Es ist der erste Tag des Septembers und der Sommer nähert sich ganz langsam seinem Ende. Sally ist aus der Klinik ausgerissen. Sie ist 17 Jahre alt und die Welt versteht sie nicht. Sie flüchtet und trifft weit weg vom Rummel der städtischen Umgebung auf Liss. Diese lebt einsam auf einem Bauernhof in einem Dorf an bergigen Weinhängen, irgendwo im Süden des Landes. Schnell stellt sich heraus, dass die ruhige und sehr zurückhaltende Art von Liss, Sally faszinierend findet, weshalb sie ihre Flucht einstellt und auf dem Bauernhof bleibt. Eine Freundschaft entsteht, die aus gegenseitigem Interesse am jeweils anderen beruht und scheinbar können sich beide gegenseitig etwas geben.
„Alte Sorten“ ist ein Roman über eine entstehende Freundschaft zwischen zwei Frauen. Eine, die ihr Leben noch finden muss und sich bisher von der Welt unverstanden fühlt und eine andere Frau, welche die Welt kennengelernt hat und ihre Konsequenzen daraus im Rückzug aus ihr gezogen hat. Was „Alte Sorten“ zu einer besonderen Erzählung macht ist, das dieser Rückzug aus der modernen Welt, auch das Eintauchen in eine fast schon vergessen geglaubte Welt eines Rückbezugs auf die Natur ist. Dabei zelebriert das Buch traditionelle Methoden des Umgangs mit unseren Nahrungsmitteln und liest sich wie ein Kochbuch alter Techniken. Sally lernt von der Bäuerin Liss, wie unser Essen angebaut, geerntet und verarbeitet wird. Das hört sich fast wie ein konservative Grundstimmung an, ist es aber nur, wenn man konservativ als das Festhalten von Traditionen betrachtet, die ebenso althergebracht wie gleichfalls erhaltenswert und positiv sind. Gleichwohl ist das Buch ein Manifest, sich nicht an den Stromlinien von Institutionen und zeitgenössischen Erwartungen festzuhalten, sondern das Leben zu suchen und zu finden, dass man zu leben glauben möchte. Das alles sind keine revolutionär neuen Sujets, aber die Stimmung des Buches kann vollends überzeugen, wenngleich das Ende vielleicht etwas zu sehr nach alter Romanhandwerkerart zusammengebastelt erscheint. Ein schönes Buch über den Herbst, die Früchte unseres Lebens, aber vielmehr auch ein Roman über das Finden von echter Freundschaft und Lebensentwürfen.