Ein Namenloser Ich-Erzähler reist durch Deutschland, von Nord nach Süd. Er ist noch keine 30 Jahre alt, hat reiche Eltern und kann es sich erlauben, von Party zu Party zu ziehen. Erst Sylt, dann Hamburg, Frankfurt, Heidelberg, München, Meersburg und abschließend Zürich (was dann auch die einzige Station ist, die nicht in Deutschland liegt). Geldsorgen hat der Ich-Erzähler, dessen Namen der Leser nicht kennt, keine. Auch sonst erfährt man nur wenig von seinem Leben. Von der Eliteschule Salem geschmissen, hat er entweder keinen Job, oder benötigt keinen. Obwohl er von Party zu Party reist, ist er kein kontaktfreudiger Lebemann, sondern ein konservativ zurückhaltender Typ, der allerdings ein massives Alkoholproblem hat und der geradezu versunken in seine eigene Welt ist. „Christian Kracht – Faserland“ weiterlesen
Kategorie: Roman
Daniel Kehlmann – Der fernste Ort
Wer kennt das nicht, eine richtig wichtige Aufgabe steht an und man hat rein gar nichts dafür gemacht. Der Termin rückt immer näher, aber wie benebelt macht man weiterhin nichts. Unvorbereitet – Hilfsausdruck. Der Verstand sagt einem, mach was – jetzt, sofort! Doch das Leben läuft weiter und die Gedanken schweben dahin. Könnte man doch einfach aus seinem Leben flüchten, abtauchen, neu beginnen.
So geht es Julian, zu einer Konferenz mit seinem Chef nach Italien gekommen, wo er in wenigen Stunden einen Vortrag halten soll, auf den er nicht nur wenig, sondern rein gar nicht vorbereitet ist. Trotzdem geht er lieber erstmal schwimmen, im See am Hotel. Denn es ist Oktober und da muss man schon ehrlich sein, wenn er jetzt nicht nochmal schwimmen geht, dann wird das dieses Jahr nichts mehr, in Deutschland startet ja schon der Winter. Und so schwimmt Julian und taucht ab. „Daniel Kehlmann – Der fernste Ort“ weiterlesen
Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung
Daniel Kehlmanns Debütroman „Beerholms Vorstellung“ erschien im Jahr 1997. Er ist in der Form eines Lebensberichts des Magiers Arthur Beerholm geschrieben. Artur wird von Adoptiveltern groß gezogen und hat eine recht unbeschwerte Kindheit bis seine Adoptivmutter vom Blitz erschlagen wird, der aus fast heiterem Himmel auf sie niederschlägt. Sein wohlhabender Adoptivvater lernt eine neue Frau kennen und schickt ihn aufs Internat, wo Artur eine Leidenschaft für Mathematik entwickelt. Doch immer wieder stößt er auf Probleme in der logischen Welt der Mathematik, rätselhaftes und unlösbares in einem Bereich, der eigentlich nur Lösungen bereithalten sollte. Von der mangelnden Wahrhaftigkeit enttäuscht, wird Beerholm Theologe, nicht ohne aber vorher eine fast schon geheim, zu nennende Leidenschaft für die Zauberei zu entwickeln. Denn die Magie „bedeutet schlicht, daß der Geist dem Stoff vorschreiben kann, wie er sich zu verhalten hat, daß dieser gehorchen muß, wo jener befiehlt. Was unvernünftig scheint ist in Wahrheit Offenbarung der Vernunft.“ (S.40) Die Theologen-Laufbahn verläuft für Beerholm recht gradlinig, bis er eine Vorstellung des Zauberers Jan von Rode besucht und seine alte Leidenschaft immer stärker an der Sinnhaftigkeit des kirchlichen Lebens zweifeln lässt. „Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung“ weiterlesen
Jonathan Franzen – Unschuld
Nach fünf Jahren endlich ein neuer Franzen. Und der lag dann auch gleich auf meinem Geburtstagstisch. Da gibt es nur eins, ran an die 830 Seiten!
Nachdem die „Korrekturen“ und auch „Freiheit“ Familienromane waren, ist „Unschuld“ nicht mehr wirklich eine Familiensaga, wenngleich im weitesten Sinne schon. Wir begleiten mehrere Personen, allem voran Pip Tyler, einer verarmten Mit-20erin, die in der Bay Area von San Francisco in einem besetzten Haus lebt und deren größte Sorge, neben dem finanziellen Engpass und ihrem wenig verheißungsvollen Job, ihre Mutter ist, die allein und zurückgezogen lebt und die Pip niemals etwas aus ihrer Vergangenheit verraten möchte, nicht mal, wer ihr Vater ist. Ein weiterer Hauptcharakter ist Andreas Wolf, ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und heutiger Whistleblower, der mit seiner Enthüllungsplattform Sunlight Project zu großem internationalen Ruhm gekommen ist. Und wir erleben das Journalistenpaar Tom Aberant und Leila Helou, dass in einem etwas ungeklärten Beziehungsstatus lebt und einer großen Story nachjagt. „Jonathan Franzen – Unschuld“ weiterlesen
Wolf Haas – Brennerova
Jetzt habe ich mich über den neuen Brenner Roman gemacht. Die Krimis von Wolf Haas sind meiner Meinung nach ideal für den Sommer geeignet. Wunderbar fließend zu lesen, sehr amüsant und durchaus auch etwas hintergründig. Diesmal ist der Brenner, der immerhin 19 Jahre im Polizeidienst war und nun schon seit Jahren sich irgendwie durchschlägt, in Frauengeschichten (Achtung: Mehrzahl!) verwickelt. Da ist zum einem die Begegnung mit der Herta, seiner Ex-Freundin, die fast zu einem Unfall führt, aber dadurch auch dazu, dass sich beide wieder näher kommen. Und da ist die Nadeshda, die der Brenner über das Internet kennengelernt hat und die wiederum um ihre Schwester Serafina fürchtet, weshalb sie den Brenner um dessen detektivische Mitarbeit bittet, was ihn aber in die Wiener Unterwelt führt, in die Welt der Zuhälter und Tätowierer. Doch nicht nur dort muss sich der Brenner aufhalten, im Zeitalter der Globalisierung und des Internets führt es ihn auch aus Wien heraus in die weite Welt. „Wolf Haas – Brennerova“ weiterlesen
Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren
Im Jahre des Herrn 2011 kam Thomas Glavinics Reiseroman „Unterwegs im Namen des Herren“ heraus. Er beschreibt die Reise des Alter Egos Glavinic mit seinem Freund Ingo in den bosnischen Pilgerort Medjugorje. Die beiden Herren wünschen sich, ein näheres Bild von einer Pilgerreise zu machen. Gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger streng gläubigen Menschen, fahren sie von Wien aus per Bus (wundervoller erster Satz des Buches: „Sechs Uhr früh ist eine Uhrzeit, die ich sonst nur von der anderen Seite her kenne.“) auf den Balkan. Als Atheisten beobachten sie das Geschehen, sind aber nicht wirklich von den Botschaften begeistert, doch irgendwie bleibt doch etwas Hängen bei diesem drei Tages-Trip zwischen Himmel und Hölle. „Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren“ weiterlesen
Thomas Pynchon – Gegen den Tag
Über ein halbes Jahr hat mich „Gegen den Tag“ begleitet, ich kann mich nicht erinnern je so lange für einen Buch gebraucht und es trotzdem beendet zu haben. Doch das ist keinesfalls als Kritik am Werk zu verstehen. Fast 1600 Seiten stark ist Pynchons sechster Roman, der 2006 veröffentlicht wurde. Trotz dieser Länge und dem Hang des Autors, Sätze unter einer Zeilenlänge von drei nicht wirklich beginnen und schon gar nicht enden lassen zu wollen, ist es ein grandioses Werk und mit Sicherheit das Beste, dass ich vom großen Unbekannten der amerikanischen Gegenwartsliteratur las. „Thomas Pynchon – Gegen den Tag“ weiterlesen
Peter Stamm – Weit über das Land
Mit Peter Stamms neustem Roman „Weit über das Land“ fremdle ich ein wenig. Eine Familie kommt aus dem Urlaub zurück, es ist einer der letzten heißen Augusttage und die Eltern Astrid und Thomas sitzen auf der Terrasse und verabschieden den Sommer mit einem Glas Wein und der Sonntagszeitung. Der kleine Sohn ruft, Astrid geht ins Haus und Thomas geht fort. Er verlässt die Familie von jetzt auf gleich, ohne ein Wort zu sagen. Er hat keinen Plan, nur seine Freiheit, nur den Moment. Astrid bleibt zurück mit den Kindern. „Peter Stamm – Weit über das Land“ weiterlesen
Christoph Hein – Weiskerns Nachlass
Auf eine Empfehlung hin, las ich Christoph Heins Roman „Weiskerns Nachlass“, der bei Suhrkamp erstmals 2011 veröffentlicht wurde.
Wir erleben den Alltag des Universitätsangestellten Rüdiger Stolzenburg, welcher gerade 59 Jahre alt geworden ist. Er besitzt eine halbe Stelle am Institut für Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig und seine finanziellen und beruflichen Perspektiven sind als sehr überschaubar einzuordnen. Sein Liebesleben ist von gelegentlichen Beziehungen geprägt, welche er nicht zu intensiv gestalten möchte und sein Hobby ist neben einer monatlichen Billardrunde; das Erforschen, Sammeln und Zusammenfügen des Lebens Friedrich Wilhelm Weiskerns zu betreiben, mit dem finalen Ziel, einmal eine komplette Werksausgabe dieses Schauspielers, Schriftstellers und Topographen des 18. Jahrhunderts herauszugeben. Allerdings ist kein Verlag für dieses Vorhaben irgendwie zu begeistern. „Christoph Hein – Weiskerns Nachlass“ weiterlesen
Roman Ehrlich – Das kalte Jahr
Es wird Winter. Ganz langsam, noch ist es kaum merklich, aber die Abende brechen schon früher herein und wenn die Sonne verschwindet, kühlt es sich auch an warmen Tagen schon schnell ab. In Einstimmung zur nun kommenden kalten und dunklen Jahreszeit habe ich mir Roman Ehrlichs „Das kalte Jahr“ vorgenommen.
Er handelt von einem namenlosen Ich-Erzähler, welcher eines Tages losläuft, durch den Schnee und die matschigen Ausfallstraßen der großen Stadt. Einen Tag später kommt er im Wohnort seiner Eltern an, in einem Städtchen am See, direkt hinter einem alten Militärgebiet. Doch seine Eltern sind nicht daheim, nur ein Junge namens Richard, der scheinbar jetzt das Haus bewohnt. „Roman Ehrlich – Das kalte Jahr“ weiterlesen