Am 7. November 2013 kam David Foster Wallace letzter Roman in der deutschen Übersetzung in die Buchläden. Seit Weihnachten liegt das Buch in meinem Regal und pünktlich zum neuen Jahr fing ich an den „bleichen König“ zu lesen. Was konnte ich erwarten? Schwer zu sagen, denn als DFW am 12. September 2008 starb, war dieser Roman noch nicht fertig, sondern lag in zahlreichen Manuskripten, Anmerkungen und Notizen in des Autors Garage. Sein Verleger Michael Pietsch entschied sich, gemeinsam mit Wallace Witwe Karen Green und seiner Agentin Bonnie Badell das Material zu veröffentlichen, was für DFW mit Sicherheit ein riesiger Graus gewesen wäre, denn er hasste es unfertige Arbeiten jemanden zu zeigen, geschweige denn sie zu veröffentlichen. Ich teile aber Pietschs in den Anmerkungen zum Roman getätigter Argumentation, dass es zu viele DFW Fans (zu denen, wie sie wissen ich mich auch zähle) gibt, die eben nicht die Chance haben, seinen Nachlass in einer speziellen Bibliothek der University of Texas zu lesen. Ich möchte den letzten Satz seiner Anmerkungen zitieren: „David ist leider nicht mehr da, um uns am Lesen zu hindern oder uns zu vergeben, dass wir ihn lesen wollen.“ (S.625) „David Foster Wallace – Der bleiche König“ weiterlesen
Kategorie: Literatur
Günter Heribert Münzberg – Mayday über Saragossa. Heinz-Dieter Kallbach – Deutschlands legendärster Flugkapitän
Nachdem ich Cornelius Maschmanns Buch gelesen hatte, das aus dem Leben eines Flugkapitäns erzählt und ich ein wenig enttäuscht war, über die zeitweilige Ereignislosigkeit des Inhalts, lag es nahe bei meinem Opa das Buch über Heinz-Dieter Kallbach auszuleihen. Dieser ist sicherlich dem ein oder anderen bekannt von seiner spektakulären Landung mit einer IL62 auf einem Rasen bei Stölln (siehe Video unten).
Das Lesen der ersten Kapitel überrascht dann schon und zwar weniger wegen des Inhaltes, mehr wegen der Form und dem eigenwilligen Schreibstil. Das Buch wurde von Günter Heribert Münzberg geschrieben, der zweifellos kein großer Literat ist und bei dessen Zeilen man immer denkt, seine eigentliche Absicht war es, ein 450 Seiten starkes Arbeitszeugnis für Kallbach zu verfassen. Begriffe wie „fliegerische Tätigkeit“ fallen dabei dutzendweise und wenn man sich heute vorstellen möchte wie in der DDR offizielle Berichte verfasst wurden, so fühlt man sich bei diesem Buch daran erinnert. Außerdem wird die Hauptperson auch nach 400 Seiten noch ganz offiziell „Flugkapitän Heinz-Dieter Kallbach“ genannt. Münzberg findet großen Gefallen daran, Qualifikationen aufzuschreiben und man fühlt sich an die „Aktuelle Kamera“ erinnert, bei der dauernd alle, aber auch wirklich alle Titel von Erich Honecker immer und immer wieder mit erwähnt wurden, als hätte man das nicht schon gestern, vorgestern, letzte Woche und letztes Jahr gehört. Außerdem lastet vielen Erklärungen ein gewisser archivarischer Ton an. Flugrouten werden präzise wiedergegeben und wir erfahren auch vom letzten Winkel, den Kallbach bei seinen Reisen überflog. Gern wird auch das komplette Personal von einzelnen Flügen aufgezählt, auch wenn die, als dritte aufgeführte Stewardess überhaupt keine Rolle für den Abschnitt spielt, wird sie dem Leser nicht verheimlicht. Interessant ist, dass Menschen, die Kallbach so gar nicht mag, gern nur mit einem Großbuchstaben erwähnt werden, daher M. oder ähnlich, was dann im Gegensatz zu der sonst praktizierten Ausführlichkeit steht. Aber genug zum Stil des Buches, wie schon erwähnt ist dieser eigenwillig, irgendwie antiquiert aber, und das ist sicherlich am wichtigsten, lesbar (auch wenn manchmal Zusammenhänge nicht immer für Leser ohne Vorkenntnisse zu verstehen sind, hier verfällt das Buch eher der Logik, warum an den Leser denken, Hauptsache man hat aufgeschrieben wie man es erlebt hat). „Günter Heribert Münzberg – Mayday über Saragossa. Heinz-Dieter Kallbach – Deutschlands legendärster Flugkapitän“ weiterlesen
Cornelius Maschmann – Zur Not kann die Kiste auch segeln
Ich habe eine gewisse Hass-Liebe zur Fliegerei. Auf der einen Seite plagt mich Flugangst. Auch wenn die innerhalb der letzten Jahre nachgelassen hat, so ist mir eine Flugreise immer noch nicht alles andere als egal. Auf der anderen Seite verspüre ich eine riesige Faszination in die Welt der Flugzeuge, Airlines und Piloten einzutauchen und wenn es um Geschichten, Anekdoten oder Wissenswertes aus der Welt des Fliegens geht, ist meine Aufmerksamkeit sicher.
Im Herbst sah ich dann in einer großen Buchhandlung eher beiläufig Cornelius Maschmanns Buch „Zur Not kann die Kiste auch segeln“, ein Werk das den Untertitel „Ein Flugkapitän erzählt“ trägt. Interessanterweise sah ich die Lektüre in der Abteilung „Lokales“ in Frankfurt am Main liegen, was nur wieder zeigt welch großen Einfluss der Luftverkehr in Hessens größter Stadt hat. „Cornelius Maschmann – Zur Not kann die Kiste auch segeln“ weiterlesen
Michael Chabon – Die Geheimnisse von Pittsburgh
„Die Geheimnisse von Pittsburgh“ ist Michael Chabons Debütroman aus dem Jahr 1987. Er erzählt den Sommer von Art Bechstein, eines College Absolventen, dessen Vater ein bekannter Mafia-Boss ist. Art jedoch hat keine Ambitionen in das väterliche Gewerbe einzusteigen, er möchte einen letzten freien Sommer genießen, bevor er im Herbst ernsthaft und erwachsen werden will. In der Bibliothek lernt er Artur kennen, einen distinguierten 25-jährigen Homosexuellen, der sich sehr für Art interessiert. Artur führt Art in gesellschaftliche Kreise unterschiedlicher Ausprägung in Pittsburgh ein und verkuppelt ihn schließlich mit Phlox, einer Mitarbeiterin der Bibliothek. Und er macht Art mit Cleveland bekannt, Arturs besten Freund seit Kindheitstagen. Während Phlox und Art schnell ein Paar werden, Cleveland immer mehr auf die schiefe Bahn zu geraten scheint, ist Artur in Art verliebt. „Michael Chabon – Die Geheimnisse von Pittsburgh“ weiterlesen
Daniel Kehlmann – Mahlers Zeit
Da mir „F“, Kehlmanns neuester Roman noch etwas zu teuer ist, habe ich mich mit gebrauchter Ware eingedeckt, und zwar mit seinem drittem Roman, „Mahlers Zeit“ aus dem Jahr 1999, in meiner Version als Taschenbuch, dass in seiner weinroten Farbe und bei seiner Größe von mir mehrmals äußerlich mit meinem Reisepass verwechselt wurde. „Daniel Kehlmann – Mahlers Zeit“ weiterlesen
Peter Stamm – Wir fliegen
Peter Stamm ist der erste Schriftsteller, den ich erst bei einer Lesung kennen lernte und der mich dann gleich so beeindruckte, dass ich ein Buch von ihm erwarb. Bei der Frankfurter Buchmesse – sie wissen schon, das Ereignis was meinen Kinokonsum minimierte und dafür meine Leseliste anschwellen ließ – gibt es die schöne Veranstaltungsreihe namens „Open Books“, bei der Autoren aus Ihren neuesten Werken lesen. Bei Peter Stamm war ich sofort von seiner Sprache begeistert, der Klarheit seiner Sätze, die nie umständlich wirken und dem Leser trotzdem genügend Raum für die eigene Fantasie lassen.
Mein erstes Buch von ihm war aber nicht ein Roman, schon gar nicht sein Neuster „Nacht ist der Tag“, dessen Story mir irgendwie langweilig erscheint, auch wenn ich die Begeisterung paradoxerweise über Peter Stamm, eben aus jenen vorgelesenen 10min der Lesung (die Lesung funktioniert nach folgendem Prinzip, 8 Autoren haben je 15min Zeit, 5min plaudert ein Moderator mit ihm und 10min wird aus dem Buch vorgelesen) gezogen habe. Ich entschied mich für „Wir fliegen“, 12 Erzählungen, veröffentlicht 2008, wobei diese Angabe vollkommen unerheblich ist, denn Stamms Erzählungen sind eher zeitlos, sie könnten heute genauso gut spielen, wie vor 20 oder 100 Jahren. In jeder der Erzählungen werden wir zumeist in Alltagssituationen der Protagonisten geworfen. Jedoch ist keine Geschichte schlichte Wiedergabe des tagtäglichen Lebens, sondern immer etwas Besonderes, ein Ausschnitt aus dem großen Spektrum des Daseins. „Peter Stamm – Wir fliegen“ weiterlesen
Ian McEwan – Saturday
Es dürfte sie schon etwas langweilen, wenn ich sie immer wieder damit behellige aus welcher Motivation heraus ich die einen oder anderen Autoren lese, aber ich mache es trotzdem (hauptsächlich darum, damit ich es nicht vergesse, ich möchte sie gar nicht langweilen).
An einem Sonntagvormittag im Herbst sind die Pläne für den Tag gemacht, denn es soll zur Buchmesse gehen. Was könnte da inspirierender wirken, als eine Buchsendung, von eben jener Veranstaltung im Fernsehen zu schauen, quasi als Vorbereitung. Und in eben jenem Medium fällt das Wort der vier Rezensenten auf Ian McEwan, der einhellig als großer Autor gelobt wird. Sein neues Buch „Honig“ wird in wohlwollenden Tönen besprochen, meine Aufmerksamkeit steigt und ich notiere mir den Namen in meiner Bücherliste. Da gebrauchte und etwas ältere Bücher aber preiswerter sind und meine Bücherliste sowie, so schon ein nicht gerade kleines Ausmaß annahm und damit nicht unerhebliche Anschaffungskosten verbunden waren, beschloss ich ein etwas älteres Werk des mittlerweile 65-jährigen Briten zu erwerben, dass man aus zweiter Hand bekommen könnte. In jener Buchsendung wurde von McEwan weiterhin „Solaris“ sehr gelobt, was leider (wohl auch wegen des öffentlichen Lobes) den Bestand in Online Gebrauchtbuchläden zu stark dezimierte und ich daher auf „Saturday“ zurückgreifen musste, ein dritter kurz Erwähnung findender Roman, der in jener Sendung allerdings etwas kontrovers diskutiert wurde. Das hat aber den Vorteil, dass der Internetlieferant meiner Wahl das Buch noch zu einem sehr günstigen Preis anbot. Also, bestellt! „Ian McEwan – Saturday“ weiterlesen
David Foster Wallace – Alles ist grün
Sie kennen das vielleicht. Sie haben einen Lieblingsautor und saugen begierig alles auf, was Sie von ihm bekommen können. Irgendwann einmal haben Sie dann fast alles gelesen, wägen ab, was wirklich klasse war und was immer noch gut zu lesen ist und stellen fest, dass Ihnen nur noch übrig bleibt, auf das neuste Buch des begnadeten Künstlers zu warten. Bei David Foster Wallace (DFW) ist dies ein gemischtes Vergnügen, denn seit seinem Ableben 2008, ist die Zufuhr neuer Texte arg begrenzt. Was nicht heißt, dass der Buchmarkt nicht noch ein paar Asse im Ärmel hätte. So kam 2011 der Erzählband „Alles ist grün“ heraus. Freilich sind dies nur dem deutschen Leser unvertraute Texte, denn sie stammen allessamt aus dem 1989 veröffentlichen Band „Girl with Curious Hair“, dass in der deutschen Übersetzung „Kleines Mädchen mit komischen Haaren“ zwar 2001 veröffentlicht wurde, allerdings nur in einer um 5 Erzählungen (daher der Hälfte!) gekürzten Version. Jetzt also Teil 2!
Da fragt man sich natürlich schon irgendwie, warum wurde das damals nicht gleich mit veröffentlicht? Sind diese Texte weniger gut? Was zeichnet denn einen guten Text aus und wer darf das entscheiden? „David Foster Wallace – Alles ist grün“ weiterlesen
Wolfgang Herrndorf – In Plüschgewittern
Seit der Frankfurter Buchmesse bin ich in einem Literaturstrudel gefangen. Statt Filme zu schauen, lese ich lieber und es gibt ja so unglaublich viel zu lesen. Meine Leseliste ist innerhalb von wenigen Stunden auf 14 Titel angewachsen (so viele Romane lese ich sonst in ein bis zwei Jahren, wenn überhaupt). Ich bin mal gespannt, wie lange das anhält, denn für gewöhnlich halte ich das nicht lange durch. „Wolfgang Herrndorf – In Plüschgewittern“ weiterlesen
Hans-Jörg Schmidt – Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche
Wie Sie als geneigter Leser dieses Blogs vielleicht schon mitbekommen haben, hat sich gerade in diesem Jahr meine Aufmerksamkeit zunehmend in Richtung unseres Nachbarlandes Tschechiens verschoben. Das liegt zum einen, an seiner geographischen Nähe und der damit verbundenen schnellen Erreichbarkeit und zum anderen, an seiner spannenenden Geschichte, schönen Natur und reizvollen Orten, die man wunderbar einfach erkunden kann. „Hans-Jörg Schmidt – Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche“ weiterlesen