Daniel Kehlmanns Debütroman „Beerholms Vorstellung“ erschien im Jahr 1997. Er ist in der Form eines Lebensberichts des Magiers Arthur Beerholm geschrieben. Artur wird von Adoptiveltern groß gezogen und hat eine recht unbeschwerte Kindheit bis seine Adoptivmutter vom Blitz erschlagen wird, der aus fast heiterem Himmel auf sie niederschlägt. Sein wohlhabender Adoptivvater lernt eine neue Frau kennen und schickt ihn aufs Internat, wo Artur eine Leidenschaft für Mathematik entwickelt. Doch immer wieder stößt er auf Probleme in der logischen Welt der Mathematik, rätselhaftes und unlösbares in einem Bereich, der eigentlich nur Lösungen bereithalten sollte. Von der mangelnden Wahrhaftigkeit enttäuscht, wird Beerholm Theologe, nicht ohne aber vorher eine fast schon geheim, zu nennende Leidenschaft für die Zauberei zu entwickeln. Denn die Magie „bedeutet schlicht, daß der Geist dem Stoff vorschreiben kann, wie er sich zu verhalten hat, daß dieser gehorchen muß, wo jener befiehlt. Was unvernünftig scheint ist in Wahrheit Offenbarung der Vernunft.“ (S.40) Die Theologen-Laufbahn verläuft für Beerholm recht gradlinig, bis er eine Vorstellung des Zauberers Jan von Rode besucht und seine alte Leidenschaft immer stärker an der Sinnhaftigkeit des kirchlichen Lebens zweifeln lässt.
Sucht man nur ein wenig zu „Beerholms Vorstellung“ so wird schnell darauf verwiesen, dass Kehlmann hier der Stilrichtung des „magischen Realismus“ zuzurechnen ist. Das ist nun nicht deshalb Doppeldeutig, weil Beerholm ein Magier ist, sondern es behandelt die eigenwillige Magie, die im Leben des Erzählers steckt. Da ist zum einen, seine mehr als mysteriöse Freundin / Frau / Geliebte (genaueres lässt sich nicht sagen), welche er seinen Lebensbericht schreibt, die aber selbst mehr oder weniger nie beschrieben wird. Weder der Beziehungsstand ist klar, noch wird ihr Aussehen oder ihr Charakter genauer beschrieben oder der Prozess des Kennen und Lieben lernen. Weiterhin wird Beerholms Leben von Momenten berührt, die sich dem Rationalen wiedersetzen. So fällt seine Mutter einem Blitz zum Opfer, der ohne Unwetter daher kommt. Dieser ist so etwas wie das Grundmotiv für Artur, hinter die Rationalität der Dinge zu schauen. Seine Erkenntnissuche und Leidenschaft wird es, wie ein Zauberer die Welt zu seinem Zweck manipulieren zu können, den Zufall nicht zufällig, sondern konstant werden zu lassen. Mit dem Beginn von Beerholms Leben als Magier wird sein Leben immer magischer, werden aus seinen Zaubertricks magische Momente, die nicht mehr erklärbar erscheinen. Gleichzeitig wird aber dem Leser nicht klar, ob mit dem Erzähler die Fantasie durchgeht und seine Vorstellungswelt kleine Tricks mit ihm spielt, oder ob er wirklich magische Kräfte hat.
Und hier gelangen wir an die Schwelle, wo sich die Zauberei eines Künstlers mit der Welt des Schriftstellers vereint, denn ebenso wie der Zauberer, der seinen Publikum eine magische Welt vorspielt, ist es auch der Schriftsteller, der das Publikum in die Welt seiner Vorstellung mitnimmt und welcher ganz ähnlich eine Zauberwelt seiner Ideen in den Leser projiziert. So ist Kehlmanns erster Roman in gewisserweise auch ein Buch über den Sinn des Schreibens. Und schon deshalb kann man bei „Beerholms Vorstellung“ über ein magisches und lesenswertes Buch sprechen.