beendet zu haben. Doch das ist keinesfalls als Kritik am Werk zu verstehen. Fast 1600 Seiten stark ist Pynchons sechster Roman, der 2006 veröffentlicht wurde. Trotz dieser Länge und dem Hang des Autors, Sätze unter einer Zeilenlänge von drei nicht wirklich beginnen und schon gar nicht enden lassen zu wollen, ist es ein grandioses Werk und mit Sicherheit das Beste, dass ich vom großen Unbekannten der amerikanischen Gegenwartsliteratur las. „Thomas Pynchon – Gegen den Tag“ weiterlesen

Peter Stamm – Weit über das Land

Mit Peter Stamms neustem Roman „Weit über das Land“ fremdle ich ein wenig. Eine Familie kommt aus dem Urlaub zurück, es ist einer der letzten heißen Augusttage und die Eltern Astrid und Thomas sitzen auf der Terrasse und verabschieden den Sommer mit einem Glas Wein und der Sonntagszeitung. Der kleine Sohn ruft, Astrid geht ins Haus und Thomas geht fort. Er verlässt die Familie von jetzt auf gleich, ohne ein Wort zu sagen. Er hat keinen Plan, nur seine Freiheit, nur den Moment. Astrid bleibt zurück mit den Kindern. „Peter Stamm – Weit über das Land“ weiterlesen