Idee: Jan Georg Schütte, Sebastian Schultz | Miniserie mit 6 Folgen | veröffentlicht 2022 in der ARD
Der Sommer nähert sich seinem Ende. Die Freibäder sind schon zu. Ich habe dieses Jahr eine kleine Neuerung in meine „Frische-Luft-Zeit“ eingeführt und bin mit dem Bus nach Cossebaude gefahren, habe mich im dortigen Bad ins kalte Nass begeben und bin von dort zurückgerannt, quasi erst Abkühlen und dann Joggen. Zum Laufen gehört es sich dann für mich, einen Podcast zu hören und da fiel meine Wahl an einem der gerade beschriebenen Vorgänge, auf ein Interview mit Jan Georg Schütte in der „Hörbar Rust„. In dem sehr vergnüglichen Gespräch ging es unter anderem um Schüttes Werk als Filmemacher (mir war er bis dato nur als Schauspieler bekannt) und es wurde recht intensiv über seine Serie „Das Begräbnis“ gesprochen. Warum also nicht die freie Zeit ohne Freibad für eine Serie verwenden?[1]
Der Sanitärunternehmer Wolff-Dieter Meurer ist Tod. Im Dorf ist die Trauer fast so intensiv, wie die sorgenvolle Frage nach dem Erbe. Doch Meurers Familie ist geteilt. Da ist seine ehemalige Frau Hildegard (Christine Schorn) mit den drei Kindern Mario (Charly Hübner), der die Leitung des Sanitärbetriebes übernommen hat, Sabine (Claudia Michelsen), die in Stuttgart Karriere gemacht hat und Torsten (Devid Striesow), der in die weite Welt zog, um dort sein Glück zu finden. Da ist aber auch die Witwe Gaby (Catrin Striebeck), Meurers zweite und wesentlich jüngere Frau, seit nunmehr aber auch schon 26 Jahren und deren gemeinsamer Sohn Kevin (Enno Trebs) und da ist Meurers Ziehtochter Anna (Anja Kling) und ihr stets grundalkoholisierter Mann Carsten (Martin Brambach) sowie deren Tochter Jacqueline (Luise von Finckh). Die Spannungen in der Familie sind unverkennbar und eine besinnliche Familienfeier ist kaum zu erwarten.
„Das Begräbnis“ ist eine sehr besondere Serie, ein kleiner filmischer Schatz, könnte man sagen. Das liegt als erstes an der eigenwilligen Produktion. Schütte gab seinen Charakteren keine festen Drehbücher, sondern nur Rollenprofile, so das die Schauspieler frei improvisieren konnten. Dabei wurden sie von 56 Kameras an 15 Sets gefilmt. Diese Spontanität sieht man der Serie an, die sehr, sehr authentisch wirkt (außer vielleicht wenn Schauspieler sich dumm stellen müssen[2]). Das Funktionieren der Serie hängt dann aber nochmal vom Schnitt ab, der ein großartiges Puzzle für den Zuseher erstellt, was sich über sechs Folgen lang zusammensetzt.[3] Und dieses Puzzle enthält ganz unterschiedliche Geschichten, hauptsächlich natürlich über Familie und den Weg im Leben, aber auch über Heimat, Ost und West, über Flucht, Weggehen und Hierbleiben, über Gefangensein und Freiheit. Mir ist es lange nicht passiert, dass mich eine Serie so fasziniert hat, insbesondere die schauspielerischen Leistungen, indem es eigentlich unfair ist jemanden herauszuheben (auch wenn mir persönlich Martin Brambachs Alkoholiker Carsten ebenso in Erinnerung bleiben wird, wie ein vom Leben erledigter Poser wie Devid Striesows Torsten, oder eine, sich ihr gefühlt ganzes Leben lang fremd vorkommende, Gaby von Catrin Striebeck , die mit Selbstbewusstsein, Kraft und Verzweiflung beeindruckend gespielt wurde). „Das Begräbnis“ ist ein kleines deutsches Serienmeisterwerk, was in der ARD Mediathek zu finden ist.
[1] Das dieser Text in die Zeit des Begräbnisses der Queen fällt ist reiner Zufall, sowohl die Serie als auch dieser Text wurden vor ihrem Ableben geschaut und geschrieben. Ich kann an dieser Stelle kurz erwähnen, dass Ihr Tod auch mich mit einer gewissen Trauer umgibt, denn nicht nur habe ich tatsächlich mal die Queen gesehen (sie fuhr an mir und hunderten an der Straße stehenden Briten vorbei und winkte aus dem Auto heraus), sie war auch auf unserer Welt, ein Garant über die Zeit, jemanden den es schon Ewigkeiten gab, ein symbolisches Fundament in der Dynamik unserer Tage und ich denke genau das wird ohne sie fehlen.
[2] Anja Kling, die absolut beeindruckt, wirkt nur in den wenigen Szenen eigenartig, wo sie über die Internetaktivitäten ihrer Tochter referiert.
[3] Der einzige, nur sehr selten aufkommende, Stolperstein für mich war es, wenn ich Szenen aus einem anderen Blickwinkel nochmals sah. Diese glichen gefühlt nicht immer den Takes, die ich in einer vorherigen Folge sah. Man muss also davon ausgehen, dass verschiedene Szenen mehrfach gedreht wurden. Dadurch das die Szenen aber improvisiert waren, passen sie manchmal nicht identisch zu den vorherigen Szenen (bspw., wenn Kevin in der Kneipenküche nach einem neuen Reinigungstuch fragt). Das ist aber ein zu vernachlässigender Punkt.