aus der Reihe: „our pathetic age“
Erschien 2016 bei Carl Hanser | hier in der Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung vorliegend mit 144 Seiten
Meine Stimmung geht gegen Ende des Sommers immer eine Winzigkeit in Richtung Melancholie. Die Freibäder schließen, die Tage werden kürzer, sommerlichen Hitzetage werden seltener und bald danach wird es zu kalt werden, sich auf die Wiese zu legen und Bücher zu lesen. Erst gestern erzählte mir mein Opa von einem ähnlich melancholischen Gefühl, wobei er die Stimmung im Lande meinte, die nach seiner Einschätzung immer schlechter würde und nachdem ich danach den letzten Tag der Leichtathletik Weltmeisterschaft sah und man feststellen musste, dass niemand vom DSV[1] eine einzige Medaille, in der vergangenen Woche, gewonnen hatte war mir für einen Moment so, den Gedanken das alles immer schlechter wird zuzulassen.
Was ist das also für eine schlechte Stimmung, die sich irgendwie über unser aller Köpfen niederlässt? Dieser Intention geht Heinz Bude nach, mit seinem schon 2016 erschienen kleinen Werk „Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen“. Das ist nicht nur thematisch ein spannendes Feld, Heinz Bude gilt auch als einer der renommiertesten deutschen Soziologen.
Allerdings wird bei der Lektüre schnell klar, dass Bude „über den metaphorisch starken, aber definitorisch schwachen Begriff der Stimmung“ (S.38) nur wenig Theoretisches zu sagen hat. Stimmungen sind nicht einfach die Summe von leiblichen Zuständen, sondern beherrschen mich als Gesamtgefühl und als Individuum bin ich weder Autor noch Zeuge meiner Stimmungen, sondern „verstehe mich selbst in dieser oder jener Stimmung“. Gesellschaftlich sind Stimmungen so etwas wie zeitgeistige Sinnzustände, die unser Leben so etwas wie einen Hintergrundrahmen geben. Bude unterlässt es in seinem Büchlein aber, hier nach den Entstehungsbedingungen von gesellschaftlichen Stimmungen zu forschen, oder nach deren Multiplikation z.B. durch Medien oder das Internet. Auch ihre Stabilität oder Dynamik ist eher unklar. Er beschreibt stattdessen die von ihm als gesellschaftliche gewandelte Stimmungen vorgefundene Muster, wie die unterschiedlichen Generationen und ihre Zuschreibungen (die aber wohl mindestens genauso wie durch die soziologische Forschung wie durch die Marketing Bemühungen von Unternehmen geprägt wurden), den Wandel von Geschlechtsidentitäten und Zweierbeziehungen oder die Auseinandersetzung von Etablierten und Zugezogenen in einer Gesellschaft.
Das ist nicht uninteressant, aber dann doch nicht mehr als ein feuilletonistischer Blick auf das, was Soziologie über die Stimmung der Gesellschaft zu sagen hat und damit ist es nicht wirklich erleuchtend. Ein erster Blick auf ein theoretisch aber sehr spanendes Feld.
[1] Deutscher Leichtathletik-Verband. Tatsächlich fanden schon 19. Weltmeisterschaften seit 1983 statt, ohne Medaille aber ist der DSV nie geblieben.