Wie die Zeit verrennt. Zu einer meiner absoluten Lieblingsautoren gehört Don DeLillo. Ich erinnere mich daran, „Weißes Rauschen“, „Unterwelt“ oder „Mao 2“ verschlungen zu haben. Doch das war alles vor 2008, als ich anfing über die Bücher, die ich lese zu schreiben. So ist dies tatsächlich meine erste schriftliche Reflektion zu einem Don DeLillo Buch.
„Null K“ wirkt ein wenig wie Don DeLillos letztes Buch, denn der 1936 in New York geborene Autor, beschreibt darin ein vermutlich elementares anthropologisches Thema, die Überwindung der eigenen Endlichkeit. Sind wir ehrlich, jeder hat darüber schon mal nachgedacht; die Begrenztheit des eigenen Lebens, des Lebens überhaupt, den Tod.
Jeffrey wird von seinem reichen Vater Ross in die Wüste irgendwo nach Vorderasien geholt. An dem geheimen Ort, der weit weg von aller Zivilisation liegt, wurde durch Ross großzügige Investitionen und seinem finanziellen Netzwerk ein einzigartiges Projekt gestartet; Null K. Dabei handelt es sich um eine ganz besondere Einrichtung. Sie friert den menschlichen Körper ein, um ihn in einer fernen Zukunft zum Leben zu erwecken, in einer Zeit, wo das ewige Leben wissenschaftlich möglich wird. Eine der ersten Teilnehmer dieses Projektes ist Ross neue Frau Artis. Sie ist schwer krank und wird bald sterben. Doch durch Null K soll ihr Dasein unendlich werden.
Das Thema Unsterblichkeit ist so alt wie menschliche Themen nur sein können. Trotzdem gelingt es Don DeLillo hier ein sehr zeitgenössischen Blick zu entwerfen, der über die Verwegenheit der Moderne spricht, darum aus Leben, ewiges Leben zu machen, um die Ausradierung des letzten und des elementaren Feindes, den Tod. Es geht in „Null K“, wenngleich nur indirekt, um die größtmögliche Spaltung der menschlichen Gesellschaft sichtbar zu machen. Diejenigen Superreichen, welche sich die Hoffnung auf das ewige Leben leisten können und der große Rest, der einfach sterben wird. Nicht ohne Grund liegt das Gelände im Nirgendwo, abgeschirmt, geheim und nicht zerstörbar. Hier wird der Traum des ewigen Lebens, vorm wahren Leben geschützt, von Aufständen, Revolutionen, Atomkriegen.
Gleichzeitig ist „Null K“ eine Vater-Sohn Geschichte, ein Motiv das immer wieder bei DeLillo auftaucht, hier erzählt aus dem Sichtfeld des Sohnes, dessen Vater die Familie verlässt, als der Sohn noch ein Jugendlicher ist. Und „Null K“ ist auch eine Liebesgeschichte, in der es nicht um das Verlieben geht, sondern um die Tatsache, des Fehlens, des Verlustes und des Nicht-Vorhandensein eines geliebten Menschen und die Konsequenzen für das eigene Dasein.
Es sind diese Grundkonstellationen die „Null K“ zu einem außergewöhnlichen Roman machen, wobei jedoch der Ton der Erzählung nicht spektakulär ist, eher leise und nachdenklich rüberkommt und dadurch manchmal sogar etwas langwierig erscheint. Tatsächlich ist das Nachdenken über die Interpretationsmöglichkeiten manchmal spannender als die Lektüre selbst. Trotzdem ist das Buch nochmal ein großer Wurf des Amerikanischen Altmeisters Don DeLillo.