Roberto Bolaño – Amuleto

Erschien 1999 im spanischen Original | deutsche Übersetzung von Heinrich von Berenberg erschien 2002 bei Verlag Antje Kunstmann (hier vorliegend als Fischer Taschenbuch) | 176 Seiten

Die Welt wird zunehmend komplexer und tatsächlich kann darin eine gewisse Langweiligkeit liegen, wenn man sich in ihrer Komplexität verliert. Wie Sie, geneigter Leser, vielleicht schon bemerkt haben, entwickle ich mich zum großen Freund des Autors Roberto Bolaño. Wie bereits an anderer Stelle vermerkt, erwarb ich Sekundärliteratur zu Bolaños Roman „2666“. Diese habe ich immer noch nicht beendet, aber in diesem kleinen Büchlein, war die Bemerkung zu lesen, dass die Zahl „2666“ im Roman „Amuleto“ genannt wird. Also habe ich habe ich mir noch schnell diesen Roman besorgt. Die Frage ist aber, auf der Suche nach was bin ich da eigentlich? „Roberto Bolaño – Amuleto“ weiterlesen

Roberto Bolaño – Die wilden Detektive

Erschien 1998 im spanischen Original („Los detectives salvajes“) | deutsche Übersetzung von Heinrich von Berenberg erschien 2002 bei Carl Hanser (hier vorliegend als Taschenbuch bei Fischer 2018) | 688 Seiten

Der Monat April in diesem Jahr sah zwei wichtige Geburtstage in meinem Leben. Aber eigentlich kann man das so nicht sagen, denn beide Geburtstage betreffen nicht lebende, biologische Körper und eine Gratulation meinerseits wäre unerheblich bzw. irreführend, weshalb ich an beide Ereignisse hier per Blog erinnern möchte. Am 12. des Monats wurde die ruhmreiche SG Dynamo Dresden 70 Jahre alt, ein Verein, der mir tatsächlich schon Tränen der Freude, als auch der Trauer bescherte, der mich regelmäßig an der Vernunft menschlicher Zivilisation zweifeln lässt, aber auch an der Großartigkeit gemeinsamer Communitas-Erfahrungen hat teilhaben lassen. Hier darf ich an dieser Stelle meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, dass ich den schwarz-gelben Hornissen noch viele Jahre gewogen sein werde und ihre Tore mein Herz erfreuen.

Ein anderer Geburtstag wäre heute gewesen. Am 28.4. wäre Roberto Bolaño 70 Jahre alt geworden (hier muss der Konjunktiv des Präteritums ran, denn Bolaño starb, wie bereits im Artikel zu seinem Roman „2666“ erwähnt, vor knapp 20 Jahren) und für mich war dies ein guter Grund seinen Roman „Die wilden Detektive“ bis zu seinem (vermeintlichen und nur von seinen Lesern zelebrierten) Ehrentag zu vollenden. „Roberto Bolaño – Die wilden Detektive“ weiterlesen

Christian Geulen – Geschichte des Rassismus

Erschien 2007 (hier in Neuauflage für Landeszentralen für politische Bildung 2021) | Sachbuch | 128 Seiten

In der Veröffentlichung meiner Gedanken zu Sachbüchern in diesem kleinen Blog, habe ich in letzter Zeit eine große Zurückhaltung geübt, denn darüber auch nur ansatzweiße kompetent zu schreiben, erfordert viel Einarbeitung und Zeit. Jedoch muss ich immer wieder feststellen, wieviel mir an angelesenen und nicht-verschriftlichten Wissen, im Laufe der Zeit wieder verloren geht, weshalb ich mit großer Freude verkünden kann, ein neues Tool gefunden zu haben, das es mir ermöglicht, festzuhalten, was ich gedanklich durchgearbeitet habe.
Das Werkzeug heißt Obsidian und kann wie ein zweites Gehirn angewendet werden (wobei das ein offensichtlicher Euphemismus der bereits damit arbeitenden User ist, es ist mehr wie ein persönliches Wikipedia). In dieses Programm pflegt man alles an Gedanken und Ideen ein, die man gelesen, gehört, gesehen und natürlich durchdacht hat. Diese trägt man in Obsidian in einer Art Zettelkasten ein. Der Clou an Obsidian ist es, dass man alle Ideen (oder Zettel) miteinander verknüpfen und in Beziehung setzen kann, was es nicht nur ermöglicht, sich seiner Gedanken zu erinnern, sondern diese auch zu neuen Einsichten zusammenzuführen.

Warum langweile ich Sie, geneigter Leser, mit solchen Informationen? Weil ich hoffe damit auch kompetentere Aussagen für diesen kleinen Blog treffen zu können. Bisher galt mir dieser, als mein Gedächtnis für Bücher, Filme, Serien und etwas mehr. Mit Obsidian hoffe ich ein Programm gefunden zu haben, dass die begrenzte Funktionalität dieses Blogs einerseits ersetzt und andererseits erweitert. Ich möchte sie nun aber nicht mit den digitalen Verknüpfungsrichtlinien meiner Gedanken langweilen, die Konsequenz, die ich aus Obsidian ziehe, soll für „tommr.de“ die sein, hier weiterhin meine Ideen zu den oben genannten Themen zu erläutern, diese jedoch in einen breiteren Kontext zu stellen und damit auch wieder fundierte Aussagen über gesellschaftliche Themen treffen zu können und dem hier zufällig hineinklickenden Leser zur Verfügung zu stellen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle Christian Geulens Einführungsbändchen zur Geschichte des Rassismus thematisieren, denn es ist das erste Buch, dass ich versucht habe, vollständig in Obsidian einzubauen. „Christian Geulen – Geschichte des Rassismus“ weiterlesen

Alice Munrow – Liebes Leben

aus der Reihe: aus fremden Regalen

veröffentlicht 2012 unter dem englischen Originaltitel: „Dear Life“| deutsche Übersetzung von Heidi Zernig erschien 2013 bei Fischer | hier gelesen in der Taschenbuchausgabe mit 368 Seiten

Alice Munros Erzählband „Liebes Leben“ lag nun schon seit Jahren bei meiner Mutter im Regal, neu und ungelesen, einst von meiner Schwester geschenkt. Also mopste ich mir das Buch, um die kanadische Literaturnobelpreisträgerin von 2012 für mich zu entdecken. Das war kein schlechter Diebstahl, obwohl es eigentlich kein Diebstahl war, denn ich werde das Buch meiner Mutter sofort zurückgeben, allerdings unter der Begleitbemerkungen, dass diese Erzählungen wunderbare Literatur sind und unter dem optischen Eindruck, dass das Buch jetzt schon durchgelesen aussieht.
Bei „Liebes Leben“ sollte man vielleicht den Titel des Buches spezifizieren, denn es geht nicht um irgendwelche Liebesleben, sondern um die Anrede an das Leben im Allgemeinen, so wie wenn man einen Brief an das Leben schreiben würde.[1]

„Alice Munrow – Liebes Leben“ weiterlesen

Brian May, Patrick Moore, Chris Lintott – Bang! Die ganze Geschichte des Universums

aus der Reihe: aus fremden Regalen

Erschien 2006 mit dem Originaltitel: „BANG“ | deutsche Übersetzung: Hermann-Michael Hahn erschien 2007 bei Kosmos | 192 Seiten

Wie bei so vielen Dingen, kann ich nicht mehr genau sagen, wie es angefangen hat. Aber seit einiger Zeit, es mag sich bereits um einige Jahre handeln, habe ich ein Prozedere, um einen bestmöglichen Nachtschlaf zu erhalten. Er beinhaltet das Studium der Astrophysik. Ich finde den Kosmos, das Werden und Verstehen von Sternen, Planeten, die Regeln die alles zusammenhält (bzw. eben gerade nicht) höchst interessant UND gleichzeitig so komplex, dass mein Bewusstsein regelmäßig nach einigen Minuten auf Schlaf umstellt.[1] Böse Geister könnten nun behaupten, ich benutze die Kosmologie nur um mich auszuruhen, aber ich habe nicht nur einige Sachen bereits gelernt über den Urknall, die riesige Zahl an Sternen und Universen (das ist tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar!) oder die kosmologische Konstante. Neulich kam ich mit meinem Schwager ins Gespräch über das Thema und er wiederum erwähnte ein Buch des ehemaligen Queen-Gitarristen Brian May, der ein höchst lesenswertes Buch zum eben beschriebenen Thema schrieb, dass mein Schwager dankenswerterweise nicht nur aus seinem Regal zog, sondern mir auch zum Studium überließ.[2]

„Brian May, Patrick Moore, Chris Lintott – Bang! Die ganze Geschichte des Universums“ weiterlesen

David Mitchell – Utopia Avenue

Erschien im Original: 2020 | deutsche Übersetzung von Volker Oldenburg | 2022 erschienen bei Rowohlt | 748 Seiten

Als mir letzten Sommer mein Geburtstagswunsch erfüllt wurde und ich David Mitchells neustes Buch bekam, da war mir klar, dass es vorerst der letzte Roman des britischen Schriftstellers für mich sein würde, denn mit seinem 2022 auf Deutsch erschienen Buch habe ich alle von ihm momentan verfügbaren Werke gelesen[1]. Also verzögerte ich den Lesegenuss nach hinten und als 2023 anbrach wurde ich mir bewusst, dass ich nun doch endlich anfangen könnte, die 748 Seiten anzugehen.

„Utopia Avenue“ spielt im Jahr 1967. Der kanadische Musikmanager Levon Frankland führt vier junge Musiker in London zusammen, um eine Band zu gründen. Da ist der abgebrannte Bassist Dean Moss, aus Gravesend stammend, einem Arbeitervorort am östlichen Ende der Themse gelegen. Die Keyboarderin Elf Holloway, die kürzlich von ihrem Freund verlassen wurde, der Halb-Brite, Halb-Holländer Jasper de Zoet, der ein begnadeter Gitarrist ist, aber ein sehr merkwürdiger Einzelgänger zu sein scheint und der Nordengländer Griff, der das Schlagzeug spielt. Die vier Musiker finden tatsächlich musikalisch zueinander und schon bald spielen sie ihre ersten Konzerte und sie starten einen gemeinsamen Weg kreativer Entfaltung, öffentlicher Aufmerksamkeit, Geld und Starrummel, der sie tief ins Musikbusiness eintauchen lässt. „David Mitchell – Utopia Avenue“ weiterlesen

Ingo Schulze – Simple Stories

Erschien 1998 beim Berlin Verlag | hier vorliegend als Taschenbuch bei dtv mit 315 Seiten

In den frühen 2000er Jahren konnte ich mich nicht, eines umherschwirrenden Themas erwehren, welches darin bestand; dass damals schon 10 Jahre zur Bundesrepublik gehörende Ostdeutschland zu durchdenken. Das „vereinigte Deutschland“ war damals – und ist es heute noch – ein ungewöhnlich schiefes Land, oder besser gesagt ein schiefer Begriff. Das liegt an einer eigentümlichen Trennung zwischen: „an Deutschland denken“ und an das „vereinigte Deutschland“ denken. Nimmt man nur letzteres müsste man theoretisch annehmen, an ein gesamtes Land zu denken, aber „vereinigtes Deutschland“ bezog (und bezieht) sich interessanterweise zumeist auf Ostdeutschland und die Frage, was die Leute dort so machen, seit sie zur BRD gehören. Das wirkt ein klein wenig so, als wenn sie nachdem Sex immer nur einen Partner befragen, wie es für diesen – trotz Vereinigung – denn so war und wie es ihm so dabei geht. Ein schönes Beispiel für die Begriffsanomalie ist ein Zitat auf dem Cover der Taschenbuchausgabe von Ingo Schulzes Roman „Simple Stories“ auf dem man lesen kann: „Ingo Schulze hat den langersehnten Roman über das vereinigte Deutschland geschrieben.“ Das schon im Untertitel „ostdeutsche Provinz“ zu lesen ist und der Roman fast ausschließlich im thüringischen Altenburg spielt, verstärkt meinen Verdacht, dass alles, was man über das „vereinigte Deutschland“ sagen kann, immer irgendwie ostdeutsche Befindlichkeit sein muss[1]. „Ingo Schulze – Simple Stories“ weiterlesen

Javier Marías – Berta Isla

Erschien 2017 im spanischen Original | deutsche Übersetzung von Susanne Lange 2019 bei S.Fischer | 656 Seiten

Unter den zahlreichen Toten des Jahres 2022 waren traurigerweise auch Persönlichkeiten zu beklagen, deren Werk und Schaffen ein großer Gewinn für unsere Welt war. In dieser Aufzählung ist klar der spanische Autor Javier Marías zu nennen, der im Herbst des letzten Jahres verstarb, viel zu früh und nur wenige Tage vor seinem 71. Geburtstag. Im wundervollen FAZ-Bücherpodcast mit Paul Ingendaay[1], der sich eigentlich der Frankfurter Buchmesse und dem letztjährigen Gastland Spanien widmete, waren einige Minuten dem großen Madrilenen gewidmet, von dessen Romanen ich eine ganze Weile schwer begeistert war und der eher unabsichtlich in den letzten Jahren etwas aus meinem Blickfeld herausgetreten ist. Sein Ableben veranlasste mich, einer gewissen Logik des Büchermarkts und seiner Konsumenten folgend, ein Werk von ihm zu lesen und da besonders seine beiden neusten und leider auch letzten Romane prominent an manchmal dafür sogar hergerichteten Büchertischen vertreten waren, viel meine Wahl auf „Berta Isla“ ein Roman, der schon mit seinem wunderschönen Cover anspricht.

An dieser Stelle über den Inhalt des Romans zu schreiben ist nicht unproblematisch, denn Javier Marías Bücher bestechen im Regelfall nicht mit einem Handlungsfeuerwerk, was keinesfalls als Kritik zu lesen ist. Ihre Qualität erreichen seine Texte mit dem Ausleuchten der Situationen ihrer Figuren. Diese durchleben daher erst im Laufe der Handlung die ein oder andere Wendung und ich befürchte dem noch nicht mit dem Text vertrauten Leser zu viel zu verraten, so wie der Klappentext meiner Ausgabe, der tatsächlich die erste Hälfte des Buches zusammenfasst.[2] Allerdings wäre es sehr schade nur verkürzt über den Roman sprechen zu können, weshalb an dieser Stelle eine SPOILER-Warnung steht.[3]

„Javier Marías – Berta Isla“ weiterlesen

Der tommr.de Jahresrückblick 2022

2022 ist Geschichte und wie immer, wenn ein Jahr endet möchte ich kurz die Highlights des Jahres in Film, Serien und Buchform wiedergeben, die ich auf tommr.de niederschreiben konnte. Wie es der geneigte Leser dieses Blogs vielleicht bereits gewohnt ist, sollte man meine spleenige Absicht zum Herausstellen von Bestenlisten nicht überbewerten. „Der tommr.de Jahresrückblick 2022“ weiterlesen

Anna Seghers – Transit

aus der Reihe: „aus fremden Regalen

Erschien 1944 in englischer und spanischer Übersetzung und 1947 erstmals im Original auf Deutsch (in der Berliner Zeitung) | hier vorliegend in der Ausgabe des Aufbau Verlages 1985

Seit ich Christian Petzolds Film „Transit“ sah, nahm ich mir vor, irgendwann einmal die Romanvorlage von Anna Seghers zu lesen. Diese fand sich in der Bibliothek meiner Eltern. Ich zupfte mir das Buch aus dem für meine Verhältnisse ungeordneten Büchermeer heraus und beendete mit der Lektüre des Romans das Bücherjahr 2022.

Der Ich-Erzähler namens Seidler sitzt in einem Café in Marseille und erzählt dem Leser seine Geschichte, die mit dem Untergang eines Schiffes beginnt, auf welchem Seidler jedoch nicht Passagier war (und welches tatsächlich das Ende der chronologischen Handlung des Romans darstellt). Wir sind im 2.Weltkrieg und Seidlers letzte Zeit handelt davon, dass er aus Nazi-Deutschland flüchten musste und in Frankreich sein Heil sucht. Doch das Land wird von den Deutschen erobert und die Hauptstadt Paris ist besetzt. Dort übernimmt er einen Auftrag für einen Freund und bringt einen Brief zum Schriftsteller Weidel. Dessen Wirtin erklärt Seidler, dass Weidel sich umgebracht habe und sie seine sterblichen Überreste ohne viel Aufhebens entsorgt hat, weil sie Angst vor den Behörden hat, es sind halt komplizierte Zeiten. Einzig ein Koffer sei geblieben, welche sie Seidler übergibt. Dieser Koffer ändert für Seidler viel und er gelangt letztendlich nach Marseille, wo er durch die Papiere Weidels, die im Koffer lagen, eine Chance auf ein Visa und eine Ausreise aus Europa hat. In Marseille, dass noch von Franzosen verwaltet wird, scharren sich viele Flüchtlinge, um den Kontinent zu verlassen. Hier lernt Seidler auch einen deutschen Arzt kennen und später dessen Freundin Marie, welche ihm schon vorher als betörende und geheimnisvolle Fremde aufgefallen war, die durch die Cafés der Stadt eilt, um dort jemanden zu finden. „Anna Seghers – Transit“ weiterlesen