Mit Peter Stamms neustem Roman „Weit über das Land“ fremdle ich ein wenig. Eine Familie kommt aus dem Urlaub zurück, es ist einer der letzten heißen Augusttage und die Eltern Astrid und Thomas sitzen auf der Terrasse und verabschieden den Sommer mit einem Glas Wein und der Sonntagszeitung. Der kleine Sohn ruft, Astrid geht ins Haus und Thomas geht fort. Er verlässt die Familie von jetzt auf gleich, ohne ein Wort zu sagen. Er hat keinen Plan, nur seine Freiheit, nur den Moment. Astrid bleibt zurück mit den Kindern.
Peter Stamm portraitiert in „Weit über das Land“ abwechselnd beide Seiten, den davon eilenden Thomas, der fast aus heiterem Himmel ein neues Leben beginnt und die dagebliebene Astrid, die durch den Verlust des Ehemanns auch dazu gezwungen wird. Stamm schafft es leider nicht, auch nur ansatzweise eine Identifikationsfigur im Roman zu schaffen, die Gründe für Thomas Abgang bleiben vollkommen rätselhaft, es wirkt wie aus einer Laune heraus. Astrid auf der anderen Seite ist träge in ihrem Leben gefangen und hat sich darin komfortable eingerichtet und auch ihr Umgang mit der neuen Situation ist geprägt davon, bloß nicht zu viel Veränderung zuzulassen. Diese beiden Erzählstränge haben durchaus ihren Reiz, aber gerade in Peter Stamms ruhiger und gelassener Sprache funktionieren sie (teilweise) nicht wirklich. Manchmal, besonders bei Thomas „Flucht“, wirkt der Roman viel zu lang und so, als wöllte er bewusst sich noch etwas aufheben, damit man später nochmal dem Leser was bieten kann. Stamms ruhige Erzählweise ist mit der eigentlichen Dynamik der Situation, dem spontanen Ausbruch aus einem Leben irgendwie nicht stimmig und erst im weiteren Verlauf finden sich Stil und Inhalt der Geschichte wieder. Das Ende das im Vergleich zum Rest des Textes geradezu rasant wirkt, befriedigt dann etwas, denn es schließt die Geschichte genau im perfekten Moment, aber es bleibt das Gefühl zurück, dass „Weit über das Land“ als Erzählung mit der Hälfte des Textes besser aufgehoben wäre.