Es war ein langer Weg und unser dritter Bus des Tages hat mittlerweile rund 5 Stunden Verspätung angesammelt. Es stürmte immer noch und das obwohl die Sonne schien, die jedoch langsam über den Horizont Patagoniens unterging, es war schließlich fast 21 Uhr. Die Uferpromenade tauchte auf, hinter ihr die Magellanstraße und ich war überrascht wie schön der erste Anblick von Punta Arenas, der südlichsten Großstadt der Welt, war. Das könnte (noch) schöner hier werden, als ich erwartet hatte. Der Name unseres Hostels war „Pardo&Shackelton“. Ich hatte von beiden Namen nie etwas gehört und durchstöberte die herumliegenden Bücher, im wunderschönen Aufenthaltsraum mit Blick auf die Stadt.
Sir Ernest Shackelton war Polarforscher und Abenteurer. Er leitete die „Endurance“ Expedition, welche sich 1914 zur Aufgabe machen wollte, Antarktika über den Landweg zu durchqueren, vom Weddellmeer zum Rossmeer. Die Expedition hatte erhebliche Probleme. Das Schiff, die Endurance, fror im Eis ein und wurde bald darauf zerdrückt. Ohne Schiff irrte die Mannschaft unter Shackelton auf den Eisplatten des Weddelmeers umher, bis sie sich schließlich mit drei kleinen Ersatzbooten auf die frostige Elephant Island retten konnten. Doch dieses Eiland, mitten in der Antarktis war keine wirkliche Hilfe. Niemand würde die Crew hier je suchen kommen und die Zivilisation war fern. Also beschloss Shackelton mit einem der Rettungsboote und fünf weiteren Männern über den stürmischen und kalten Ozean in das über 1.000km entfernte South Georgia zu segeln. Dies gilt bis heute, als eine der heldenhaftesten und schwierigsten Segelfahrten der Seefahrtsgeschichte. Nach langen Mühen gelang es Shackelton schließlich, die gesamte Crew der Endurance zu retten. Am 3.September 1916 fuhr sie unter dem Jubel der Einwohner nach Punta Arenas ein.
Erst mein Besuch in Punta Arenas machte mich mit Expeditionen im tiefsten Süden der Welt vertraut. Ich hatte von Amundsen und Scott gehört, Shackelton aber war mir nicht wirklich vertraut. Im Museum „Nao Victoria“, am Rande der Stadt, konnte man vier Schiffsnachbauten bewundern, alle nicht wirklich riesig, doch eine davon, die „James Caird“, war ein besseres Ruderboot mit Segel. Hier erfuhr ich erstmals detailliert von der Endurance-Expedition und dessen seefahrerischen Höhepunkt, der Rettungsfahrt der James Caird.
In Deutschland zurück war ich sehr glücklich, mich bald in die Lektüre vertiefen zu können. Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe von Aufarbeitungen dieser Reise (umso bedenklicher, dass sie mir nicht bekannt war). Im Verlag von National Geographic ist das Originalwerk von Shackelton (herausgekommen unter dem Titel: „South“, wie immer auf Deutsch ganz anders als: „Mit der Endurance ins ewige Eis“) veröffentlicht wurden. Und was für ein bewegender Bericht dies ist! Er spricht von einer hoffnungsvollen Expedition, die immer mehr in eine Katastrophe mündet; in Kälte, Hunger und Durst. Der Kampf von Hoffnungslosigkeit und Untergang gegenüber der Anstrengung gerettet zu werden. Das alles erzählt Shackelton im Ton eines britischen Gentleman, der immer voller Respekt berichtet und der sich nie dazu verleiten lassen würde, arrogant zu kritisieren. Ein wahrhaft heroisches Buch, dass gerade jetzt im Winter eine sehr zu empfehlende Lektüre ist. Bis heute ist mir übrigens nicht klar, wer dieser Pardo sein soll.