Vor einiger Zeit hörte ich im Deutschlandfunk eine Lesung von Christoph Heins Roman „Verwirrnis“. Eine Neugier auf dieses Buch spross in mir, wenngleich nur latent und in diesem Sommer wurde der 2018 veröffentlichte Text in meine Sommerleseliste aufgenommen. Tatsächlich sind schon einige Bücher dieser Liste abgelesen und man kommt nicht umhin festzustellen, dass die Hälfte des Sommers schon wieder vorbei ist.
Gerade noch war es Ende April und der Gartentisch wurde auf dem Balkon zum Abendessen erstmals festlich mit Sushi gedeckt, schon werden die Tage wieder kürzer und das Wetter zeigt schonmal, wie es im Herbst sein könnte. Noch ist der Sommer aber nicht abgeschrieben und die Leseliste hält noch einige Bücher parat, aber mit dem hereinbrechenden August wird uns gewahr, dass jeder Sommer, wie jedes Jahr, wieder zu kurz ist. „Christoph Hein – Verwirrnis“ weiterlesen
Kategorie: Literatur
T.C. Boyle – Grün ist die Hoffnung
Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass ich im Jahr zwei T.C. Boyle Romane lese. Nachdem recht politischen und vollkommen humorfreien „Hart auf Hart“ (Boyles 15. Roman aus dem Jahr 2012) zu Beginn des Jahres, waren meine Hoffnungen auf ein amüsanteres Buch aus den ersten Jahren seines Schaffens zu treffen groß (ähnlich wie sein großartiges Debüt „Wassermusik“) und so kam „Grün ist die Hoffnung“ (sein 2. Roman aus dem Jahr 1984) auf meine Sommerbuch-Liste. „T.C. Boyle – Grün ist die Hoffnung“ weiterlesen
Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Die Bandbreite menschlicher Beziehungen ist mannigfaltig. Freundschaften sind dabei ein nicht unerheblicher Teil. Für viele Menschen sind sie der Ankerplatz der Existenz, für andere unnötiger Ballast, auf dem wellenartigen Ritt des Lebens. Haruki Murakamis 13. Roman, der 2013 erstmals veröffentlicht wurde, widmet sich dem Thema Freundschaft und wie diese sich von losen Bekanntschaften an einem Ende und von attraktiven Begehren am anderen Ende unterschieden können.
Der 36-jährige Eisenbahningenieur Tsukuru Tazaki lebt in Tokyo und baut Bahnhöfe, was sein Traumberuf seit Jugendjahren war. In diesen Jugendjahren war er Teil einer Clique, die mit ihm aus jeweils zwei weiteren Jungen und Mädchen bestand und die damals für alle fünf der wichtigste Teil ihres Lebens war. Als Tsukuru wegen des Studiums nach Tokyo zog und die anderen vier in Nagoya (einer Stadt rund 350km westlich von Tokyo) blieben, kann die freundschaftliche Beziehung zunächst aufrechterhalten werden, bis sie eines Wochenendes plötzlich zerbricht und Tsukuru ohne Gründe aus der Gruppe ausgeschlossen wird. Das bedeutet fast das sein Ende und der damals 20-jährige Student ist kurz davor, nicht mehr weiter leben zu können. Doch seine Erfahrung mit dem Tod bleibt annähernd und er fängt nach einem halben Jahr ein neues Leben an. Doch die Narbe, einfach nie wieder Kontakt zu seinen besten und einzigen Freunden zu haben bleibt und vergräbt sich tief in seinem Herzen. Mitten in seinen 30er Jahren angekommen, ist es eine Frau, die diese Narben neu aufbricht, den Tsukuru hat sich in die zwei Jahre ältere Sara verliebt. Sie sieht den Schatten der verlorenen Freunde auf seiner Seele und möchte, das Tsukuru die in Erfahrung bringt, warum er so einfach von seinen Freunden ausgeschlossen wurde. Dafür soll er zurück nach Nagoya reisen und mit allen von ihnen reden. „Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ weiterlesen
Stefan Zweig – Ungeduld des Herzens
In den Tiefen der Bibliothek meiner Eltern finden sich diverse Klassiker der Literatur und es erstaunt mich immer wieder, wie sehr mein Buchgeschmack so ganz anders geprägt ist und wie lange ich brauchte, um einige dieser Klassiker für mich zu entdecken. Darunter auch ein 1971 gedrucktes Exemplar von Stefan Zweigs schon 1939 erschienen Romans „Ungeduld des Herzens“. Allein dieses kleine Büchlein vom Aufbau Verlag, das tatsächlich im Alter mich um einige Jahre übertrifft, in den Händen zu halten, ist ein wunderbares taktiles Erlebnis. Der Inhalt des Romans verstärkt das Wohlgefühl noch: „Stefan Zweig – Ungeduld des Herzens“ weiterlesen
Wolf Haas – Junger Mann
Im nun auch meteorologisch durchbrechenden Sommer sind Bücher die in eben dieser gerade stattfindenden Jahreszeit handeln, mit besonderem Genuss zu lesen, ob nun auf Wiesen, in Bädern, Bänken oder sonst wo. Wolf Haas 2018 erschienener und wohl autobiographisch geprägter Roman „Junger Mann“ entführt uns in den Sommer 1974 in eine Gegend des Salzburger Landes, die von der Landeshauptstadt durch einen größeren Zipfle Deutschland getrennt wird, den man das deutsche Eck nennt (es handelt sich um die Gegend um Berchtesgaden). Der hier beschriebene junge Mann ist mit 12 Jahren in der Pubertät angekommen und hat einen Sommerjob an der lokalen Tankstelle angenommen, als er zwei elementare Dinge in seinem Leben feststellt; erstens ist er zu dick und muss dringend abnehmen und zweitens hat er sich gerade zum ersten mal verliebt, allerdings in die Elsa, der Freundin von Tscho. Dieses junge Pärchen ist schon in den 20ern und während der Tscho als Fernfahrer immer mal wieder nach Teheran aufbrechen muss, bleibt die Elsa zu haus und freundet sich mit dem namenlosen jungen Mann (gleichzeitig der Ich-Erzähler des Romanes) an. „Wolf Haas – Junger Mann“ weiterlesen
David Mitchell – Der Wolkenatlas
Ich tue mich immer schwer damit, dass Buch zum Film zu lesen, wenn ich den Film schon kenne. Das gilt natürlich umso mehr, wenn das Buch nach dem Film kommt, aber auch wenn nur der Film auf einem Buch beruht, bin ich meistens nicht dazu bereit mir etwas zweifach zu rezipieren.
Im Fall von David Mitchell konnte ich da aber getrost eine Ausnahme machen, was nicht nur daran liegt, dass der Film „Cloud Atlas“ von den Wachowski Geschwistern und Tom Tykwer in meinen Erinnerungen ziemlich verschwommen ist, sondern viel mehr daran, dass ich mit Mitchell einen weiteren Autor gefunden habe, dessen Werke ich mit größtmöglicher Begeisterung lese. „Der Wolkenatlas“, welcher 2004 als sein 3.Roman veröffentlicht wurde, gilt dabei für viele Leser als sein Hauptwerk. „David Mitchell – Der Wolkenatlas“ weiterlesen
Andreas Reckwitz – Die Gesellschaft der Singularitäten
Aus der Reihe „our pathetic age“
Der erste Eintrag unserer neuen Reihe „our patehtic age“ ist einem Beitrag gewidmet, der aus einem Fach stammt, für welches ich einst große Begeisterung besaß und nach dessen Re-Entry in meinem Leben mir wieder klar wurde, dass ich dieses Fach immer noch sehr schätze.
Es ist leider schon viele Jahre her, dass ich letztmals einen soziologischen Text las. Nach all der Beschäftigung mit anderen spannenden Feldern des Wissens ist es aber die Soziologie, welche quasi meinen Weg ebnete, wie ich auf die Welt schaue (wenngleich natürlich viele weitere Faktoren dafür gleichfalls von großem Einfluss waren, aber die Struktur des Sehens, hat mir die Soziologie angelegt). Was mich an der Soziologie schon seit dem Besuch meines ersten Seminars begeisterte, war die Themenstellung dieses Faches, zu zeigen, in was für Zeiten wir leben und wie das Zusammenleben der Menschen aktuell stattfindet. Die Soziologie ist dabei eines der allgemeinsten Herangehensweisen an diesen Fragenkomplex (sieht man von der Philosophie einmal ab) und das macht dieses Fach so spannend, so umfangreich, so kompliziert, manchmal so blumig, so abstrakt, so fantasievoll, so klar, so….
In was für Zeiten leben wir also? Was bestimmt unser Handeln und Tun? Welche Gesellschaft haben wir Menschen uns geschaffen? Antworten darauf zu finden, ist eine der Hauptaufgaben der Soziologie, weshalb sicherlich auch fachlich in der Soziologie nicht besonders bewanderten Geistern (wie mittlerweile auch mir) schnell Begriffe wie „Risikogesellschaft“ (Ulrich Beck) oder „Erlebnisgesellschaft“ (Gerhard Schulze) einfallen, oder Niklas Luhmanns gewaltige Geschichte der Gesellschaft oder genauer, dessen was wir Gesellschaft nennen, als „Gesellschaft der Gesellschaft“. „Andreas Reckwitz – Die Gesellschaft der Singularitäten“ weiterlesen
Sasa Stanisic – Wie der Soldat das Grammofon repariert
Lange habe ich keinen Roman mehr zum Neupreis gekauft. Romane haben – im Gegensatz zu Fachbüchern – einen ziemlichen Wertverfall, sind aber – ebenfalls im Gegensatz zu Fachbüchern, jedenfalls bei mir – nach einmaligen Durchlesen immer noch fast wie neu (Fachbücher müssen bei mir durchgearbeitet aussehen, angestrichen und mit Bemerkungen am Seitenrand, ich würde ein solches Fachbuch auch nie wieder aus meiner Bibliothek entlassen). Sasa Stanisics erster Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ gehört aber zu den Werken der Belletristik, die gebraucht nur unwesentlich unter den Neupreis geraten, weswegen ich mich für eine nigelnagelneue Ausgabe entscheid.
Alexandar wächst in der jugoslawischen Kleinstadt Visegrad auf, gelegen an der Drina, nur wenige Kilometer bevor der Fluss eine gemeinsame Grenze zwischen Bosnien und Serbien bildet. Als sein Opa Slavko stirbt, verliert Alexandar einen geliebten Menschen, der ihm die Welt erklärte. Nur wenig später scheint sich diese Welt zu verändern, als sich der jugoslawische Staat Anfang der 1990er Jahre im Krieg auflöste und die Front seine Heimatstadt erreichte. Fortan muss sich Alexandar eine heile Welt erträumen. „Sasa Stanisic – Wie der Soldat das Grammofon repariert“ weiterlesen
Jan-Otmar Hesse und Sebastian Teupe – Wirtschaftsgeschichte
Wie schon beim letzten in diesem Blog beschriebenen Sachbuch, dem sehr lesenswerten „Crahsed“ von Adam Tooze, spielt das Thema Wirtschaft in unserer heutigen Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle für das Zusammenleben der Menschen. Da kann ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte sicherlich Aufschluss geben, wie sich die „ganze Geschichte“ historisch so entwickelt hat. Dafür liefern Jan-Otmar Hesse und Sebastian Teupe eine praktische, auf rund 200 Seiten komprimierte Einführung. „Jan-Otmar Hesse und Sebastian Teupe – Wirtschaftsgeschichte“ weiterlesen
Adam Tooze – Crashed
Die Finanzkrise 2008 war ein sehr einschneidendes Ereignis in der neueren Wirtschaftsgeschichte unseres immer weiter zusammenwachsenden Planten. Sie war der größte wirtschaftliche Zusammenbruch seit dem 2.Weltkrieg und folgt man der Argumentation des britischen Wirtschaftshistorikers Adam Tooze, war sie eine hochkomplexe Implosion von privaten Finanzmärkten, die Staaten zum massiven finanziellen Eingreifen nötigten, was wiederum starke politische Folgewirkungen hatte. „Adam Tooze – Crashed“ weiterlesen