Von „Trains Dreams“ las ich das erste Mal in einem Roman. Der Autor, dem ich durch jenes Buch und weitere Werke sehr gewogen bin, gab dort an, dem Buch von Dennis Johnson sehr gewogen zu sein. Seit diesem Moment ging mir die Novelle „Train Dreams“ nicht mehr aus dem Kopf. Mir ist durchaus bewusst, dass Lobpreisungen in Romanen nicht immer ernst gemeint sein müssen, aber meine Neugier war nun eben mal geweckt. Und außerdem können bei mir zwischen geweckter Neugier und letztendlichem Lesen durchaus auch Jahre liegen. „Denis Johnson – Train Dreams“ weiterlesen
Kategorie: Literatur
Javier Marías – Alle Seelen
„Alle Seelen“ ist zu den früheren Werken von Javier Marías zu zählen. Da ich schon eine Weile nichts mehr vom Madrilenen gelesen hatte und mich irgendwie nicht an das Opus Magnum „Dein Gesicht morgen“ traue (weil ganz schön lang) habe ich mir eben einen etwas älteren und auch kürzeren Roman besorgt. Dieser wurde 1989 veröffentlicht und handelt von einem spanischen Dozenten, der zwei Jahre lang in Oxford an der Universität arbeitet. In dieser Zeit, die ihm verwirrend und unklar vorkommt, in der er nicht sein eigentliches Leben zu leben scheint, lernt er einige neue Menschen kennen, die aber allessamt nach jenen zwei Jahren aus seinem Leben entschwinden. So wie Cromer-Blake, sein Kollege und Freund vom Department für spanische Literatur oder Rylands, die graue Eminenz der Literaturwissenschaften in Oxford. Nicht zu vergessen Claire Baynes, selbst Dozentin, die zur Geliebten des namenlosen Ich-Erzählers wird und das obwohl sie einen Mann und einen Sohn hat. „Javier Marías – Alle Seelen“ weiterlesen
Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche
Die wohl fundamentalste Frage, die man an sich selbst richten kann ist, wer bin ich? Lösen kann man diese Frage nie vollständig, ignorieren kann man sie zeitlebens. Aber wenn man sich dem Thema nähern möchte, kann man beispielsweise reflektieren, was man sich im (oder vom) Leben wünscht. Und hier sind weniger konsumistische (das neue Smartphone) oder punktuelle (dem Mann vor mir in der Schlange zur Kasse weniger Lebensmittel im Wagen) Wünsche gemeint, sondern das was tief in uns schlummert. Wünsche die wir vielleicht verdrängen, bei denen wir wissen, dass es Wünsche bleiben werden, die wir nicht für realistisch halten, oder vor deren Erfüllung wir gar Angst haben. Thomas Glavinic analysiert in seinem 2009er Roman „Die Welt der Wünsche“ genau dieses Szenario.
Wir erleben Jonas, denn der Leser schon aus dem Roman „Die Arbeit der Nacht“ kennt. Ob es der selbe Jonas ist, wie dort, spielt eigentlich keine Rolle. Jonas hat eine Frau, Helen, und zwei Söhne, Chris und Tom. Er arbeitet in einem eher mittelmäßigen Job, sein Vater sitzt nach einem Schlaganfall im Altenheim, seine erste Liebe und immer noch gute Freundin Anne ist unheilbar krank, seine Mutter schon lange Tod. Die Ausflucht und der Hoffnungsstrahl seiner Welt ist neben seinen Söhnen, Marie. Sie ist nicht nur seine Geliebte, sondern sie ist seine Bestimmung, der Mensch dem man unerbittlich, unendlich, einzigartig liebt. Ungünstigerweise ist auch Marie verheiratet und hat einen Sohn. Beide wollen für ihre Liebe, ihre eigentlichen Familien, ihr Umfeld, ihr gewohntes Leben nicht verlassen.
In einem Park trifft Jonas eine zwielichtige Person, der ihn um eine Sekunde bittet. Er weiß alles über Jonas, weiß von seiner Affäre, aber er will ihn nicht erpressen. Ganz im Gegenteil, er schenkt ihm drei Wünsche, was Jonas verwirrt. Aus ihm sprudeln eine ganze Reihe von Ideen heraus, jedoch beschließt er, dass er nur einen einzigen Wunsch hat, nämlich das alle seine Wünsche in Erfüllung gehen. Und so endet dieses Treffen und Jonas Leben geht weiter, so wie er es gewohnt ist. Langsam jedoch schleichen sich Veränderungen ein. „Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche“ weiterlesen
Helge Schneider – Satan Loco
So mindestens einmal in der Dekade gerate ich in Helge Schneider Fieber. Ob das mit den derzeitigen Temperaturen zu tun hat wage ich zu bezweifeln, aber es ist tatsächlich recht praktisch sich Literatur der „singenden Herrentorte aus Mülheim“ vorzunehmen, wenn man beispielsweise beim Sonnenbad Bräunungsstufen erreichen möchte, die selbst im Solarium zu entsetzen führen würden und dafür leicht verdauliche Kost in Zeilenform bevorzugt .
„Satan Loco“ ist wurde von mir in drei Tagen gelesen und man hat ständig das Gefühl das Helge Schneider nicht viel mehr Zeit für das Verfassen der rund 130 Seiten aufgewendet hat. Aber das ist Schneiders Stil, das fast schon abstrus simpel und kindlich wirkende, was dann aber tatsächlich an den einen oder anderen Stellen tiefschürfend, banal-genial und kreativ wirkt. Das hat zur Folge das man bei „Satan Loco“, auf eine Detektivgeschichte trifft, deren Inhalt zu platt für eine Kurzzusammenfassung ist, die aber tatsächlich einigen Spaß beim Lesen bereitet und ideale Freibad, Strand, Liegestuhl oder was auch immer Lektüre darstellt.
Thomas Pynchon – Bleeding Edge
Thomas Pynchon ist einfach ein Faszinosum. Der Autor von dem keine (aktuellen) Fotos existieren und der bei den Simpsons mit einer Papiertüte über den Kopf dargestellt wird, hat 2013 seinen neusten und nunmehr achten Roman veröffentlicht. Diesmal widmet er sich zwei Ereignissen, die unser Leben seit dem Anfang des Jahrhunderts verändert haben. Das eine ist der „11.September“, das andere „Ereignis“ ist das Internet.
Als Leser folgen wir Maxine Tarnow, einer privat ermittelnden Wirtschaftsdetektivin. Sie lebt mit ihren beiden Söhnen allein, da die Ehe mit ihrem Mann Horst nicht richtig funktionieren will. In ihren tagtäglichen Fällen stöbert Maxine sich durch die Welt der Wirtschaftskriminalität, liest Excel Tabellen auf fehlerhafte Rechnungen aus und findet die Lücken, wo Geld abgezweigt wird und in undurchsichtige Kanäle verschwindet. Ein alter Freund, Reg, hat den Auftrag bekommen die Internetfirma „hashslingrz.com“ (ein „hash slinger“ ist eine unhöflicher Kellner oder Koch in einem runtergekommenen Diner) zu dokumentieren, aber diese wirkt auf ihn zunehmend suspekt und er bittet Maxine, sich das Unternehmen etwas genauer anzusehen. Dabei stößt sie auf die dubiosen Machenschaften das Dot.Com Oligarchen Gabriel Ice. Dieser scheint an fast jedem Internetunternehmen beteiligt zu sein und kauft immer weiter ein. Sein Interesse, scheint sich auch auf ein Projekt von zwei von Maxines Freunden zu richten. Vyrva und Justin schicken ihre Tochter auf die gleiche jüdische Schule wie Maxine ihre Söhne. Justin hat zusammen mit einem Freund ein Programm namens „DeepArcher“ (sprich: Departure) entworfen, eine Art von second life, eine virtuelle Realität. Das Programm versteckt sich im schwer zugänglichen Teil des Internets im Deep Web, benutzt aber eine Verschlüsselung, auf die es scheinbar die ganze Welt abgesehen hat. „Thomas Pynchon – Bleeding Edge“ weiterlesen
Thomas Glavinic – Wie man leben soll
Man hat ja so seine Lieblingsautoren. Von denen liest man gern alles, was sich auftreiben lässt. Günstigerweise lässt sich von Thomas Glavinic noch eine Menge auftreiben und so fällt einem sein vierter Roman „Wie man leben soll“ in die Hände. Auch wenn man der Meinung ist, dass dieses Werk nicht an die Glanzstücke seines Oeuvres ran reicht, so erfreut man sich doch an dem wie immer ausgesprochen humorvollen Ton und dem wie immer anregenden Stil der Verwendung größtmöglicher Quantität an Indefinitivpronomen, den der Autor einen präsentiert, der in diesem Fall hier nachgeäfft wird (wenngleich auf weniger hohem literarischen Niveau). „Thomas Glavinic – Wie man leben soll“ weiterlesen
Jonathan Franzen – Die 27ste Stadt
Jonathan Franzens Weltruhm begann um die Jahrhundertwende mit seinem Roman „Die Korrekturen“. Dies war aber schon sein dritter Roman, die beiden Vorgänger, „Strong Motion“ und „Die 27ste Stadt“ erreichten bei weitem nicht so ein großes Publikum. Aber das ist etwas ungerecht, denn beide Bücher verdienen Beachtung. Da ich „Strong Motion“ schon vor vielen Jahren durchlas, fiel meine Aufmerksamkeit auf Franzens Debüt aus dem Jahr 1988, dass erst durch den Erfolg der „Korrekturen“ ins Deutsche übersetzt wurde und daher hier 2003 herauskam. „Jonathan Franzen – Die 27ste Stadt“ weiterlesen
Daniel Kehlmann – F
Nachdem ich zweimal hintereinander an Büchern scheiterte (Le Clézios „Das Fieber“, das mir wieder mal zeigte das die Auswahl des Nobelkomitees nicht immer auch meine Wahl ist und an Christa Wolfs „Nachdenken über Christa T.“, über der bei mir ein Fluch liegt, denn schon zu Schulzeiten war ihre „Kassandra“ das am schwierigsten zu lesende Buch für mich und eine schmerzliche Erinnerung an meinen Deutsch-Grundkurs), wollte ich auf bewährte, aber intelligente Lektüre zurückgreifen. Was liege da näher als der mittlerweile schon ein Jahr alte, neue Kehlmann. „Daniel Kehlmann – F“ weiterlesen
Wolfgang Herrndorf – Sand
Als Kind habe ich gern Sand in eine Hand genommen und ihn langsam aus ihr herausgleiten lassen. Wie viele kleine Körner dabei zurück flossen und wie viele in der Hand blieben, war mir immer ein unberechenbares Rätsel. Die Körner waren zu klein, um sie zu zählen, und sie waren zu schnell verschwunden um sie festzuhalten.
Wolfgang Herrendorfs Roman „Sand“ ist das letzte zu Lebzeiten des viel zu früh verstorbenen Autors herausgekommene Buch, ein Roman, der so ganz und gar nicht zu seinem großen Erfolg „Tschick“ passt, und auch nicht mit „In Plüschgewittern“ zu vergleichen ist. „Sand“ ist ein um einiges rätselhafterer Roman, aber ein Abenteuer auf das man sich unbedingt einlassen sollte. „Wolfgang Herrndorf – Sand“ weiterlesen
David Foster Wallace – Vergessenheit
Am 12.9.2014 habe ich begonnen „Vergessenheit“ zu lesen. Das ist rein zufällig genau sechs Jahre nach dem freiwilligen Tod von David Foster Wallace (das ich an jenem grauen Nachmittag, an dem der Niesel die ohnehin schon trostlose Haltestelle am Bahnhof Mitte noch grauer und unangenehm feuchter machte und den Lesenden nur Schutz unter der Brücke gewährte, die letzten drei Erzählungen begann, die ich noch nicht von Ihm kannte, war tatsächlich nicht geplant. Ein Zufall, keine geplante Entscheidung, kein feierliches Beginnen an einem Jahrestag, einfach nur Zufall). Es ist das letzte belletristische Buch das mir von DFW blieb. Gestern habe ich es beendet. Es war großartig.
Anders als im Original „Oblivion“, ist der Erzählband im Deutschen in zwei Ausgaben erschienen, zum einen in „In aller Vertrautheit“ und zum anderen in „Vergessenheit“. Dieser Band hat nur drei Geschichten, doch die haben es in sich. War die ein oder anderen Story von „In aller Vertrautheit“ noch manchmal etwas kompliziert zu lesen, sind jene durchgängig und problemlos für den Leser aufnehmbar, auch wenn das ein oder andere Fremdwort von DFW immer eingestreut wird, aber dadurch wird man allenfalls klüger. „David Foster Wallace – Vergessenheit“ weiterlesen