Wolf Haas – Junger Mann

Im nun auch meteorologisch durchbrechenden Sommer sind Bücher die in eben dieser gerade stattfindenden Jahreszeit handeln, mit besonderem Genuss zu lesen, ob nun auf Wiesen, in Bädern, Bänken oder sonst wo. Wolf Haas 2018 erschienener und wohl autobiographisch geprägter Roman „Junger Mann“ entführt uns in den Sommer 1974 in eine Gegend des Salzburger Landes, die von der Landeshauptstadt durch einen größeren Zipfle Deutschland getrennt wird, den man das deutsche Eck nennt (es handelt sich um die Gegend um Berchtesgaden). Der hier beschriebene junge Mann ist mit 12 Jahren in der Pubertät angekommen und hat einen Sommerjob an der lokalen Tankstelle angenommen, als er zwei elementare Dinge in seinem Leben feststellt; erstens ist er zu dick und muss dringend abnehmen und zweitens hat er sich gerade zum ersten mal verliebt, allerdings in die Elsa, der Freundin von Tscho. Dieses junge Pärchen ist schon in den 20ern und während der Tscho als Fernfahrer immer mal wieder nach Teheran aufbrechen muss, bleibt die Elsa zu haus und freundet sich mit dem namenlosen jungen Mann (gleichzeitig der Ich-Erzähler des Romanes) an. „Wolf Haas – Junger Mann“ weiterlesen

David Mitchell – Der Wolkenatlas

Ich tue mich immer schwer damit, dass Buch zum Film zu lesen, wenn ich den Film schon kenne. Das gilt natürlich umso mehr, wenn das Buch nach dem Film kommt, aber auch wenn nur der Film auf einem Buch beruht, bin ich meistens nicht dazu bereit mir etwas zweifach zu rezipieren.
Im Fall von David Mitchell konnte ich da aber getrost eine Ausnahme machen, was nicht nur daran liegt, dass der Film „Cloud Atlas“ von den Wachowski Geschwistern und Tom Tykwer in meinen Erinnerungen ziemlich verschwommen ist, sondern viel mehr daran, dass ich mit Mitchell einen weiteren Autor gefunden habe, dessen Werke ich mit größtmöglicher Begeisterung lese. „Der Wolkenatlas“, welcher 2004 als sein 3.Roman veröffentlicht wurde, gilt dabei für viele Leser als sein Hauptwerk. „David Mitchell – Der Wolkenatlas“ weiterlesen

Sasa Stanisic – Wie der Soldat das Grammofon repariert

Lange habe ich keinen Roman mehr zum Neupreis gekauft. Romane haben – im Gegensatz zu Fachbüchern – einen ziemlichen Wertverfall, sind aber – ebenfalls im Gegensatz zu Fachbüchern, jedenfalls bei mir – nach einmaligen Durchlesen immer noch fast wie neu (Fachbücher müssen bei mir durchgearbeitet aussehen, angestrichen und mit Bemerkungen am Seitenrand, ich würde ein solches Fachbuch auch nie wieder aus meiner Bibliothek entlassen). Sasa Stanisics erster Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ gehört aber zu den Werken der Belletristik, die gebraucht nur unwesentlich unter den Neupreis geraten, weswegen ich mich für eine nigelnagelneue Ausgabe entscheid.

Alexandar wächst in der jugoslawischen Kleinstadt Visegrad auf, gelegen an der Drina, nur wenige Kilometer bevor der Fluss eine gemeinsame Grenze zwischen Bosnien und Serbien bildet. Als sein Opa Slavko stirbt, verliert Alexandar einen geliebten Menschen, der ihm die Welt erklärte. Nur wenig später scheint sich diese Welt zu verändern, als sich der jugoslawische Staat Anfang der 1990er Jahre im Krieg auflöste und die Front seine Heimatstadt erreichte. Fortan muss sich Alexandar eine heile Welt erträumen. „Sasa Stanisic – Wie der Soldat das Grammofon repariert“ weiterlesen

Don DeLillo – Die Stille

Don DeLillos Novelle „Die Stille“ erfreute sich kurz vor der Weihnachtszeit allgemein wohlwollender und vor allem reichhaltigen Besprechungen, wofür ich zwei Gründe als naheliegend sehe. Erstens, dass DeLillo zu einer der größten zeitgenössischen Autoren der USA gehört und als Leser freut man sich, wenn der Meister mittlerweile im höheren Alter, weiterhin veröffentlicht und zweitens, dass das Thema seiner neusten Novelle eine potentiell menschheitsgefährende Katastrophe ist. In Zeiten einer globalen Pandemie nimmt man solch ein Sujet natürlich begeistert auf.

Jim und Tessa sitzen im Flugzeug und kehren aus Paris nach New York zurück, wo sie am Abend bei Max und Diane eingeladen sind, um den Super Bowl zu schauen. Plötzlich verändert sich etwas, das Flugzeug gerät ins Taumeln und die Technik der Welt scheint nicht mehr zu funktionieren. „Don DeLillo – Die Stille“ weiterlesen

T.C. Boyle – Hart auf hart

So ganz langsam lese ich mich durch das Universum T.C. Boyles. Sein 2015 im Original als „The Harder They Come“ erschienener Roman „Hart auf Hart“ beleuchtet, so wie man es aus Boyles Romanen kennt, an drei Figuren, einen Aspekt US-amerikanischer Gesellschaft.
Wir sind in der Gegenwart mit den Stensons auf einer luxuriösen Kreuzfahrt, die sich einen Landgang genehmigen. Es soll in den Dschungel Costa Ricas gehen, als die kleine Reisegruppe, allesamt Pensionäre, in einen Hinterhalt gelangen und dort ausgeraubt werden. Sten, ehemaliger Schuldirektor und Vietnam-Veteran, fackelt nicht lange und wehrt sich gegen einen Räuber, wobei dieser zu Tode kommt. Zurück in Nordkalifornien wird Sten als Held gefeiert, was ihm ziemlich unangenehm ist. Doch bald holt ihn sein Alltagsleben ein und damit auch die Probleme mit seinem 25-jährigen Sohn Adam, der, um es milde zu formulieren, immer wunderlicher wird, bevorzugt durch den Wald streift, um seinem großen Vorbild, dem Trapper John Colter, nachzueifern. Adam trifft auf Sara, einer Anhängerin des Sovereign Citizen Movement, die davon überzeugt ist, dass der amerikanische Staat ihr schonmal gar nichts könne und sie als freier Bürger über die Straßen Kaliforniens brausen und zu ihren Jobs fahren könne und ob sie dabei angeschnallt ist, oder nicht, wäre einzig und allein ihr Problem und geht mit Sicherheit die Polizei nichts an. „T.C. Boyle – Hart auf hart“ weiterlesen

Philip Roth – Empörung

Loslassen ist bekanntlich nicht nur eine physische Tätigkeit, in dem Sie beispielsweise ihr Handy loslassen, sondern es ist auch das Kappen von emotionalen menschlichen Verbindungen. Ein solches Loslassen fordert der junge Student Marcus von seinem Vater ein. Marcus, dem man sich als vorbildlichen Sohn vorstellen kann, der ein klares Verständnis vom Leben hat, von Recht und Pflicht und der dazu neigt sehr zurückhaltend zu sein, wenn es um den Genuss der Abenteuer des Lebens geht. Aber sein Vater engt ihn zunehmend ein, will ihn beschützen, wie eine Glucke ein Küken. Zugegeben fällt mir Loslassen wohl ebenso schwer, wie Marcus Vater, aber symphatisch macht es ihn deshalb trotzdem nicht.
Vom ihm aus Newark entfliehend, setzt Marcus seine universitäre Ausbildung in Ohio fort, viele Busstunden von der väterlichen Metzgerei und seinem Einfluss entfernt. Wir schreiben das Jahr 1950 und während in Korea ein schlimmer Krieg tobt, der ersten gewaltsamen Auseinandersetzung des Kalten Kriegs, versucht Marcus sich auf dem neuen College zurecht zu finden, einer sehr religiösen Einrichtung, die durch strenge konservative Regeln geprägt ist. „Philip Roth – Empörung“ weiterlesen

Cihan Acar – Hawaii

Kemal Arslan ist zurück in seinem Heimatviertel Hawaii, einem Stadtteil von Heilbronn, der von vielen Migranten geprägt ist. Er ist erst 21 Jahre alt, hat aber schon so einiges erlebt. Er war Fußballprofi in der Türkei, aber durch einen Unfall ist seine Karriere ruiniert und so steht die Frage im Raum, was er mit dem Rest seines Leben noch anfangen soll. Wir begleiten ihn vier Tage durch die Sommerhitze Heilbronns, wo die Trinkwasserprobleme als Symbol für eine größere Krise erscheinen, in einer Stadt, wo sich die Stimmung nicht nur wegen der Temperaturen immer weiter aufheizt. „Cihan Acar – Hawaii“ weiterlesen

David Mitchell – Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

In Zeiten wie diesen – und an dieser Stelle müssen wir nicht groß rumdrucksen – die allgemein, aber auch individuell durchaus als bescheiden und schlechter bezeichnet werden können, ist die Lektüre eines Buches eine der wenigen brauchbaren Alternativen aus der zunehmenden Einsamkeit der Welt. „David Mitchell – Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ weiterlesen

Juli Zeh – Neujahr

Ein Urlaub in Lanzarote über Weihnachten und Neujahr. Familienvater Henning ist mit seiner Frau Theresa und seinen beiden kleinen Kindern auf die Kanaren geflogen, während seine Schwester Luna im heimatlichen Göttingen bei ihm wohnen darf, da sie selbst ihr Leben irgendwie kaum allein in den Griff bekommt. Eine seltsame Kraft treibt Henning auf der Insel an, wo er am Neujahrstag einen Fahrradausflug ohne Familie unternimmt und hofft, nicht von einer seiner immer häufiger auftretenden Panikattacken überrascht zu werden. „Juli Zeh – Neujahr“ weiterlesen

Ewald Arenz – Alte Sorten

Es ist der erste Tag des Septembers und der Sommer nähert sich ganz langsam seinem Ende. Sally ist aus der Klinik ausgerissen. Sie ist 17 Jahre alt und die Welt versteht sie nicht. Sie flüchtet und trifft weit weg vom Rummel der städtischen Umgebung auf Liss. Diese lebt einsam auf einem Bauernhof in einem Dorf an bergigen Weinhängen, irgendwo im Süden des Landes. Schnell stellt sich heraus, dass die ruhige und sehr zurückhaltende Art von Liss, Sally faszinierend findet, weshalb sie ihre Flucht einstellt und auf dem Bauernhof bleibt. Eine Freundschaft entsteht, die aus gegenseitigem Interesse am jeweils anderen beruht und scheinbar können sich beide gegenseitig etwas geben. „Ewald Arenz – Alte Sorten“ weiterlesen