Ein Namenloser Ich-Erzähler reist durch Deutschland, von Nord nach Süd. Er ist noch keine 30 Jahre alt, hat reiche Eltern und kann es sich erlauben, von Party zu Party zu ziehen. Erst Sylt, dann Hamburg, Frankfurt, Heidelberg, München, Meersburg und abschließend Zürich (was dann auch die einzige Station ist, die nicht in Deutschland liegt). Geldsorgen hat der Ich-Erzähler, dessen Namen der Leser nicht kennt, keine. Auch sonst erfährt man nur wenig von seinem Leben. Von der Eliteschule Salem geschmissen, hat er entweder keinen Job, oder benötigt keinen. Obwohl er von Party zu Party reist, ist er kein kontaktfreudiger Lebemann, sondern ein konservativ zurückhaltender Typ, der allerdings ein massives Alkoholproblem hat und der geradezu versunken in seine eigene Welt ist.
Christian Krachts Debütroman „Faserland“ erschien 1995. Zuerst zurückhalten angenommen, wurde der Roman später sehr positiv diskutiert und gilt als ein bedeutender Text der 1990er Jahre (was ich aber auch erst erfahren habe, als ich mich näher mit dem Buch beschäftigt habe). Dabei ist insbesondere der Ich-Erzähler, der ähnlich wie der Brenner von Haas, einen mündlichen Gesprächston anschlägt, nicht leicht zu ertragen. Schnöselhaft treibt es ihn durch die Welt, so fixiert auf sein Leben, dass wirkliche Kommunikation nicht mehr entsteht und selbst Small-talk überfordert. Gefangen in einer Welt, die vom Alkohol überformt wird, brechen tiefgehende Reflexionen schnell ab, weil sie nicht mehr einfach in Worte gefasst werden können. Neben seinem immer auch mit (berechtigten) Selbstzweifeln vorgetragenen Halbwissen bestimmen hauptsächlich Emotionen das Leben des Erzählers. In einem Moment mag er Menschen und findet sie charmant und im nächsten Moment, mag er sie gar nicht mehr, da er einen Blick, einen Kommentar oder etwas Ähnliches als gegen ihn gerichtet deutet. Das Momenthafte wird zum einzigen Sinnkriterium und da der Erzähler nur im Moment lebt, gibt es nichts mehr was danach kommt (und auch erstaunlich wenig was davor kam, denn wirklich viel erfährt man nicht aus der Vergangenheit des Ich-Erzählers).
„Faserland“ (über den Titel gibt es mehrere Interpretationen; ohne das Buch zu kennen dachte ich zuerst an einen Faser, also eine Science-Fiction Waffe aus Raumschiff Enterprise, was aber nur begrenzt Sinn macht; wahrscheinlicher ist die Interpretation der deutschen Aussprache des englischen Wortes „fatherland“) ist ein Porträt der 1990er Jahre. Es beschreibt wie Marken immer wichtiger werden, wie das was man trägt einen distinguiert. Wie Ideologien das Leben leiten, ohne das man sich dieser Leitung bewusst macht (häufig beschimpft der Erzähler andere Menschen wahlweise als Nazis oder SPD-Schweine, wobei dies Labels sind, die er verteilt ohne das er irgendwelche Auseinandersetzungen mit den Personen oder über die Personen vornimmt, oder gar über Inhalte der Label nachdenkt, die er verwendet). Es ist die Leere, die fehlende Sinnhaftigkeit die der, mit knapp 160 Seiten recht kurze Roman, meisterhaft beschreibt, eine teilweise recht humorvoll geschriebene Geschichte, die eigentlich nur eines ist, zutiefst tragisch.