In Zeiten wie diesen – und an dieser Stelle müssen wir nicht groß rumdrucksen – die allgemein, aber auch individuell durchaus als bescheiden und schlechter bezeichnet werden können, ist die Lektüre eines Buches eine der wenigen brauchbaren Alternativen aus der zunehmenden Einsamkeit der Welt.
Auch Jacob de Zoet aus David Mitchells Roman „Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ ist eingeschlossen in der Einsamkeit. Von den fernen Niederlanden aus, ist er in das Kontor Dejima der holländischen Ostindienkompanie gelangt, wo er für fünf Jahre Dienst zu erledigen hat. Wir schreiben das Jahr 1799, in Europa ziehen die Unruhen und die kriegerischen Folgen der französischen Revolution durch die Lande und das Kontor Dejima ist nur ein besserer Bretterverschlag, der direkt vor der japanischen Stadt Nagasaki liegt, von wo aus eine sich in Niedergang befindliche Kompanie Handel mit den Japanern betreibt. De Zoet ist als Buchhalter engagiert worden, um das Ausmaß des Betrugs auf Dejima nachzugehen, der auf Dejima unter den Mitarbeitern wütet. Das Misstrauen dieser gegenüber de Zoet ist dadurch allgegenwärtig und auch von Seiten der Japaner, die zwar mit den Holländern handeln, sie aber keinesfalls in ihr Land lassen wollen, ist nur wenig zu erwarten. Nur Dr. Marinus scheint für De Zoet ein Lichtblick zu sein, der Arzt, der seinen ausgewählten japanischen Studenten, die Wunder der europäischen Medizin beibringt. Unter diesen Studenten ist auch eine junge Frau; Orito, die nicht nur wegen ihres teilweise vernarbten Gesichts Jacobs Aufmerksamkeit erregt.
David Mitchell liefert mit den „Tausend Herbsten des Jacob de Zoet“ einen wundervollen Historienroman, der uns an die Schnittstelle von japanischer und europäischer Kultur bringt, in einer Zeit, wo kapitalistischer Handel, aber auch ein wissenschaftliches Menschenbild erst in den Kinderschuhen stecken. Er erzählt charmant und sehr humorvoll von abgeschnittenen Europäern, die in der Einsamkeit des letzten Winkels der Erde hausen, von Japanern, die Europäer misstrauisch beäugen, aber doch irgendwie von ihnen fasziniert sind, so wie von aufgeklärten Europäern, die von der japanischen Kultur fasziniert sind. Und Mitchell liefert einen Roman mit einem eher melancholischen Blick über die wahre Liebe. Ein sehr lesenswertes Buch, nicht nur für Leser mit historischem Interesse, sondern für alle die Lachen und Trauern wollen, die etwas über asiatische Kultur lernen möchten. Ein Roman über Abenteuer, Verschwörung, Betrug und Liebe.