Jahr: 2022 | englischer Titel: „Lullaby“ | Drehbuch & Regie: Alauda Ruiz de Azúa | Spielfilm | 104min
Kinematografisch lief dieses Jahr eher schleppend und ich kann nicht sagen, dass mir ein herausragendes filmisches Meisterwerk 2022 in Erinnerung geblieben ist. Das liegt aber wohl eher an mir und meinem Mühsal, mich ins Kino zu begeben (was dringend notwendig wäre) oder mich meiner Filmplattformen zu bedienen (weniger notwendig, denn das Kino benötigt mein Geld dringender). Auf letztgenannter Option fand sich neulich ein spanischer Film, bei dem die aus dem Film „Victoria“ bekannte Schauspielerin Laia Costa mitwirkte. Das klang vielversprechend genug.
„Cinco lobitos“ ist ein spanisches Kinderlied über fünf kleine Wölflein (das wäre dann auch die deutsche Übersetzung), das Amaia (Laia Costa) in letzter Zeit häufiger singt, was an der Geburt ihres ersten Kindes liegt. Dieser Familienzuwachs bringt, wie es Neugeborene so tun, jede Menge Veränderung in das Leben von Amaia und ihrem Partner Javi (Mikel Bustamante). Amaias eilig nach Madrid geeilte Eltern sind auch keine große Hilfe. Die ständig nörgelnde Mutter Begoña (Susi Sánchez) hat gern mal einen Ratschlag zu viel auf den Lippen und ihr Vater Koldo (Ramón Barea) wirkt eher unbeholfen. Doch als Javi ein Jobangebot bekommt, das sehr gut bezahlt wird, zieht er für einige Wochen von Madrid nach Valencia. Amaia ist verletzt, erschüttert und vor allem allein. Nicht nur hat sie auch eigene Karrierepläne, sie fühlt sich im Stich gelassen in ihrem neuen Leben, das zwar ein großes Glück ist, gleichzeitig aber auch mit Erschöpfung, Ermüdung und Fragen wie folgender einhergeht; wie lang das alles nun weitergehen soll. Da sie es allein nicht aushält, beschließt sie zu Ihren Eltern zu ziehen, ins pittoreske Baskenland und in das sehr gut ausgestattete Haus ihrer Kindheit.
„Cinco Lobitos“ ist ein ruhiger, sehr ausdrucksstarker und einfühlsamer Film. Eines der großen Themen dieses Streifens ist, die Beziehung zwischen Mutter und Tochter aufzuzeigen (im Film quasi doppelt, mit Amaia und ihrer Tochter, sowie mit ihrer Mutter Begoña). Entlang dieser familialen Linie der Handlung erzählt der Spielfilm über den Lauf des Lebens, wenn aus dem freien und voller Träume und Vorstellungen genährten Lebensentwurf auf einmal Zwänge, Bedingungen und Abhängigkeiten werden, aus denen auszubrechen, keine Option mehr ist und die einen in Situationen bringen, die nur das Fazit; „jetzt ist es so“ erlauben. Doch das wird nicht fatalistisch inszeniert, sondern immer noch mit dem Blick auf das Leben, auf die eigene Freiheit, die auch in vorhandenen Zwängen eine Beweglichkeit ermöglichen.
Das wird nicht nur eindrucksvoll, weil eben unspektakulär und ruhig erzählt, auch die Schauspieler in diesem Film von Alauda Ruiz de Azúa beeindrucken, vor allem Laia Costa, die so viele Facetten für ihre Figur findet, dass man als Zuschauer nachvollziehen kann, wie stark es in ihr tobt, wie sehr sie sucht, gleichzeitig entscheiden muss und dabei immer auch gefangen ist. Ein kleines, sehr ruhiges – man möchte sagen, im positiven Sinn unspektakuläres – Werk (das übrigens auf Berlinale in diesem Jahr Premiere feierte) über die Wege des Lebens, denen wir nicht ausweichen können, über Familie, über Hinzugewinnen und Verlieren.